Die besten Comicverfilmungen und Superheldenfilme der 90er Jahre

Batman und Robin, Captain America, Steel, Tank Girl, Das Phantom… Mit Fug und Recht wurden in den 90er Jahren der Superheldenfilm und die klassische Comicverfilmung für Tod erklärt, bevor das Genre in den 00er Jahren durch herausragende Beiträge ein unerwartetes Revival feierte. Ein paar gelungene Filme haben sich aber auch in dieses Jahrzehnt gemogelt, und die sollen trotz der Weltenretterflaute der 90er nicht unterschlagen werden

Darkman – Der Mann mit der Gesichtsmaske [Sam Raimi]

(USA 1990)

YES! Bevor Sam Raimi die Spiderman-Franchise hollywoodgerecht wiederbelebte, konnte er schon Superhelden… Und verdammt nochmal, wie er das konnte. Darkman ist vollkommen Over the Top, albern, trashig, infantil, übermäßig brutal, mit übermäßig vielen Explosionen, mit übermäßigem Pathos… und scheiße noch eins, macht dieser Film Spaß! Die Geschichte von dem Mann mit der Gesichtsmaske ist brutales, derbes Superheldenkino für Erwachsene im überzeichneten B-Movie- und Comicstil. Laut, schrill, ungemein pathetisch, nie ganz sicher, ob er sich nun selbst viel zu ernst nimmt oder permanent selbst karikiert. und dabei ein großartiges, heftiges Actionvergnügen für kleine etwas größere Jungs. Bier kühlen, Chips auspacken und genießen!

Dick Tracy [Warren Beatty]

(USA 1990)

Waren Beatty ist es gelungen mit Dick Tracy Standards für stilisierte, sich niveauvoll verbeugende Comicverfilmungen zu setzen, von denen auch heute noch Filme wie Sin City profitieren. Die Verfilmung der 30er Jahre Comicstripvorlage ist eine einzige Hommage an die glorreiche Comickunstzeit der USA. Getaucht in knallige, pointiert gesetzte Farben, mit den perspektivischen Möglichkeiten des Comics spielend und mit seiner übertriebenen, irrealen Erzählhaltung ganz dicht dran am dramaturgischen Eskapismus der damaligen Zeit. Dick Tracy ist ein Fest für Comicfans und ein vollkommen überhöhter, dreister Spaß, der sich keine Sorgen um Moral und Werte macht. Cool, elegant, laut und episch. Dabei schick und zugleich dreist seinen eigenen Noir-Stil ebenso kolportierend wie dekonstruierend. Besser können Film und Vorlage nicht miteinander verschmelzen.

Batmans Rückkehr [Tim Burton]

(USA 1992)

Es sollte an dieser Stelle endlich mal offiziell gemacht werden, bevor die infamen Lügen Überhand gewinnen: Batmans Rückkehr ist nach „The Dark Knight“ die beste Realverfilmung des dunklen Ritters. Ja! Genau so ist es! ihr wollt tragische Bösewichter? Bitte! Hinter seinem überkandidelten Verhalten verbirgt der Pinguin eine zutiefst traurige Geschichte, die nur nicht wahrnimmt, wer sich nicht traut hinter den Bonbongothiclook der Oberfläche zu schauen. Michael Keaton war mit seinem Nullacting und damit perfekt zugespieltem Mysterycharme ohnehin der überzeugendste Bruce Wayne Darsteller, weitaus geheimnisvoller, rätselhafter und spannender als der Playboy Christian Bale (Von den anderen brauchen wir gar nicht erst zu reden). Das Setting? Okay, Geschmackssache. Aber der Tim Burton Neon-Gothic-Look passt nunmal perfekt zu Gotham City, inklusive quietschbunter Übertreibung. Michelle Pfeiffer? Muss man nicht mögen. Aber Catwoman war heiß, mehr als das: Dissoziativ, tragisch, neben der Spur… und trotzdem so verdammt heiß. Die Geschichte? Mehr als  ausreichend für einen dunklen Comictrip. Die Atmosphäre? Ja, ja, ja! Die Perfektionierung der ohnehin schon gelungenen Optik des ersten Teils. Eskapistisch, eklektisch, voller expressionistischer Referenzen… Es bleibt dabei: Der zweitbeste Batman und einer der unterschätztesten Superheldenfilme. Ehrlich. Schaut ihn euch nochmal an. Es lohnt sich!

