Die besten Thriller der 90er Jahre III

Und noch einmal spannende und gute Thriller aus den 90er Jahren: Dieses Mal mit vielen Film Noir Reminiszenzen, gleich zwei Takeshi Ktano Filmen (der ja bereits im zweiten Teil für anbetungswürdig befunden wurde) und auch ein bisschen Hollywood Big Budget Ware, die nichtsdestotrotz zu begeistern wusste…

L.A. Confidential [Curtis Hanson]

(USA 1997)

Bezüglich gehobener Thrillerkost gab es in den 90ern kein Vorbeikommen an dem Neo Noir Meisterwerk „L.A. Confidential“ – eine Verfilmung des gleichnamigen Romans James Ellroys. In der suspekten und korrupten Atmosphäre des Hollywoods der 50er Jahre entwickelt der komplexe Krimistoff um kleine und größere Ganoven,  korrupte Cops und Prostituierte eine ungemein spannende Sogkraft und verwinkelten Charme. Ästhetisch und stilistisch an das Kino der 50er Jahre angelehnt ist „L.A. Confidential“ ein atemberaubender Hybrid aus universellem menschlichen Drama, ironisierter Film Noir Hommage und knallhartem Thrillerpuzzle, das sich ganz im Stile seiner Vorbilder erst nach und nach zu einem großen Ganzen zusammengefügt. Unterstützt von hervorragenden Darstellern und einer ganz eigenen, einerseits traditionellen, andererseits unkonventionellen und kompromisslosen Erzählhaltung und Inszenierung.

Die üblichen Verdächtigen [Bryan Singer]

(USA 1995)

Neben „The Sixth Sense“ wohl der Plot-Twist-Hit und spoilergefährlichste Film der 90er Jahre ist der Gangster- und Heist-Thriller „Die Üblichen Verdächtigen“ von Bryan Singer. Die Geschichte von mehreren, vollkommen unterschiedlichen Ganoven, die durch einen ungewöhnlichen Zufall zusammen arbeiten und schließlich von dem mysteriösen Keyser Soze bedroht werden, ist allerdings auch derart clever arrangiert, dass dem Zuschauer gar keine andere Wahl bleibt, als bis zur Endauflösung mitzufiebern. Selbst wenn diese durchaus antizipiert werden kann, punktet der furiose Bastard aus Thriller, Gaunerkomödie und Heist-Action auch an zahllosen anderen Stellen: Sei es der hervorragende Cast mit Byrne, Spacey, Postlethwaite, Del Toro, Baldwin und Pollack… sei es die geschickte Konstruktion zwischen Gegenwart und Vergangenheit oder das überaus gekonnte Spiel mit Wahrheiten und Halbwahrheiten… „The usual suspects“ hat einfach alles was einen kongenialen postmodernen Thriller auszeichnet.

Boiling Point [Takeshi Kitano]

(Japan 1990)

Zu den größten Enttäuschungen der 00er Thrillerlandschaft gehörte das vollkommene Fehlen großartiger – oder zumindest guter – Thriller von Takeshi Kitano. Das liegt vielleicht aber auch einfach daran, dass der japanische Regisseur in den 90ern in diesem Genre derart geklotzt hat, dass nur ein enttäuschendes Jahrzehnt folgen konnte… Anyway, der virtuos inszenierte und erzählte Yakuza-Thriller „Boiling Point“ ist eine düstere Auseinandersetzung mit dem organisierten Verbrechen an der Peripherie. Hier geht es nicht um die großen Bosse und Hintermänner, sondern um die einfachen Jungs von der Straße, ihre Konflikte und die Gewalt, mit der diese ausgetragen werden. Boiling Point ist ein raues und kompromissloses Gewaltballett, stilisiert in wunderschönen nachdenklichen Bildern, aufgebrochen durch brutale Kollisionen und diese exquisit verknüpfend in einem hammerharten, wunderschönen Finale. Ein echter Kitano eben, und alles andere als gewöhnliches Thrillerkino.

One False Move [Carl Franklin]

(USA 1992)

Dass auch in den USA originelle, unangepasste und dennoch höllisch spannende Thriller produziert werden können, beweist Carl Franklin mit seinem melodramatischen Cop- und Gangsterporträt „One false Move“. Hier stehen sowohl die ermittelnden und schließlich jagenden Gesetzeshüter als auch die mordenden, raubenden und fliehenden Verbrecher im Mittelpunkt. Gleichberechtigt nebeneinander werden ihre Geschichten erzählt, ihre Motivationen verdeutlicht und ihre Gewaltausbrüche in knallharte Actionszenen getaucht. „One false Move“ ist einer jener Glücksgriffe, die sich gar nicht entscheiden müssen, ob sie nun spannender Thriller oder komplexes, vielschichtiges Drama sein wollen. Es gelingt ihm auf atemberaubend homogene Weise, beide Ansprüche zu erfüllen und das Publikum in beiden Welten mitzureißen und zu fesseln.

Tod im Spiegel [Wolfgang Petersen]

(USA 1991)

Einer der unterbewertetsten Thriller der 90er Jahre ist mit Sicherheit der Hollywood-Einstand des deutschen Regisseurs Wolfgang Petersen (Das Boot). Shattered, „Tod im Spiegel“ ist ein ausgeklügelter Bastard aus Hitchcock-Hommage, klasischer Thriller-Inszenierung und komplexem Psychothrillerpuzzle. Gewitzt spielt Petersen hier mit klassischen, freudianischen Hitchcockmotiven, untergräbt diese immer wieder mit Noir-Topoi und findet schließlich in einem furiosen Finale eine ganz eigene dissoziative Auflösung, deren Mindfuck-Effekt sich keineswegs vor den üblichen Verdächtigen zu verstecken braucht. Ein eleganter – mit dem notwendigen Schuß Ironie ausgestatteter – Komplottthriller, ein raffiniertes filmisches Rätsel und ein ausgesprochen charmant anachronistischer Krimi.

