Die besten Komödien der 90er Jahre IV

Ähm… ganz kurz noch mal durchgehen: Parodien, check! Grotesken, check! Slacker, check! Okay, wir sind tatsächlich bei der vierten Komödien-Retrospektive der 90er angelangt. Ganz schön beachtlich, wenn man bedenkt, dass wir den 00er Komödien gerade mal einen kläglichen Artikel spendiert haben. Diese hier wird – so viel darf schonmal verraten werden – nicht die letzte 90er Komödien-Retrospektive bleiben. Allerdings gibt es ab sofort keine Subgenres mehr, auch wenn die meisten der hier genannten Filme sich in die ein oder andere Unterkategorie einsortieren ließen. Stattdessen einfach das volle Programm, direkt auf die Lachmuskeln. Wie immer kurz in den höchsten Tönen gelobt und mit Videomaterial unterfüttert…

Pappa ante Portas [Loriot]

(Deutschland 1991)

Wie es aussieht, kommt die beste Komödie der 90er Jahre aus Deutschland. Ach was, vielleicht sogar die beste Komödie aller Zeiten. Und außer uns Deutschen wird wohl kaum eine andere Nation darüber lachen können… Loriots Humor ist urdeutsch, legt den Finger tief hinein in die Wunde des deutschen Bildungsbürgertums, entlarvt Biedemännerei und Spießigkeit und macht das Ganze ohne jemals ätzend oder zynisch zu werden. Ganz im Gegenteil: Die skurrilen, überzeichneten – und doch so realen – Figuren in Pappa ante Portas sind allesamt ursympathisch, auf den Punkt genau verkörpert: Von Loriot selbst über seine Traumpartnerin Evelyn Hamann bis hin zur kleinsten Nebenrolle wie dem Kellner Gerd Dudenhöffer oder Nikolaus Schilling oder Charlotte Asendorf als grenzgeniale Weltuntergangspropheten… und diese Dialoge, diese göttlichen Dialoge. Von „Kuck mal ein Eichhörnchen.“ bis zu „Kravel, Kravel“. Pappa ante Portas ist eine große, übergroße Komödie. Das Meistwerwerk eines komödiantischen Genies und nicht weniger als ein Film für die Ewigkeit.

Und täglich grüßt das Murmeltier [Harold Ramis]

(USA 1993)

Jawoll! Jetzt hagelt es erst einmal Klassiker. Es ist schon eine große Kunst, in einem Film einen Tag immer und immer wieder zu wiederholen, und dies zugleich so grandios zu inszenieren, dass das Publikum den entsprechenden Film immer und immer wiederholt. Groundhog Day gehört zu jenen großen Komödien, die man gar nicht oft genug sehen kann. Die Wandlung Bill Murrays vom zynischen Arschloch zum Sympathieträger ist mit Verve inszeniert, mit unglaublicher Freude vorgetragen und dem Thema entsprechend vollgepfropft mit urkomischen Running Gags. Kein Wunder, dass sich der Streifen mittlerweile zum Kultfilm entwickelt hat, um den sich eine regelrechte Nerdkultur – inklusive akribischer Studien bildet.

Diesen Film haben wir auch in unserem Podcast besprochen.

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Dumm und Dümmer [Peter Farrelly, Bobby Farrelly]

(USA 1994)

Dank geachteter Auftritte in Filmen wie Eternal Sunshine of a spotless mind und Der Mondmann ist Jim Carrey mittlerweile ja aus dem Gröbsten raus, hat sich gar zum angesehenen Schauspieler entwickelt. In den 90ern sah das noch ganz anders aus und Grinsebacke Jim hatte ein Abo auf dämliche und überzeichnete Clownerien. Dumm und Dümmer, der Debütfilm der Farrellys (Verrückt nach Mary) ist genau eine solche Clownerie, ein No-Brainer im wahrsten Sinne des Wortes und der Beginn einer ganzen Reihe von stupiden Ekelkomödien. Aber Hölle, ist dieser Film komisch! Carrey und Daniels machen wirklich alles, um als absolute Oberdeppen die Gunst des Publikums zu gewinnen. Sie sind erfolgreich. So wenig Sympathie man den Trotteln entgegenbringt, so sehr freut man sich mit ihnen über ihre kleinen Erfolge, leidet unter ihrer Dummheit und wünscht ihnen abwechselnd alles Glück der Welt oder die Pest an den Hals. Ein sau dämliches, übersteuertes, schmerzhaftes Gagfeuerwerk, über das man oft – viel zu oft – laut – viel zu laut – lachen kann.