Crying Freeman [Christophe Gans]

(Kanada 1995)

Der auf einem Manga beruhende „Crying Freeman“ ist Superhelden-Eskapismus in Reinform: Stilvoll, überdreht, ein einziger Bilderrausch. Dazu schnell, laut, hart… mit einem nicht zu unterschätzenden Schuss roher Gewalt. Dank der dramatischen asiatischen Vorlage inszeniert sich Crying Freeman jedoch nicht als bonbonfarbene Westorgie sondern viel mehr in der Tradition japanischer, balletesker Inszenierungen. Fast schon opernhaft geraten so die pathetisch überhobenen Actionszenen, wie ein dunkles Musical, das nach Licht schreit… und auch Licht bekommt. Und sei es nur in der nächsten Explosion. Crying Freeman ist ein außerordentlich spannender Genrefilm, der sein Publikum stetig auf Trab hält und als Killer- und Heldenballade ebenso funktioniert wie als gigantische Mangatransformation.

The Addams Family [Barry Sonnenfeld]

(USA 1991)

Nicht alles ist gelungen an der überspitzten Verfilmung der rabenschwarzen TV-Serie The Addams Family. Zum Beispiel der Plot: Ist natürlich notwendig, um die Gruselserie kinotauglich zu machen, und auch gar nicht so schlecht. Etwas konstruiert halt.  Aber mal ehrlich: Wen interessiert das? Was wir wollen sind skurrile Figuren, absurde Sets, Monster, schwarzen Humor, mörderische Kinder und schräg bösartige Eltern: und Gott sei Dank hat die schwarze Komödie genau das auch reichlich zu bieten. Natürlich inklusive der ganzen Familie, plus dem großartigen Vetter It, mit dem eiskalten Händchen und passendem Spukambiente; inklusive absurden Guillotinenhobbies und romantischen Erinnerungen an grauenvolle Ereignisse. Ein wunderbares, leichtfüßiges Anti-Märchen eben, das voll und ganz von seiner Atmosphäre lebt.

Diesen Film haben wir auch in unserem Podcast besprochen.

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Salaryman Kintaro [Takashi Miike]

(Japan 1999)

Jaja… der Miike schon wieder. In der Maga-Verfilmung Salaryman Kintaro sogar ziemlich bekömmlich, für Miike-Verhältnisse fast schon leicht konsumierbar. Und das liegt nicht nur an dem großzügigen Budget, dass das japanische Regie Enfant Terrible hier zur Verfügung hatte, sondern auch an der ganzen Art wie er die Geschichte vom Anti-Helden, einfachen Sachbearbeiter und Anführer einer riesigen Motorradgang (!) inszeniert. Klar, schräg  geht es hier auch zur Sache: Seien es die zahllosen Superhelden-Reminiszenzen oder die vollkommene Over The Top Action. In erster Linie ist Salaryman Kintaro aber ein bissiger, straight forward Politthriller, eine makabere Heldensatire und ein gemächlich erzähltes, nichtsdestotrotz vollkommen überzeichnetes Comic-Drama. Mit deutlicher Miike-Handschrift und zugleich durchaus massenpublikumstauglich… naja, fast.

