Rezension zu Professor Marston and the Wonder Women

Der Versuch DCs ein Cinematic Universe – ähnlich den Marvel-Filmen – aufzubauen, ist bisher weder bei Kritikern noch bei Zuschauern auf besonders viel Gegenliebe gestoßen. Eine Ausnahme bildete die 2017er Verfilmung des Wonder Woman Stoffes, die für manche Kritiker gar zu den besten Superheld*innen-Verfilmungen des Jahres gehörte und obendrein von manchen gar als erste wirklich feministische Comicverfilmung betrachtet wurde. Damit scheint ein Film über die Ursprünge der Figur genau zur richtigen Zeit zu kommen, insbesondere wenn sich diese nicht nur um den Mythos rund um die Entstehung der berühmten Heldin kümmert sondern zudem Parallelen zwischen dem progressiven Leben ihres Schöpfers sowie der beiden Hauptinspirationsquellen der starken Figur und den Bildern der Comic-Franchise zieht. Insbesondere unter dem griffigen Label: Ein Film über die Frauen hinter dem Mann hinter der Frau…

Die beiden miteinander verheirateten Psychologen William und Elisabeth Marston arbeiten in den 40er Jahren – wenn auch an unterschiedlichen Universitäten – gemeinsam daran, die Ursprünge von Begehren, Liebe, Macht und Unterwerfung aufzudecken. Zu einer großen Unterstützung – und zugleich zu einem spannenden Anschauungsobjekt – wird schon bald die Nachwuchspsychologin Olive, die sich nicht nur in professioneller Hinsicht zu den beiden hingezogen fühlt. Zwischen den dreien entwickelt sich schnell eine ungewöhnliche Beziehung zwischen Freundschaft, Liebe und Erotik, Begehren, Macht und Unterwerfung. Als sie beschließen fortan ihr Leben in einer Art Dreier-Ehe weiterzuführen, sorgt dies für einen Eklat und das Ende ihrer wissenschaftlichen Karrieren. Gleichzeitig bildet es aber auch den Startschuss für die Geburt einer übermenschlichen Superheldin und Halbgöttin, die das prüde Amerika der 40er Jahre ganz schön in Wallung bringt.

Um gleich den großen Elefanten aus dem Raum zu räumen: Es ist äußerst fraglich, inwieweit Angela Robinsons unorthodoxes Porträt einer angenehm spannungsfrei funktionierenden polyamorösen Familie den historischen Tatsachen entspricht: Glaubt man den Chronisten und Chronistinnen scheint es sogar eher so, als sei die Dreierbeziehung keineswegs so einstimmig erfolgt, wie es in dem Film den Anschein hat; auch scheint der Wonder Woman Schöpfer keineswegs als die feministische Ikone zu taugen, als die ihn der Film darstellt; und erst recht scheinen bei der Entstehung von Wonder Woman keineswegs so sehr die hehren Motive einer starken, selbstbewussten Frauenrolle im Zentrum gestanden zu haben, wie diese äußerst freie Biografie suggeriert. Aber sei es drum: Es lässt sich durchaus damit arrangieren, dass sich dieser unaufgeregte und auch herzliche Blick auf das Thema Polyamorie auf fiktivem Parkett bewegt. Und in einer Zeit, in der immer noch alles jenseits der standardisierten, monogamen heterosexuellen Beziehung viel zu oft mit Argwohn betrachtet oder übertrieben problematisiert wird, tut es wirklich gut, einmal eine Narration zu erleben, in der Consent, Spaß und Romantik jenseits von Eifersüchteleien und sozialen Zwängen im Mittelpunkt stehen.

Die rosarote Brille darf also gerne angezogen bleiben, insbesondere bei einem so herzallerliebsten Ensemble, das mit viel Pfiff aufspielt und sich mit geschliffenen Dialogen und viel Lebensfreude durch ein exzellentes Drehbuch tanzt, inklusive einer Menge Charme und Esprit. Der Teufel liegt dann doch eher im Detail oder viel mehr in der Detaillosigkeit. Die andere Seite der Unaufgeregtheitsmedaille ist nämlich, dass die Inszenierung die meiste Zeit über viel zu bieder und brav daherkommt, fast schon spießig ist, und damit dem Sujet doch überhaupt nicht gerecht wird. Das Problem ist dabei weder der Text noch das Schauspiel- oder die Schauspielführung (Ganz im Gegenteil, angeleitet von Angela Robinson spielen Luke Evans, Rebecca Hall und Bella Heathcote ganz hervorragend), sondern viel mehr die penetrante Melodramatik, mit der der Film insbesondere musikalisch seine Geschichte begleitet. So schwungvoll Spiel und Dialoge sind, so zähflüssig ist – insbesondere zu Beginn und zum Ende des Films – seine Bild- und Tonsprache, fast so als wäre im Schnitt vergessen worden, wie viel Spaß die Beteiligten hier aneinander haben.

Das ist schade, weil Professor Marston & The Wonder Women gerade in seinem Mittelteil ungemein viel Charme und Charisma versprüht: Die Erotik-Montagen, wenn auch ziemlich harmlos in ihrer Bildsprache, besitzen sehr viel Jazz und Schwung. Die Parallelmontagen von erotischen Erlebnissen und Wonder Woman Geschichten sind clever, der Schnitt darf an diesen Stellen richtig auftrumpfen und auch mal hektisch, unfokussiert und nervös sein. Dies kommt jedoch alles in allem zu selten vor und schnell verliert sich die Story wieder in ihrer melodramatischen Trägheit. Dabei bleibt vieles an der kitschigen Oberfläche kleben, und das Tempo wird immer wieder ausgebremst. Schade, denn die Steine, die sich der Film selbst in den Weg legt, hätte er elegant umschiffen oder überspringen können: Ein ein bisschen tieferer Blick auf die Comics (denen hier erschreckend wenig Platz eingeräumt wird), ein bisschen weniger dramatische Kameraführung und mehr spritzige Dialoge, ein bisschen mehr Sex, ein bisschen mehr Mut zur Nacktheit und zum Hedonismus, dann hätte das alles gepasst. In der Form bleibt ein netter, viel zu netter, erschreckend braver Liebesfilm, der eine Menge Möglichkeiten verschenkt, als Verteidigungsschrift für Polyamorie und Liebesbrief an gezügelten Sadomasochismus aber allemal sehenswert ist.

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