Die besten Kriegsfilme der 90er Jahre

Kriegsfilme sind auch eine Form von Epos, im besten Fall eine Art Anti-Epos. Das (Anti)-Präfix wollen wir in diesem Fall jedoch bewusst aussparen, auch wenn es mit der ein oder anderen Einschränkung an jeden der hier genannten Filme angehängt werden könnte. Francis Ford Coppola hat bereits gesagt, dass alle Kriegsfilme in seinen Augen Antikriegsfilme seien. Eine Behauptung die durchaus streitbar ist, erliegen doch selbst die humanistischsten, offensivsten und naturalistischsten Werke allzu oft der Faszination des Krieges, dem Eskapismus der Schlachten dem apokalyptischen Ästhetizismus der Gewalt. Das gilt für „Apocalypse Now“ ebenso wie für „Platoon“ oder „Full Metal Jacket“. Die hier genannten (Anti-)Kriegsfilme sind jedoch unabhängig davon, wieviel Stilisierung in ihnen steckt, beeindruckende Bebilderungen der kriegerischen Seele des Menschen, radikale Erzählungen von der Front und dabei einfach so verdammt gut, dass sich die Frage nach Kriegsfilm, Antikriegsfilm oder gar Kriegsapologie gar nicht zu stellen braucht.

Zwischen Himmel und Hölle [Oliver Stone]

(Frankreich, USA 1993)

Der dritte Teil von Oliver Stones Vietnam Trilogie (Platoon, Geboren am 4. Juli) weist nicht nur im Gegensatz zu seinen Vorgängern sondern zu fast allen amerikanischen Vietnamfilmen eine Besonderheit auf. Er schildert nicht aus der Perspektive der amerikanischen Soldaten, sondern aus der Sicht einer Vietnamesin, die zwischen den Fronten aufgerieben wird und schließlich – nach der Flucht in die USA – mit ihrem eigenen Trauma und dem Trauma ihres Ehemanns leben muss. Eindringlich ist dabei besonders die erste Hälfte des Films, der radikal mit der Stilisierung amerikanischen Leidens bricht und mit den einfachen vietnamesischen Bauern die tatsächlichen Verlierer des Krieges und deren Schrecken ins Zentrum rückt.  Aber auch der – mitunter etwas zu sentimentale – Spagat zum posttraumatischen Ehedrama gelingt „Zwischen Himmel und Hölle“ mit Bravour. Der Zusammenprall der Kulturen wird zum erbitternden Kampf um Gerechtigkeit, fernab von der Front und zum beeindruckenden Statement gegen den Krieg, der noch lange weiterlebt, nachdem die vermeintlich letzte Schlacht geschlagen ist.

Der schmale Grat [Terrence Malick]

(USA 1998)

Vom Pazifikkrieg der 40er Jahre handelt der zwiegespaltene, ebenso eskapistische wie brutal ehrliche Antikriegsfilm „Der schmale Grat“. Terrence Malick (Badlands), Spezialist für ästhetizistische Bilder gekreuzt mit authentischen Geschichten, inszeniert das Kriegsgeschehen erschreckend realistisch und rückt es zugleich in einen seltsamen Kontrast zur unberührten, wunderschönen Natur. Dementsprechend dissoziativ schwankt der Film zwischen brutalen Kämpfen und fast schon transzendentaler Schönheit, indem die Pausen zwischen den Schlachten zu meditativen Trips ins Herz des Dschungels werden. Zwischen Eskapismus und Naturalismus balanciert der Film so auf dem titelgebenden „Schmalen Grat“, und wird weder zum blutriefenden Lehrstück noch zur ästhetischen Stilisierung. Eine gewagte und gelungene Balance zwischen Horror und metaphysischer Erlösung.

Stalingrad [Joseph Vilsmaier]

(Deutschland 1993)

Trotz des selben Namens ist Joseph Vilsmaier Aufarbeitung des Krieges an der Ostfront keine Verfilmung des großen Romans von Theodor Plivier. Und dennoch hat der Film einiges mit der Nichtvorlage gemeinsam: Auch hier stehen die einfachen deutschen Soldaten im Mittelpunkt, auch hier regiert kalter Naturalismus und auch hier erzählt Vilsmaier episodisch und zerstückelt, ohne eine deutliche Dramaturgie zu provozieren, die nicht durch die äußeren Umstände gegeben wäre. Und auch wenn der Film dem Schrecken, der von der deutschen Wehrmacht zahlreich ausging, nicht ins Zentrum rückt, sondern vor allem mit dem Schrecken arbeitet, der den Tätern widerfahren ist, so umgeht er doch geschickt Falltüren zu einem einseitigen Revisionismus. Dass hier ein Mikrokosmos erzählt wird, steht jederzeit ausser Frage, ebenso, dass dieser unvollständig ist. Die andere Seite wird aber nie vollkommen ausgeklammert, die Opfer werden immer wieder zu Tätern, die Verbrechen der Wehrmacht sind stets latent zu spüren, und was am Wichtigsten ist: Die universellen, unmenschlichen Schrecken des Krieges werden in jeder Minute greifbar, fühlbar und erlebbar.

