Die besten Tragikomödien der 80er Jahre III

Back in the USA. War die letzte tragikomische Retrospektive vom internationalen Kino dominiert, werfen wir nun wieder einen Blick auf die amerikanische Variante der Kombination von Tragik und Komik. Nicht nur stammen alle hier genannten Filme aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, auch ihre Thematik und Motivik ist durch und durch amerikanisch. So setzt sich American Diner mit den Träumen und Hoffnungen junger Highscool-Absolventen auseinander, Magnolien aus Stahl thematisiert Prunk, Kitsch und Wirklichkeit großer amerikanischer Familienzeremonien und Miss Daisy und ihr Chauffeur wirft einen Blick auf Rassismus und Antisemitismus im Südosten der USA in den 50er Jahren. Ein Hauch Nostalgie schwingt auch immer mit, sind doch drei der vier hier vertretenen Filme deutlich vor ihrer eigentlichen Produktionszeit angesiedelt. Jepp, Sentimentalität und Nostalgie konnten die 80er Jahre ausgesprochen gut, insbesondere im Rückgriff auf vermeintlich leichtere oder zumindest harmonische Zeiten, bis hin zu den Radio Days der 30er und 40er Jahre. Vielleicht war es auch ein wenig die Schuld Ronald Reagans, dass Nostalgie und Konservatismus dabei stets Hand in Hand gingen… aber Gott, hat uns diese Sehnsucht nach der Vergangenheit großartige Filme beschert!

Miss Daisy und ihr Chauffeur [Bruce Beresford]

(USA 1989)

So etwas wie Oscarbait ist tendenziell eher ein Phänomen der jüngeren Filmgeschichte. Und der Spät-80er Tragikomödie Driving Miss Daisy das vorzuwerfen, wäre nicht nur vermessen sondern auch rundheraus falsch. Aber in der Tat ist die Geschichte um Daisy und ihren Fahrer Hoke ein bisschen eine Blaupause für viele oscarträchtige, nach Oscar gierende Filme der kommenden Jahrzehnte, wie zum Beispiel jüngst erst Green Book (2018): Angesiedelt im Amerika der 50er Jahre, politische Themen wie Rassismus und Antisemitismus aufgreifend und durch die Historisierung gleichsam externalisierend, ein starkes menschliches Drama in den Mittelpunkt vor den historischen Hintergrund stellend, und eine allgemeingültige, humanistische Botschaft formulierend… Miss Daisy und ihr Chauffeur darauf zu reduzieren täte dieser fantastischen Tragikomödie allerdings Unrecht. Dafür ist sie dann doch zu beschwingt, zu lakonisch und sarkastisch; herausragend gespielt von Jessica Tandy und Morgan Freeman (die hier sehr überzeugend eine Zeitspanne von fast 30 Jahren verkörpern) bricht der Film in genau den richtigen Momenten das historische Moment auf und wird zu universellen Gesellschaftsporträt einer USA, in der die Ausgegrenzten lernen müssen, zusammenzuhalten. Ja, natürlich gehört dazu auch eine Menge Sozialromantik und (hoffnungsloser) Optimismus; in diesem Fall ist der aber viel zu charmant umgesetzt, als das man ihm wegen seiner Sentimentalität bis hin zum Kitsch böse sein könnte.

American Diner [Barry Levinson]

(USA 1982)