Clueless – Was sonst! [Amy Heckerling]

(USA 1995)

Vom Holzhammer-Nonsens zur (eigentlich gar nicht so) subtilen Medien- und Gesellschaftskritik. In Clueless  dann aber offensichtlich doch so subtil, dass sie vom Gros des Publikums als solche gar nicht erkannt wurde. Die bissige – aber nie ätzende – Satire auf High School Sternchen, Sitcoms und Teeniesoaps wurde schlicht als nette Teenagerkomödie wahrgenommen, was folgerichtig eine Serie nach sich zog, die der cineastischen Vorlage nicht im Geringsten gerecht wurde. Schlimmer noch, die folgende Serie Clueless barg alles, worüber sich ihr Kinovorbild noch lustig gemacht hatte: Kuppeleien, schwere Kleiderwahlen, überzogene Romanzen und das harte, entbehrungsvolle Leben der priviligierten US-Oberschicht. Klar, Clueless ist auch Popcorn, hat aber das Herz am rechten Fleck, weiß wie er seinen Protagonisten sowohl Sympathie als auch Spott entgegen bringen kann und ist dabei eine der lustigsten und schwungvollsten Komödien der 90er Jahre. Ab und zu vielleicht zu brav – und so auch mitschuldig an seiner ignoranten Weitervermarktung – als eigenständige, pointierte Satire aber mehr als sehenswert.

Wilde Kreaturen [Fred Schepisi]

(Großbritannien, USA 1997)


Zugegeben, Wilde Kreaturen erreicht nicht im Geringsten die Qualität seines Vorläufers „Ein Fisch namens Wanda“, mit dem er auch tatsächlich nur den Cast (Cleese, Curtis, Kline, Palin) und den überspitzten Humor gemein hat. Dennoch ist auch diese Fusion von Großbritannien und den USA einer der strahlenden Sterne am 90er Jahre Komödienhimmel. Auf kongeniale Weise werden die Eigenheiten der beiden Völkchen aufs Korn genommen: Arrogante, größenwahnsinnige Marketingexperten made in USA, verklemmte und hilflose Briten, dazwischen ein Haufen Tiere, die mitunter die einzigsten normalen Lebewesen in diesem Kuriositätenkabinett zu sein scheinen. Wilde Kreaturen ist bissig, sarkastisch und hat dennoch das Herz am rechten Fleck. Eine großartige Komödie und ein herrlich erbarmungsloser Beitrag zum Kampf der angelsächsischen Kulturen.

Flirting with Disaster [David O. Russell]

(USA 1996)

Dass Ben Stiller es drauf hat, durfte er spätestens bei Baumbachs grandiosen Greenberg (2010) unter Beweis stellen. Aber auch davor ist er schon mehr als einmal als hervorragender Darsteller und Regisseur aufgefallen, dessen Talent vom Überschuss an albernen Komödien mitunter verdeckt wird. In „Flirting with Disaster“ mit dem bescheuerten deutschen Begleittitel „Ein Unheil kommt selten allein“ begibt er sich auf eine Odyssee auf die Suche nach seiner Familie und landet schließlich in Mexiko. Begleitet wird er bei diesem Road Trip von zwei reizenden Frauen, die für die nötige Portion Screwball und gepfefferten Wortwitz sorgen (Hier ist der Originalton definitiv Pflicht). Dadurch wird Flirting with disaster zu einem rasanten Mix aus Comedy und Road Movie – mit durchaus melancholischen Momenten – aber vor allem einer ungeheuren Dichte an treffsicheren Gags.