Three Kings [David O. Russell]

(USA 1999)

Three Kings ist ein gnadenloser Wolf im Schafspelz. Als spritzige, charmante Actionkomödie daherkommend entwickelt sich der Film sukzessive zum bruatlen und realistischen Antikriegsfilm, bevor das Publikum überhaupt begreift, was da mit ihm gemacht wird: Drei Soldaten in Goldgräberstimmung während des zweiten Golfkriegs, Action, Spannung, Abenteuer… und wumm! Plötzlich sind wir mittendrin auf dem Schlachtfeld. Aber damit erschöpft sich Three Kings nicht, wankt stattdessen weiter trunken zwischen Realismus, satirischer Überhöhung, spitzbübigem Actionfeuerwerk und absurder Karikatur. Ein hintersinniger Antiantiantikriegsfilm, eine irrwitzige – mitunter geschmacklose – Actionfarce, die gerade durch ihre übertriebene, comichafte Aura gepaart mit gnadenlosem Realismus einer der subversivsten amerikanischen Kriegsfilme überhaupt ist.

Welcome to Sarajevo [Michael Winterbottom]

(Großbritannien, USA 1997)

Der Sarajevokrieg der beginnenden 90er Jahre und seine Folgen erzählt aus der Perspektive eines idealistischen Kriegsberichterstatters: „Welcome to Sarajevo“ ist ein fragmentarischer, episodischer und unzusammenhängender Kriegsfilm, der ständig zwischen Schauplätzen hin und her springt, immer dicht dran ist an seinem Protagonisten, an dessen Kamera, an dessen Sicht auf das Geschehen, aber weder Lösung noch Erlösung anbietet. Gedreht an Originalschauplätzen wirkt der dramaturgisch ausgefeilte Film dadurch in jedem Moment ungemein authentisch, empathisch, mit einem Blick für die kleinen Details des Schreckens und das Leid der einfachen Bevölkerung. Ein düsterer, deprimierender und zugleich optimistischer posttraumatischer Kriegsfilm, zwischen starkem Drama und annähernd journalistischem Werk: Akribisch, mitnehmend, realistisch.

Spezialeinheit IQ [Keith Gordon]

(USA 1992)

Ob Krieg stattfindet, wenn keiner hingeht, wieviel Zwischenmenschlichkeit zwischen verfeindeten Linien möglich ist, wie sich die Notwendigkeit des Kampfes selbst erklärt… All diese Fragen stellt das beeindruckend einfach erzählte Kriegsdrama „Spezialeinheit IQ“ (A midnight Clear) von Keith Gordon. Ein amerikanisches Bataillon Hochbegabter trifft im Winter 1944 auf eine deutsche Truppe, die des Kämpfens müde ist, gleichzeitig aber aus Angst um ihre Familien nicht desertieren kann. Die Lösung: Die Soldaten inszenieren Krieg, spielen Krieg, bewerfen sich mit Schneebällen und feiern schließlich sogar Weihnachten zusammen. Aber der Konflikt lässt sich nicht überwinden. „Spezialeinheit IQ“ ist ein grimmiges Werk, das verzweifelt nach Menschlichkeit und Verständnis während des Krieges im Endstadium sucht, diese kurzzeitig findet und dann doch wieder verliert. Ein ruhiger, ebenso trauriger wie hoffnungsvoller Film, der das Soll des Kampfes aus einer originellen, empathischen Perspektive betrachtet.

Savior [Predrag Antonijević]

(USA 1998)

Zur Verurteilung des Krieges und seiner Folgen fährt Savior, der vom Kampf eines Fremdenlegionärs in Bosnien erzählt, schier unerträgliche Geschütze auf. Nicht nur die Disposition, seinen Protagonisten von blankem Zorn und Hass geleitet zu sehen, sondern auch die Umsetzung der sich daraus ergebenden Konsequenzen sind realistisch und brutal  bis zur Grenze des Erträglichen. Der Weg durch das vom Krieg erschütterte Bosnien wird zum blutigen Trip zwischen Selbsterfahrung und dem Erlebnis des Krieges an der eigenen Haut. Der Mensch ist des Menschen Wolf, hier zu fast jedem Zeitpunkt, ohne Rücksicht, ohne Sympathie, mit Sicherheit alles andere als subtil, dafür aber eindrücklich und nachhaltig. Ein schwerer, erbarmungsloser Film, gegen den ähnlich arrangierte Antikriegsfilme zu braven Actioneern werden.

Wag the Dog [Barry Levinson]

(USA 1997)

Die bissige Politsatire „Wag the Dog“ fällt jetzt scheinbar komplett aus der Reihe. Sie handelt vom Krieg, der keiner  ist, der inszeniert wird, um politische Skandale zu überdecken. Und doch ist sie im wahrsten Sinne des Wortes ein Kriegsfilm, direkt an politischer Front; die Politik als Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln, die sich schließlich, weil sie mit ihren Mitteln scheitert, doch des inszenierten Krieges bedienen muss. Das Ergebnis ist eine bitterböse Farce über mediale Mechanismen und Emotionalisierungen, über die Leichtigkeit einer forcierten Solidarisierung, und letzten Endes auch ein Kommentar zu den Mitteln der Macht, zu der Funktionalität eines internationalen Konflikts, zu dem Zynismus, der damit einhergeht. Und damit eben eine fast schon zwingende Ergänzung zu den oberen Werken.

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Erstveröffentlichung: 2011