Die besten Filme 2018: Blackkklansman

Über 30 Jahre dauerte es, bis der ehemalige Undercover-Polizist Ron Stallworth mit den Erinnerungen an seine Arbeit an die Öffentlichkeit gehen sollte. Und was waren das für Erinnerungen! Nicht nur, dass er seit 1972 der erste schwarze Polizeibeamte in Colorado Springs war, er infiltrierte 1978 auch erfolgreich den Ku-Klux-Klan und schaffte es dabei sogar den Grand Wizard David Duke am Telefon von seiner 100% rein weißen Abstammung zu überzeugen. Kein Wunder, dass seine Autobiografie Black Klansman (2014) für Legendenbildung taugt. Und wer wäre besser dafür geeignet, diese weiterzutragen, als die Ikone des New Black Cinema, Spike Lee. Entsprechend hoch dürfen die Erwartungen an den Film Blackkklansman (2018) sein, zumal dieser im Jahr zwei der Präsidentschaft Trump, in Zeiten von rassistischen Charlottesville-Aufmärschen und Alt-Right-Allmachtfantasien wie Arsch auf US-Eimer passt.

Die USA in den 70er Jahren: Ron Stallworth (John David Washington) hat es nicht leicht, als er seinen Einstand bei der Polizei von Colorado Springs feiert. Nicht nur, dass er täglich mit dem Rassismus seiner Kollegen konfrontiert ist, darüber hinaus muss er auch noch im Innendienst lästige Laufburschenarbeiten erledigen, und als er es dann endlich Dank viel Überzeugungsarbeit, schafft, zur verdeckten Ermittlung befördert zu werden, besteht seine Aufgabe primär darin, ziemlich harmlose Studenten- und Black-Power-Veranstaltungen zu infiltrieren. Als er in der Zeitung auf eine Anzeige der Ortsgruppe des Ku-Klux-Klans aufmerksam wird, entschließt er sich kurzerhand zur Eigeninitiative und ruft bei der angegebenen Nummer an. Tatsächlich gelingt es ihm mit viel Charme (und einem herausragenden sprachlichen Talent), den Ortsgruppenleiter Walter (Ryan Eggold) davon zu überzeugen, ein fanatischer Anhänger der KKK-Ideologie zu sein und schon bald wird er eingeladen, Mitglied des White Supremacy Klans zu werden. Für die persönlichen Treffen vor Ort übernimmt Rons jüdischer Kollege Flip (Adam Driver) dessen Rolle, während er weiterhin am Telefon Überzeugungsarbeit leistet. Es dauert nicht lange und das Duo gelangt tief in die Strukturen der rassistischen Vereinigung bis hin zur obersten Ebene. Mit den Erfolgen der verdeckten Ermittlung steigt aber die Gefahr entdeckt zu werden. Und das gefährdet nicht nur die Aufklärung über Terrorpläne des Klans sondern auch das Leben der beiden Cops.

Was Stoff für ein aufgeheiztes, pathetisches Thrillerdrama wäre, wird in den Händen von Spike Lee Gott sei Dank zu etwas völlig anderem. Blackkklansman glänzt größtenteils durch eine charmant nüchterne und realistische Erzählweise, geleitet von einer sauberen Akribie (ohne jemals pedantisch zu sein) und einem guten Blick für Details. Gerade zu Beginn wird dieser dokumentarische Ansatz wunderbar aufgebrochen durch eine fast schon relaxte Haltung, deren Fokus nicht selten auf charmantem Humor und augenzwinkernder Slickness liegt. Mehr noch. Teilweise traut sich Blackkklansman in seiner coolen Attitüde sogar das Blaxploitation-Kino der 70er Jahre zu zitieren, nie zu aggressiv, nie zu direkt, aber offensichtlich genug, um immer mal wieder als tiefe Verbeugung vor der schwarzen US-Kulturgeschichte daherzukommen. Gerade in seinen Referenzen an Blaxploitation und auch Exploitation kippt er dabei immer wieder gerne ins Bizarre und Groteske, findet aber auch immer rechtzeitig den Weg zum Realistischen und Dokumentarischen zurück.

