Die besten Agentenfilme und Spionagethriller der 70er Jahre

Filme, die sich mit Geheimdiensten und dem Thema Spionage auseinandersetzen, sind immer mit einer Frage konfrontiert: Wie realistisch beziehungsweise wie unterhaltsam soll es denn sein? Das Spektrum ist groß: Auf der einen Seite haben wir die Filme der James Bond Reihe, die sich komplett vom realistischen Blick auf das Agentenleben entfernen und pure Actionflicks für ein sensationslustiges Publikum sind. Auf der anderen Seite haben wir Themen, die eine breite Öffentlichkeit interessieren: Gerade in den 1970er Jahren war der kalte Krieg noch voll im Gange, und neueste technische Entwicklungen sorgten für ein Klima der ständigen Angst und Paranoia zwischen den Blöcken. Einfache Menschen schienen immer wieder zwischen die Fronten dieses schwelenden Konflikts zu geraten, bestes Material also für paranoide, autoritätskritische Suspense-Thriller. Und dann gab es natürlich noch darüber hinausgehende Spionage-Thematiken, die mitunter losgelöst von der „großen“ globalen Politik scheinen: Vom Terrorismus über die Überwachung des einfachen Bürgers bis zu der allgemeinen Frage, wie viel sich ein Staat hinter den Kulissen der Macht erlauben darf, bevor Völker- und Menschenrechte brutal gebrochen werden. Die in dieser Liste vorkommenden Filme bewegen sich alle in diesem Spannungsfeld, tendieren allerdings zu mehr Düsternis, zu mehr Realismus und zu weniger Eskapismus (Ausnahme, die bereits im letzten Artikel gewürdigten James-Bond-Streifen). So haben wir es bei Der Brief an den Kreml mit einem komplexen, sehr traditionellen Spionageschinken von Altmeister John Huston zu tun, der eine Menge Zynismus im Gepäck hat. Scorpio erzählt auf der Oberfläche einer Spionagegeschichte eine Actionballade von einsamen, lebensmüden Killern, während Der Schakal mit einem fast schon dokumentarischen Habitus an das Thema Geheimdienstarbeit herangeht. Und die Genredekonstruktion Die drei Tage des Condor lenkt ihren Blickpunkt auf die einfachen Geheimdienstmitarbeiter, die weder Superhelden noch Superschurken sind, mitunter aber auch in den Mühlen von Misstrauen, Verrat und Gewalt verlorengehen können. Vielleicht waren die 70er Jahre das letzte große Jahrzehnt des Agentenfilms. Gerade im Bruch mit den romantischen, romantisierenden Tropes des Genres haben sie einige Meisterwerke für die Filmgeschichte hervorgebracht.

Der Brief an den Kreml [John Huston]

(USA 1970)

Regisseur John Huston gehört zu den großen Altmeistern der Traumfabrik. Mit Filmen wie Die Spur des Falken definierte er den Film Noir und macht Humphrey Bogart zum Star. Mit Abenteuerkrachern wie African Queen prägte er Look & Feel von Hollywoodblockbustern über Jahrzehnte. In den 70ern wurde es etwas ruhiger um die Regielegende, was aber nicht bedeutet, dass er in dieser Zeit untätig war. The Kremlin Letter gehört zu den weniger bekannten Werken Hustons. Diese klassische Kalter-Krieg-Geschichte hat aber definitiv mehr Aufmerksamkeit verdient: Angelehnt an Inszenierungsprinzipien des Noir inszeniert er eine düstere und zugleich komplexe Spionagesaga, in der vor allem das Prinzip gilt: Du kannst niemandem vertrauen! Exquisit inszeniert, bisweilen etwas zu konfus montiert, ist Der Brief an den Kreml ein kalter, trockener und bisweilen auch zynischer Agentenfilm, der Trademarks des 40er Jahre Kinos erfolgreich in die 70er transferiert. Dazu gehört, dass bei allem Pessimismus und aller narrativer Verwirrung hin und wieder auch geschmunzelt werden darf, dass der Sarkasmus, der das gesamte Geschehen umweht, nicht nur gehässig sondern auch verdammt unterhaltsam ist, und das sich trotz Distanz zu den Figuren eine eiskalte Spannung entwickelt. Gerade in seiner Konsequenz und Logik ist The Kremlin Letter dennoch vor allem knochentrocken und auch ziemlich brutal, bis hin zur Dekonstruktion romantisierender Geheimdienstmythen. Gutes im moralischen Sinne gibt es hier wenig zu finden, dafür aber umso besseres, was Storytelling, Dramaturgie und Ästhetik betrifft.