Ebenfalls im historischen Setting (der ausgehenden 50er und frühen 60er Jahre) ist Barry Levinsons nostalgische Tragikomödie Diner angesiedelt. Diese verzichtet aber – abgesehen von vergangenheitsverliebtem Ästhetizismus – fast vollkommen darauf, dieses in den Mittelpunkt zu rücken und erzählt stattdessen eine universelle Geschichte um Männerfreundschaften, sich anbahnende Familienbildungen und die Ambivalenz eines jungen Lebens: Die Gratwanderung, zum einen nach vorne zu blicken und zum anderen, am Bekannten festhalten zu wollen. Dabei geht American Diner keineswegs zimperlich vor: Die Protagonisten verhalten sich oft schroff, oft unachtsam und eigensüchtig und machen, wie es sich für ihr Alter gehört, eine Menge Fehler, die sich mal mehr und mal weniger stark rächen. Sympathie und Empathie gewinnen sie aber durch das perfekt inszenierte Band ihrer Freundschaft, das vor allem in den realistischen wie pointierten Dialogen engmaschig geknüpft wird. Vielleicht sogar ein bisschen das eigentliche, vergessene, originale Brat Pack, gut drei Jahre bevor seine Nachfolger im Breakfast Club Berühmtheit erlangen sollten.

Magnolien aus Stahl [Herbert Ross]

(USA 1989)

Obwohl Steel Magnolias im (damaligen) hier und jetzt angesiedelt ist, trägt er doch mindestens so viel Nostalgie mit sich wie die beiden zuvor genannten Kandidaten. In diesem Fall ist es Nostalgie für das Band der traditionellen Familie und Freundschaft und für die merkwürdigen Rituale, die dieses Band mit sich bringt. Dass dies zu ästhetischem und dramaturgischem Kitsch erster Güte führt, dürfte nicht überraschen. Warum funktioniert dieses Groschenromanmärchen dennoch so gut? Zum einen wegen dem für damalige Verhältnisse alles andere als selbstverständlichen Fokus auf die Protagonistinnen. In diesem Fokus gelingt es dem Film Frauenrollen zu erzählen, die sowohl traditionell als auch modern, anlehnungsbedürftig wie unabhängig und stark sind. Zum Zweiten liegt es an den Topoi: Denn obwohl sich die stählernen Magnolien in Seifenopersentimentalitäten einpflanzen, geschieht hier doch mehr, als man vom braven „Hausfrauenfernsehen“ der 80er Jahre erwartet: Es gibt echte menschliche Schicksale, wahrhaftige Versuche, mit diesen umzugehen, und sowieso und überhaupt viel und alles vom Leben mit viel bittersüßem Zuckerguss. Hinzu kommen herausragende Schauspielleistungen von Sally Field, Julia Roberts und Daryl Hannah… und plötzlich ist all der Kitsch, ist all die Sentimentalität praktisch vergessen, und man freut sich einfach, diese faszinierenden Frauen ein Stück auf ihrem Lebensweg begleiten zu dürfen.

Radio Days [Woody Allen]

(USA 1987)

Keine Tragikomödien-Retrospektive ohne Woody Allen, so scheint es. Sein Spät-80er Episodenfilm Radio Days ist aber auch eine ganz und gar fantastische Variation des Genres. Angesiedelt in den USA der 40er Jahre erzählt sie von der Liebe zum Medium, in diesem Fall – was naheliegend sein könnte – nicht Film, sondern das Radio mit all seiner Musik, all seinen Fakten, all seinen Fiktionen. Ähnlich wie ein klassisches Skippen durch analoge Radiosender ist Radio Days dann auch weniger stringente Erzählung als viel mehr episodisches Kaleidoskop, in dem immer wieder die Kraft dieses tollen Mediums beschworen wird, gleichzeitig die Technik aber auch Platz macht für die Menschen, die mit ihr leben, mit ihr konfrontiert werden oder einfach alle Hoffnungen auf sie setzen. Das ist in dem Fall nicht nur verflucht nostalgisch sondern auch verdammt charmant und witzig. Gerade weil hier ein klarer Kern fehlt, bleiben viele dieser kleinen – bedeutungsvollen wie bedeutungslosen – Dioramen haften, begeistern durch ihre Nebensächlichkeit und verknüpfen sich doch zu einer großen Gesamtnarration, die die Macht des Medialen feiert. Vielleicht einer der am meisten übersehenen und unterschätzten Filme Allens, definitiv ein kleines verstecktes Meisterwerk insbesondere auch aber nicht nur für Radiofans und Nostalgiker.

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