Hana-bi – Feuerblume [Takeshi Kitano]

(Japan 1997)

Takeshi Kitano again… Wie schon die Filme zuvor ist auch Hana-Bi eine ganz eigene Interpretation des Thrillergenres und ebenfalls ein Film, der sich gleich in mehreren Schubladen sichtlich wohl fühlt. Hana-Bi ist mehr als ein gewöhnlicher Thriller, er ist ein poetischer, meditativer Trip in Abgründe voller Gewalt und Schönheit. Verschachtelt erzählt er von Schuld, von Sühne und vor allem vom Tod. Bebildert werden diese Themen von Takeshi Kitanos virtuoser Erzähltechnik, seinem Hang zu langen, langsamen – fast schon lyrischen – Einstellungen… und unterbrochen wird er immer wieder von schierer, kaum zu bändigender Gewalt. Ein einsamer, melancholischer, lakonischer Liebesfilm, ein stilles in sich gekehrtes Melodram, ein dunkler, unberechenbarer Thriller.

Ein einfacher Plan [Sam Raimi]

(USA 1998)

Sam Raimi, Held des 00er Superheldenkinos ist uns schon bei den 90er Fantasyfilmen über den Weg gelaufen und wir werden ihm auch an anderer Stelle wiederbegegnen. In „A simple Plan“ zeigt er sein nicht zu leugnendes Geschick bei der Erzählung düsterer Thrillerplots. Ein abgestürztes Flugzeug, eine Tasche voller Geld, eine verheerende Entscheidung… Mehr braucht es bei Raimi nicht, um ein dichtes Vexierspiel aus Verantwortung, Gier, Paranoia und Gewaltspiralen zu entwickeln. Eine simple Disposition, ein kleiner, alltäglicher Hinterwäldlerkosmos… und viel, viel böses Blut und so wird aus dem einfachen Plan einer der dichtesten und atmosphärischsten Filme der 90er überhaupt. Ein überaus spannender, kleiner, hinterhältiger Thrillerdramenbastard… mit seiner eigenen Moral kämpfend, sich aufbäumend, scheiternd und dabei perfekt unterhaltend und düstere, spannungsgeladene Bilder erzeugend.

Blue Steel [Kathryn Bigelow]

(USA 1990)

Und noch einmal Oscarpreisträgerin Kathryn Bigelow… Das Katz- und Mausspiel zwischen einer Polizistin und einem Finanzberater, der seine dunklen Seiten entdeckt ist eine raffinierte Mischung aus – Genderdebatten erhabenem – postmodernem Geschlechterkampf und spannendem Copthriller. Anhand seiner beiden vollkommen im Zentrum stehenden Protagonisten entwirft „Blue Steel“  eine packende Parabel auf Macht und Ohnmacht, Glaubwürdigkeit und Hilflosigkeit und fasziniert als mitreißender Psychothriller ebenso wie als gehobenes Crime-Drama.

Mission Impossible [Brian De Palma]

(USA 1996)

Serienverfilmungen haben es nie leicht, müssen sie sich doch meistens zwischen Vorlagentreue und Modernisierung entscheiden. Wo für Brian de Palmas „Kobra, übernehmen sie!“-Remake die Reise hingehen soll, macht der Agententhriller gleich in der ersten halben Stunde deutlich… indem er kurzerhand das Gros der serienzentralen Agenten tötet. Die folgende Ermittlungsarbeit und Flucht des im Verdacht des Mordes stehenden Ethan Hunt ist eine raffinierte Kombination aus traditionellen Agenten- und Spionagefilmklischees sowie postmoderner Genreerneuerung. Die Kombination aus Thriller, Action und Heist-Krimi hat perfekte Spannunsgbögen, eine ordentlich verschachtelte Geschichte und erinnerungswürdige Szenen zu bieten (Allein dieser kongeniale Einbruch!). Ein starkes Remake, das mit seinem anfänglichen „Gemetzel“ alles richtig macht… Und die Fortsetzungen (Ach John Woo!) wollen wir gleich wieder vergessen.

Schatten der Vergangenheit [Kenneth Branagh]

(USA 1991)

Während die anderen hier genannten Thriller gerne einen Schlenker Richtung Action oder Drama machen, bewegt sich „Schatten der Vergangenheit“ eher auf eine Ebene des Hypnotischen, Esoterischen und erreicht damit beinahe Mystery-Dimensionen. Der Film um Reinkarnation und – urgs – Rückführungen überspannt dabei vielleicht das ein oder andere Mal den Bogen zum albernen Hokuspokus, ist in sich aber derart ausgeklügelt arrangiert und fragmentiert, dass man es ihm kaum übel nehmen kann. Das Spiel zwischen den Zeitebenen, zwischen Realität und Hypnose entwickelt sich zum faszinierenden Alptraumtrip, der ein mysteriöses Fundament nutzt, um damit eine vollkommen geerdete, traditionelle und dennoch ungemein spannende Kriminalgeschichte zu erzählen.

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Erstveröffentlichung: 2011