Der Schakal [Fred Zinnemann]

(Großbritannien, Frankreich 1973)

Den realistischen Spionagethriller der Dekade findet man im europäischen Raum, mit einem Szenario, das im Frankreich der 60er Jahre angesiedelt ist. Folgerichtig steht hier auch nicht der Ost-West-Konflikt im Mittelpunkt des Geschehens, sondern – im Genre des Spionagethrillers viel zu selten thematisiert – der inländische Terrorismus: Eine rechtsextreme Gruppierung möchte den französischen Präsidenten Charles de Gaulle ausschalten und setzt auf diesen den mysteriösen Auftragskiller Schakal an. Die Geschichte der Attentatsplanung und geheimdienstlichen Recherche zur Vereitelung des Anschlags erzählt The Day of the Jackal streng dokumentarisch in herausragend montierten Sequenzen, die zwischen dem Tun des Attentäters und den ermittelnden Behörden oszillieren. Das Publikum verbringt viel Zeit mit dem akribisch mordenden Killer sowie dessen Auftragsgebern und erhält so faszinierende Einblicke in die Handlungsweisen terroristischer Organisationen. Durch dessen steten Vorsprung vor den ihn jagenden Behörden entsteht eine unfassbar enervierende Spannung und viel Suspense. Dennoch versteht sich der Schakal nicht als unterhaltsamer Blockbuster. Neben den wirklich mitreißenden Spielfilmsequenzen besticht er in der Tat durch eine außerordentliche zeitliche und formale Strenge, die ihm die Atmosphäre einer akribischen, detailversessenen Dokumentation verleiht. Er wertet nicht, sondern betrachtet, er sympathisiert nicht, sondern stellt dar, und ist genau dadurch deutlich dichter am Geschehen als viele seiner Genrebrüder. Ein herausragend dichter, ohne Schwierigkeiten zwischen Handlungsorten springender Thriller, dessen Genauigkeit zu einem unerhörten Maß an Realismus und Detailtreue führt.

James Bond, ja, aber welcher? [Guy Hamilton, Lewis Gilbert]

(Großbritannien 1971 bis 1979)

Fünf James Bond Filme hat das Jahrzehnt zu bieten, fünf sowohl inhaltlich als auch dramaturgisch äußerst unterschiedliche Werke. Gemein haben sie aber allesamt, dass sie ein radikaler Gegenentwurf zu den düsteren, pessimistischen Spionagethrillern und Agentenfilmen sind, die die Epoche sonst so heimsuchen. Also welchen schauen? Wer auf klassische Bond-Geschichten und den klassischen 007 Sean Connery steht, muss natürlich zu Diamantenfieber (1971) greifen, der aber nicht im geringsten mit den 60er Bond-Klassikern mithalten kann. Exploitationfans werden am ersten Auftritt von Roger Moore, Leben und sterben lassen (1973), sehr viel Freude haben. Dieser hat aber mit seinem Blaxploitation- Momentum sowie Pulp-Charme kaum noch etwas mit dem traditionellen Agentenfilm zu tun. Sein Nachfolger Der Mann mit dem goldenen Colt (1974) gilt bei vielen als schwächster Bond der Dekade und funktioniert maximal als ironischer Mysterythriller. Die beiden besten Bonds dieser Zeit stehen am Ende des Jahrzehnts, wobei Der Spion, der mich liebte (1977) auch in Fankreisen als bester Moore-Auftritt akzeptiert ist, während Moonraker (1979) seit jeher viel Spott und Hohn als einer der schwächsten Bonds erntet. Letzteren möchte ich hiermit aber allen ans Herz legen, die wissen, wie albern und realitätsfern die 007-Filme generell sind, und kein Problem mit Over the Top Action, Trash und albernem Humor für kleine Jungs haben. Ansonsten verweise ich einfach auf den passenden Überblicksartikel verweisen, der noch einmal dezidiert darlegt, welcher Bond-Film aus der Zeit für welches Publikum am besten geeignet ist.

