Die besten Thriller der 80er Jahre II
Es wird düster, es wird amerikanisch und es wird cool: Gleich drei Kultregisseuren begegnen wir in dieser 80er Thriller-Retrospektive: Auf der einen Seite Brian de Palma, der sich mit dem opulenten The Untouchables noch einmal aufbäumt, bevor in den 90ern und 00ern in der Mittelmäßigkeit verschwindet. Auf der anderen Seite die Newcomer, Michael Mann und die Coens: Der Action-Designer, der bereits mit seinem Debüt Der Einzelgänger erahnen lässt, dass er zu den Goldjungen des unabhängigen Genrekinos der Traumfabrik aufsteigen wird, und die beiden unkonventionellen Brüder, die bereits mit ihrem Debüt Blood Simple klarstellen, dass sie alles werden wollen… nur keine Goldjungen. Dazwischen tummeln sich der geschickt konstruierte Spionage- und Verschwörungsthriller No Way Out und der zynische französische Cop-Thriller Der Bulle von Paris. Let there be Crime.
No Way Out [Roger Donaldson]
(USA 1987)
Zu den in den 80ern boomenden Subgenres des Thrillers gehören die Filme über verhängnisvollen Affären und die, die sich mit konspirativen Spionagetätigkeiten kurz vor dem Ende des Kalten Kriegs auseinandersetzten. In No Way Out fließen beide Momente des Genres zusammen, erstaunlicherweise ohne sich gegenseitig zu behindern oder in ihrer Schlagkraft zu gefährden. Im Gegenteil: No Way Out kombiniert auf perfekte Weise dunkle Intrigen im politischen Gefüge mit spannenden Spionage-Vexierspielen und persönlichen dramatischen Verhängnissen zu einem furiosen Thriller-Cocktail, der sowohl auf der einen als auch der anderen Seite zu fesseln weiß. Hinzu kommt noch ein mindestens überraschender, perfekt vorbereiteter Plot-Twist und geschickt verwobene Auseinandersetzungen mit der Amoralität der politischen Klasse. Ein exzellenter, raffiniert konstruierter Thriller, der nicht zu den originellsten Ausgeburten – mit Sicherheit aber den am geschicktesten arrangierten Konstruktionen – des Genres gehört.
The Untouchables [Brian de Palma]
(USA 1987)
Es kann ruhig noch einmal extra betont werden: In No Way Out war Kevin Costner sau cool… Ohnehin, war der Costner in den gesamten 80er Jahren noch cool. Und 87 wurde das dann auch von der Academy erkannt und ihn mit einem Oscar geadelt: In – Achtung Floskel – der Rolle seines Lebens als besessener Beamter des Finanzministeriums im Kampf gegen Al Capone. Inszeniert wurde der äußerst gediegene, epische und opulent erzählte Ermittlungsthriller von Brian de Palma, der in den 80er Jahren ebenfalls noch cool war. Und diese Coolness spiegelt sich auch in dem eklektischen, überbordernden Meisterwerk wider, das in einer exquisiten Optik munter Bilder und Narrative des Genres zitiert und zusammenfügt. The Untouchables ist so etwas wie der Gigant unter den 80er-Jahre Thrillern: Ein ambitioniertes, großflächiges Projekt zwischen Western, Krimi, urbanem Drama und spektakulärem Blockbuster. 120 Minuten nostalgischer Hollywood-Größenwahn, der zwischen all den postmodernen High-Tech-Thrillern der damaligen Zeit fast schon wie ein Anachronismus wirkt und gerade daher so unfassbar charmant und wohltuend unterhaltend daherkommt.
Der Bulle von Paris [Maurice Pialat]
(Frankreich 1985)
Einen Kontrapunkt zum größenwahnsinnigen Hollywood-Kino stellt der minimalistische französische Genre-Beitrag „Police“ dar: Ein zynischer und brutaler Cop, ein gnadenloser Drogenring und die Vermischung und Vermengung der Grenzen bis „gut“ und „böse“ schließlich zu Geschwistern im Geiste werden, die ohne einander gar nicht zu können scheinen. Und da wir gerade bei den coole Säuen waren: Verdammt, Gerard Depardieu: Eine unfassbare Präsenz, ein großartiges Spiel zwischen Charme und abstoßendem asozialen Verhalten, eine Performance über alle Grenzen hinaus. Depardieu trägt ohne Probleme allein diesen herrlich unspektakulären, schmerzhaft „nahen“ Film, der sich mit rohen, dokumentarischen Einstellungen und der Akribie eines Seziermessers direkt zum Herz und Verstand der Zuschauer schneidet und dort tiefen Eindruck hinterlässt.
Der Einzelgänger [Michael Mann]
(USA 1981)
Wenn es um das stylishe Abarbeiten eines raffinierten Plots geht, lässt sich auch in Michael Mann nicht lumpen. Nicht erst seit seinen 90er und 200er Krachern wie Heat und Collateral, nein, bereits in seinem Langfilm-Debüt Thief versteht sich Mann bestens darin schweißtreibende Action mit einer intelligenten Geschichte mit spannendem Thrill und einer Glossy Hochglanzoptik jenseits klassischer Hollywood-Konventionen zu verknüpfen. Doch gerade in diesem Frühwerk steht Gott sei Dank die Ästhetik noch nicht ausschließlich im Vordergrund so wie in manchen späteren Filmen des Action-Meisters: Stattdessen konzentriert sich der Einzelgänger auf seine düstere und realistische Geschichte, auf filigrane Charakterporträts und eine schweißtreibende Spannungsspirale, die die Daumenschrauben peu à peu weiter anzieht. Pures Indie Action Thriller Gold.
Blood Simple [Joel Coen und Ethan Coen]
(USA 1984)
Aus dem Independent Bereich kommen auch die Coen Brüder, die bereits in den 80er Jahren Thriller/Action/Western Bastarde drehten, die sich den üblichen Dogmata der Traumfabrik entziehen und in visionären Bildern die dunklen Seiten Amerikas entlarven. Blood Simple bringt bereits alles mit, was ein Meisterwerk der Geschwister auszeichnet und ist zugleich so etwas wie das knochige Skelett späterer Meisterwerke wie Fargo oder No Country for old Men. In diesem minimalistischen und zynischen Postwestern treiben sie Suspense-Prinzipien des Genres zur Spitze, indem sie den Zuschauer zum zur Passivität gezwungenen Beisitzer in einer großen Tragödie machen, in der Gewalt und Orientierungslosigkeit sukzessive in den Abgrund führen. Ein mitreißender US-Albtraum, der Standards für dreckige, pessimistische Zerrbilder des Genres setzt.
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Erstveröffentlichung: 2015
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