The Rocketeer – Der Raketenmann [Joe Johnston]

(USA 1991)

Einer der wenigen wirklich klassischen, traditionellen und zugleich überzeugenden Superheldenfilme der Dekade: Joe Johnstons Rocketeer ist eine hochwertige, leicht ironische Hommage an die gleichnamige Kurzfilmreihe und zugleich ein einfallsreicher Superheldenspaß der alten Schule. Charmant, abenteuerlustig, bunt und dabei ebenso aufregend und spannend. Mit passendem Hang zum nostalgischen 40er Jahre Ästhetizismus und Eskapismus, einem nie zu aufdringlichen Augenzwinkern und Actionszenen, die noch tief im Blockbusterkino der 80er verwurzelt sind, kämpft sich der Raketenmann zwischen Comic, Special FX und traditioneller Action zu einem furiosen Disney-Abenteuer empor. Einer der letzten Großen, Ungebrochenen und Traditionellen seiner Art.

The Crow – Die Krähe [Alex Proyas]

(USA 1994)

Alex Proyas Verfilmung des gleichnamigen Comics von James O’Barr ist mittlerweile zu einem echten Kultfilm geworden. Die düstere und grimmige Rachegeschichte von einem nach Erlösung gierenden Toten dürfte mitverantwortlich sein für zahlreiche Epigonen der futuristischen Schwarzästhetik (Von Blade bis Underworld). Was er seinen Epigonen allerdings voraus hat, ist die dreckige und rohe Art mit der er diese rüberbringt, ebenso die zwischen Coolness und Tragik pendelnde Geschichte und natürlich nicht zuletzt den herausragenden Jason Lee, der durch seinen Tod während der Dreharbeiten selbst zur Legende wurde. Ein rabenschwarzer, ästhetisch hochwertiger Trip in finstere urbane Landschaften und ein spannendes Düstermärchen über eine tragische Seele, die nach Erlösung schreit, dafür über Leichen geht und der trotzdem die ganze Sympathie eines klassischen (Anti)-Helden gebührt.

Die Maske [Chuck Russell]

(USA 1994)

Bunter, familiengerechter, hollywoodesker…. Klar die Maske ist vollkommen Over the Top, Gaga mit erhöhtem Nervfaktor, inklusive unglaublich passendem, nervtötendem Jim Carrey; mit einer Geschichte, die natürlich keine ist und so… Aber heh: Hier überzeugen nicht nur die fantastischen CGI-Effekte sondern ebenso die krasse Aufblähung des Films zum irrsinnigen Comic. Mit zahlreichen Reminiszenzen an klassischen Cartoonslapstick, zu keiner Zeit sich ernst nehmend, immer auf dem Sprung noch abartiger und frecher zu werden. Und verdammt nochmal, die Maske ist subversiver, als man auf den ersten Blick glauben könnte. So wird die klassische Romanze mit Mauerblümchen vs. Vernarrtheit in Sexbombe dreistderb aufgebrochen und in die Mangel genommen, der Held darf zwischendurch ein angenehm widerlicher Arsch sein und so comichaft die Gewalt auch ist, so überspitzt wird sie in ihrem rabenschwarzen Humor durchgezogen. Ein dreister Comicspaß, ein irgendwie gehässiger, gemeiner Film und damit eine tollkühne Unterwanderung der Hollywoodschen Zauberschmiede.

Spawn [Mark A.Z. Dippé]

(USA 1997)

Man sollte schon wissen, auf was man sich bei Spawn einlässt. Die Story ist dumm, die Moral fraglich, der Pathosgehalt nahe an der Grenze des Erträglichen… Aber das düstere Superheldenmär von Dämonenpakten und teuflischen Kriegern ist eine gigantische Antihelden/Superhelden-Oper, mit fantastischen Specialeffects aufwartend, wunderbar überzeichnet Comicheldenstereotype mit Mythologie und einer dunklen Horrorgeschichte kreuzend… und dabei sowohl ästhetisch als auch atmosphärisch derart dunkel, dicht und zugleich albern, einfallsreich, sich ständig selbst übertrumphend, dass es zum unheimlichen Vergnügen wird, dem visuellen, metaphysischen Exzess zu folgen.

Erstveröffentlichung: 2011

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