Scorpio, der Killer [Michael Winner]

(USA 1973)

Michael Winner gehört jetzt nicht unbedingt zu den großen renommierten Regisseuren der 70er Jahre. Bekannt ist er vor allem für seine Death Wish Revengeactioneers mit Charles Bronson. Auch Scorpio ist auf den ersten Blick vor allem ein knüppelharter Actionfilm, in dem unsympathische Killer andere unsympathische Killer jagen und in dem ne Menge Blut vergossen wird. Aber er hat etwas, was ihn von anderen Filmen seiner Art abhebt: Einen absurd düsteren, fast schon nihilistischen Blick auf die Welt der Geheimdienste und Auftragsmörder. Obwohl er mit seinem Actionfokus eigentlich knapp am Genre vorbei rutscht, besitzt er im Bezug auf dieses nahezu subversive Tendenzen: Wir erleben hier einen müden, alten Agenten und Auftragskiller (gespielt von Burt Lancaster), der von seinem eigenen ebenfalls des Metiers überdrüssigen Zögling (gespielt Alain Delon) gnadenlos gejagt wird. Scorpio ist nicht nur ein Generationenkonflikt, der zum Generationenkampf ausartet, sondern ein Abgesang auf das Bild des edlen Geheimdienstlers mit der Lizenz zum Töten schlechthin. Er gewährt einen depressiven, pessimistischen Blick in die Welt der Geheimdienste und deren Lakaien, offenbart die Abgründe, die sich hinter dem Vorhang hinter den Vorhängen offenbaren. Dort taumeln traurige, abgehalfterte Mörder durch eine Welt, deren Hintergründe sie nicht genau kennen, nicht mehr verstehen und – wenn sie ehrlich zu sich selbst sind – nie verstanden haben. Zwischen seiner bärbeißigen Actioneer-Facette ist Scorpio ein Antimärchen, eine Abrechnung mit der Geheimdienstromantik und eine wirklich tragische, hoffnungslose Killerballade, wie es sie sonst nur selten zu sehen gibt.

Die drei Tage des Condor [Sydney Pollack]

(USA 1975)

Die radikalste, subversivste Genredekonstruktion und den wahrscheinlich besten Agentenfilm der Dekade (wenn nicht sogar einer der besten Spionagethriller überhaupt) finden wir in Sydney Pollacks New Hollywood Politthriller Three Days of the Condor. Hier ist nichts mehr vom mysteriösen Glanz der Geheimdienstarbeit zu spüren. Im Mittelpunkt stehen keine cleveren Agenten, keine gewieften Killer, keine abgehalfterten Schurken und düstere Antihelden, sondern ein einfacher Mann, ohne Erfahrung im Außendienst, ohne Ahnung von den größeren Zusammenhängen, der auf nahezu kafkaeske Weise in die Mühlen des Spionagebetriebs gerät. Der Kern dieses Thrillers sind die einfachen Angestellten, das Fußvolk der Geheimdienstarbeit, die keine außergewöhnlichen Menschen sind. Umso spannender, wenn ein Protagonist aus diesem Fußvolk plötzlich mit einer Intrige konfrontiert wird und um sein Überleben kämpfen muss. Die drei Tage des Condor ist ein unheimlich spannendes und paranoides Krimidrama, indem Misstrauen gegenüber und Angst vor den geheimen staatlichen Behörden zum einzigen Überlebensgaranten werden. Nebenbei erzählt er noch eine ungeheuer spannende Agentengeschichte, eine plausibel eingebettete Romanze und einen Kampf gegen die staatliche Übermacht, dessen Schlachtfelder keine Siegesromantik versprühen. Am Ende steht ein pessimistischer Blick auf Legitimation und Moral von Macht, und ein großartiges Zeugnis dafür, wie kritisch und reflektiert das neue Hollywood mit traditionellen Genre-Topoi umzugehen weiß.

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