Kurzrezensionen: Greenberg, Unknown Identity, Frozen

Noch ein paar Filme, die ich in letzter Zeit gesehen habe. Auch alles andere als hochaktuell. Greenberg wollte ich schon ewig rezensieren, bin ich aber nie so richtig dazu gekommen. Unknown Identity ist auch schon etwas länger her – da hätte es eigentlich sogar für eine zeitnahe Kinostartrezension gereicht – habe den aber irgendwie verdrängt, was gegenüber diesem grundsoliden, unterhaltsamen Thriller schon etwas ungerecht ist. Achja und den Direct-to-DVD Survivalthriller Frozen. Den habe ich als Letztes gesehen. Und würde ihn dann doch gerne so schnell wie möglich vergessen.

Greenberg [Noah Baumbach]

(USA 2010)

Einen bis dato weniger als  Schauspieler aufgefallenen Filmclown in anspruchsvolle Rollen stecken…? Warum nicht. Immerhin ist dies auch schon Paul Thomas Anderson gelungen, als er Adam Sandler nicht nur eine Figur sondern gleich einen ganzen Film auf den Leib schrieb und mit Punch Drunk Love eine überraschend düstere, skurrile und groteske Liebesgeschichte erschuf. Und schließlich ist in diesem Fall Noah Baumbach am Werk, der mit Der Tintenfisch und der Wal für eine der schönsten Tragikomödien der 00er Jahre verantwortlich ist. Überraschend an Greenberg ist erst einmal, dass Baumbach eben nicht den einfachsten Weg geht und den Prototypen Stiller in eine ernstzunehmende vielschichtige Filmrolle verwandelt, wie seinerzeit Anderson mit Adam Sandler in „Punch Drunk Love“ verfahren ist. Greenberg wählt einen holprigeren Weg und lässt Stiller in die Rolle eines zynischen Mitdreißiger Misanthropen und in den 90ern hängen gebliebenen Slackers schlüpfen. Dieser hat abgesehen von seiner tragischen Unselbstständigkeit wenig mit den Stiller’schen Prototypen, der verrückt nach Mary ist, gemein. Romantik geht ihm vollkommen ab, stattdessen präferiert er den kühlen nichtssagenden One Night Stand. Auch kommt er gänzlich ohne Naivität aus, nimmt hin und wieder gerne Drogen und kann ab und zu auch vollkommen überraschend aus der Haut fahren.

Anhand dieses Charakters, der geschickt zwischen Tragik und Komik pendelt, zeichnet Baumbach dann doch noch eine Liebesgeschichte, die trotz gängiger Romcom-Klischees genug Harken schlägt, um nie zu flach oder eindimensional zu werden. Das liegt nicht zuletzt an der extremen Rücknahme der komödiantischen Elemente; oft genug ist Greenberg ein schlichtes, trockenes Drama, dass weder unterhalten noch amüsieren will. Genau in diesen Momenten funktioniert der Film dann auch am besten und gegen Ende darf er dadurch – wie sein Protagonist – dem Publikum sogar richtig ans Herz wachsen. Ermöglicht wird dies nicht nur durch Baumbachs behutsame Inszenierung und Stillers herausragendes Spiel sondern insbesondere durch den durchwegs hervorragenden Cast, von der vielschichtigen Greta Gerwig bis zum hier überraschend ernsten Rhys Ifans (genau, der Taucheranzugträger aus Notting Hill). Alles in allem eine gelungene, angenehm trockene Tragikomödie, mehr Drama als Comedy und in ihrer einfachen, unaufgeregten Art immer wieder berührend.

Unknown Identity [Jaume Collet-Serra]

(USA 2011)

Erfolgreicher Wissenschaftler reist nach Berlin, gerät in einen Autounfall und sieht sich plötzlich damit konfrontiert, dass er offensichtlich komplett ausgetauscht wurde: Seine Frau erkennt ihn nicht mehr, an ihrer Seite ein neuer Mann, mit seinen Papieren, seinem Wissen und seiner Identität. Klar, dass die Disposition von „Unknown Indentity“ einen hervorragenden Mysterythriller verspricht. Ebenso ist allerdings schon von Beginn an klar, dass das mysteriöse Thrillervexierspiel – wie in dem Genre üblich – auf die Frage „Bin ich verrückt oder sind es die anderen?“ hinausläuft. Unknown Identity bringt sich mit einem eleganten Plottwist recht geschickt aus dieser genreimmanenten Klemme. Damit türmen sich zwar spätestens ab der zweiten Hälfte des Films die Plotholes und Widersprüchlichkeiten, aber die kleine, zurückhaltende Hitchcock-Hommage punktet ohnehin an anderer Stelle.