Auf der technischen Seite gibt Blackkklansman sich dabei keine Blöße. Die Kamera ist sowohl punktgenau als auch experimentierfreudig. Selbiges gilt für den herausragenden Schnitt. Hier findet Spike Lee, trotz seines dokumentarischen Anspruchs, immer wieder Raum für fantastische Parallelmontagen, Gegenüberstellungen von Geschehnissen und radikalen Ton-Bild-Asynchronitäten, die dem Film einen starken Drive und eine Menge Vitalität geben. Nicht nur die Bild- und Tonregie, auch die Schauspielführung und das Schauspiel selbst sind absolut treffsicher. John David Washington (Sohn von Denzel Washington) spielt seinen Ron Stallworth mit ebenso viel Empathie wie Coolness, Adam Driver überzeugt als immer etwas übernervöser Polizistenkollege und Laura Harrier gibt Stallworths Love Interest genug Charakter und Stärke mit auf den Weg, um sich immer wieder von der Rolle als bloßes Anhängsel abzuheben. Die spannendsten Figuren des Films sind und bleiben allerdings die Klansleute: Hier ist alles versammelt, was man an Neurotikern, Verrückten, Tölpelhaften, Spießigen und einfach nur Fanatikern finden kann. Wohlgemerkt, natürlich macht sich Blackkklansman über diese Typen lustig, natürlich werden sie in all ihrer Widersprüchlichkeit und Idiotie vorgeführt, aber es gelingt ihm eben auch, aus ihnen Menschen zu machen; gruselige, bösartige, bekloppte und lächerliche Menschen; aber zweifelsohne Menschen, was sie umso bedrohlicher und beängstigender wirken lässt. Und die herausragenden Darsteller füllen diese Menschen mit Leben; allen voran Jasper Pääkkönen als aggressiver Choleriker Felix und Ashlie Atkinson als dessen ergebene, tragikomische Frau. Aber auch darüber hinaus überzeugen Ryan Eggold als spießiger Vereinsmeier und nicht zuletzt Topher Grace, der seinen Davis Duke zu einem fast schon bizarr unsicheren, hilflosen Würstchen degradiert. Selten zuvor wurden im Kino derart erfolgreich rechtsextreme Terroristen seziert und als das enttarnt was sie sind: Fanatische, überambitionierte Idioten, die es durch Gewalt und Terror schaffen, größer zu erscheinen, als sie eigentlich sind.

Dass das ganze dann nicht zur bloßen Satire wird, ist vor allem dem letzten Drittel zu verdanken. Auch wenn zuvor schon immer wieder durch pointiert eingesetzte, pathetische Szenen, die Lockerheit von Blackkklansman aufgebrochen wurde, so legt der Film im letzten Akt nochmal eine ordentliche Schippe Emotionalität drauf. Ohne seinen stylischen Charakter zu verlieren wird er um einiges dichter, spannender und auch dramatischer. Hier wird dann eben plötzlich nicht nur Kulturgeschichte referenziert sondern auch eine lange, viel zu lange Geschichte von Rassismus, Segregation, Hass und Gewalt in den USA des 20. Jahrhunderts, zurück bis zu D. W. Griffiths The Birth of a Nation (1915). In der wohl stärksten Szene des Films wird die dramatische Erzählung eines überlebenden Zeitzeugen, der von Rassisten fast getötet wurde, parallel geschnitten zu einer Vorführung des rassistischen Stummfilms beim Klan. Während die eine Seite jubelt und feiert, in rassistischer Nostalgie schwelgt, muss sich die andere damit auseinandersetzen, das selbst große Staatsmänner und Präsidenten bis zum aktuellen Tag, den Rassismus dieses Films gutheißen und sogar zum wichtigen amerikanischen Erbe erklären.

Und Spike Lee schlägt den Bogen sogar noch weiter. Im – im Grunde genommen folgerichtigen – Epilog werden Bilder der rassistischen Charlottesville-Demonstrationen 2018 und des Anschlags auf die Gegendemonstration gezeigt. Und plötzlich sind wir wieder in der Gegenwart, direkt in Trumps Amerika, in dem immer noch Rassismus und rechtsextreme Gewalt existieren und immer noch von Politikern klein- oder sogar schöngeredet werden, allen voran Donald Trump. Und ja, das ist verflucht pathetisch, das ist direkt, mitten in die Fresse… und ein absolut passender Abschluss für einen sehr guten Film, der bis dahin seine Bezüge zur aktuellen Politik nie selbstgerecht vor sich hergetragen sondern diese immer subtil ins Gesamtgeschehen eingeflochten hat. Der Paukenschlag am Ende darf deshalb all das sein: Auch mit Fingerzeig, auch mit Moral, auch mit deutlicher Botschaft. Blackklansman funktioniert als aktuelle politische Botschaft ebenso wie als historisches Zeitdokument, ebenso wie als universeller politischer Film über universelle politische Probleme. Und zugleich auch als verflucht cooles, zeitgemäßes und zeitloses Krimidrama, immer mit der richtigen Balance zwischen slick, fancy, spannend und emotional.

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