American Pie [Paul Weitz]

(USA 1999)

Achja… American Pie. Wie leicht ist es doch diesen Film zu hassen: Infantile  Charaktere, alberne Späße oft genug unter der Gürtellinie, ein ganzer Haufen Fortsetzungen (von denen Teil 2 tatsächlich vollkommen und Teil 3 zumindest partiell anschaubar ist), den größten Gag im Trailer verhunzt, die Charaktere vorgeführt und so weiter… Aber heh, dieser Film hat Herz. Okay, Verstand vielleicht nicht gerade. Aber einen treffsicheren Sinn für Humor. Selbst die grenzdebilen Fäkalscherze funktionieren hier irgendwie. Und die Charaktere, die verzweifelt versuchen ihre Jungfräulichkeit loszuwerden sind mindestens sympathisch, mitunter sogar annähernd ambivalent. Und das wichtigste ist eben doch das Lachen. Und davon gibt es hier mehr als reichlich. Bittere Ironie der Geschichte, dass sich ausgerechnet der titelgebende – unzählige Male ausgeschlachtete – Apfelkuchengag als Rohrkrepierer erweist. Aber die anderen Pointen haben vollkommen zurecht schon memischen Kultstatus erreicht. Von „Damals im Ferienlager“ bis zur anbetungswürdigen MILF. Klar, der Film ist Schuld an zahllosen richtig miesen Epigonen, aber er ist jetzt schon ein Klassiker, ein geschickt arrangierter Pennälerspaß und eben auch einfach eine der besten Komödien der 90er Jahre.

In & out [Frank Oz]

(USA 1997)

Auch „In & Out“ muss man keineswegs bedingungslos lieben… Immerhin wird die Frage der sexuellen Orientierung in diesem Film zur Frage des Styles und äußerlichen Verhaltens erklärt. Klischeealarm hoch zehn! Ganz zu schweigen vom grandios überzogenen kitschigen Ende. Aber was davor passiert, ist mehr als nur eine breite Humoroffensive: Kevin Kline, der hemmungslos zu „I will survive“ tanzt – nebenbei eine der besten Tanzszenen der Filmgeschichte -, Tom Selleck als personalisiertes Fernsehen („Danke.“), dazu eine denkwürdige Oscarverleihung und eine grandiose Kollision von Klischees und Klischeebrüchen… So pendelt „In & Out“ geschickt zwischen Hollywoodkomödie, ein bisschen zu viel Schmalz hier und da und bissiger Satire und macht dabei alles in allem Mordsspaß.

Der Dummschwätzer [Tom Shadyac]

(USA 1997)

Schon aufgefallen? Dieser Artikel ist voll von dummen deutschen Titelübersetzungen. Dann macht es auch nichts mehr, dass aus dem passenden US-Titel „Liar Liar“ hierzulande mal eben „Der Dummschwätzer“ wird. Jim Carrey in Verbindung mit dem Attribut dumm hat sich in den 90ern immerhin wie warme Semmeln verkauft. Dabei stellt dieser Film schon einen gewissen Bruch in Carreys Schaffen dar, keinen großen, dafür sind die Fratzen, die Gesichtsakrobatiken und die albernen Slapstickeinlagen noch zu sehr vorhanden. Doch immerhin gibt es neben dem ganzen Klamauk eine Geschichte, eine fantastische noch obendrein, und diese besitzt sogar Herz. Hand und Fuß weniger, und bevor man nach „warums?“ und „wies?“ schreit, sollte man Carrey einfach als absolut überzeichneten Anwalt, der für einen Tag nicht lügen kann, genießen, inklusive herzerweichender Familienrettungsgeschichte. Liar Liar findet neben all seiner – grandiosen, gewitzten – Komik genug charmante, warmherzige Klänge, erzählt die Wandlung des Protagonisten zwar sehr traditionell, ist zwischendurch aber immer böse genug, um nie allzu sehr auf der Hollywood-Schmalzspur auszurutschen. Eine der besten Carrey-Komödien überhaupt und bereits die Vorahnung späterer darstellerischer Großtaten des lange Zeit unterschätzten Clowns.

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Erstveröffentlichung: 2011