Zum einen wäre da das Setting, das ganz hervorragend funktioniert. Nicht nur Dank des „Ahhh Berlin!“-Effektes, sondern einfach, weil Kameramann Fabio Labiano sich genau die richtigen Orte der deutschen Hauptstadt herauspickt. Düster geht es meistens zu, dreckig und unübersichtlich. Das hat zwar immer ein wenig den Hauch von „Amerikanische Filmemacher halten Berlin nach wie vor für den verlängerten Arm Russlands“, unterhält aber prächtig durch seine rabenschwarze Atmosphäre. Zum zweiten wäre da der elegante Hitchcock-Charme, der sich das ein oder andere Augenzwinkern erlaubt und die Inszenierung nie größer machen will, als sie in Wirklichkeit ist. Dadurch wird „Unknown Identity“ zwar nicht zum Hochkaräter, ein solider, straight forward Thriller ist er aber allemal.

Frozen [Adam Green]

(USA 2010)

Es ist schon ein Kreuz mit den Survival-Thrillern. Dank weltweiter Vernetzung, jederzeit griffbereitem Handy und Google-Ortung ist es mittlerweile verdammt schwierig, eine ausweglose Situation einigermaßen glaubwürdig darzustellen und daraus dennoch einen spannenden Thriller zu generieren. Frozen lässt seine Protagonisten also in der Seilbahn hängen, natürlich ohne Handy, natürlich zu Dienstschluss und natürlich in einem Skigebiet, das die Woche über wie ausgestorben ist. Der Aufhänger dieses Überlebenskampfes ist dann soweit doch glaubwürdig genug, um den Spaß am kommenden Horror nicht zu vermiesen. Das gelingt Frozen dafür an anderer Stelle. Das besondere bei funktionierenden Survival-Schockern wie „Open Water“ ist weniger das Geschehen, als viel mehr das Nicht-Geschehen. Das scheinbar endlose Festsitzen, festgehalten in klaustrophobischen, verwackelten Naheinstellungen oder erschütternden Totalen, die die Ausweglosigkeit der jeweiligen Situation deutlich machen. Frozen verzichtet leider von Beginn an auf dieses Nicht-Geschehen und schlägt in die Vollen.

Es scheint gerade so, als hätte Adam Green panische Angst davor, Frozen könnte langweilig werden, und so fährt er volles Torture-Geschütz auf. Da reicht nicht ein gebrochenes Bein, da müssen die Knochen schon gleich aus dem geschundenen Körper herausragen, inklusive Blutfontänen. Da genügt nicht der Anflug von Paranoia, da müssen schon Hundertschaften von Wölfen auftauchen. Und wenn schon Erfrierungen und Frostbeulen, dann müssen sie such gleich so richtig böse und widerlich aussehen. Die handfesten Gefahren werden selbstverständlich initiiert durch die Dummheit der drei Protagonisten, die begnadet darin sind, ihre ohnehin ungünstige Lage immer katastrophaler werden zu lassen. So macht sich Frozen jeden spannenden, gelungenen Suspense-Ansatz selbst durch den blinden Aktionismus der Beteiligten und übertriebene Effekthascherei zu Nichte. Und es kommt  wie es kommen muss: man fiebert nicht mit, sondern langweilt sich, ärgert sich über das dumme Verhalten der Akteure, entdeckt Logiklücken, blöde Dialoge und vor allem übertriebene Spannungs- und Effekthascher. Mitunter bietet Frozen dann zwar doch noch die wirklich knackigen, atemraubenden Momente… Das reicht aber nicht, vor allem da diese viel zu selten vertreten sind. Und so wandert auch dieser Survival Thriller vollkommen zurecht ins Direct-to-DVD-Regal neben die anderen B-Movies, die dieses Genre vor allem wegen der geringen Inszenierungskosten immer wieder gern besetzen.

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Erstveröffentlichung: 2011