Anmerkungen zum Actionkino der 80er Jahre II: Inszenierungsmuster und Fetische

Im ersten Teil der Anmerkungen zum Actionkino der 80er Jahre ging es vor allem um den Typus des neuen Actionhelden, verkörpert unter anderem von Arnold Schwarzenegger, Sylvester Stalone oder Michael Dudikoff. Von deren Typologie sind wir auf die Militarisierung des Helden gestoßen und von dieser wollen wir uns nun vorsichtig weiter durch das Genre hangeln: Spezifika, Fetische und Inszenierungsmuster stehen auf dem Programm. Wie schlug sich die Militarisierung in den Inszenierungen der Filme wieder? Welche Rolle spielte dabei die Gewalt? Welche die Politik? Wie repräsentiert diese den Geist des Jahrzehnts? Und was ist darüber hinaus noch so geschehen?

Der allgemeine Wandel in den Actionfilmen der 80er Jahre zum Militärischen macht auch vor der Inszenierung nicht halt: War die Action in den 60ern und 70ern noch primär von Schusswechseln und Verfolgungsjagden bestimmt, entwickelt sich in den 80er Jahren ein regelrechter Explosionsfetisch. Autos, Gebäude und sogar Menschen werden mit ordentlicher Regelmäßigkeit in die Luft gesprengt, die Erlösung des Helden findet nicht einfach durch ein Töten sondern ein regelrechtes Vernichten des Gegners statt, der entweder übermenschlich ist – wie der Terminator, der gleich mehrere Explosionen übersteht, bevor er letztendlich in einer gigantischen Maschine zerquetscht wird – oder in gewaltiger Zahl vorkommt, so wie in den Rambo-Filmen, in denen bis zum vorerst letzten Teil Rambo III (1988) sowohl Gegner-Anzahl als auch Bodycount permanent steigen.

Die Steigerung des Explosions-Taktes gehört mit zum Gesamtphänomen der absoluten Gegner-Vernichtung, die sich auch in einem gesteigerten Gewaltfetisch offenbart. Dieser wird vor allem in den bisher noch nicht erwähnten Martial Arts Filmen der Epoche evident. Lebten die Hongkong-Filme der 70er Jahre mit Bruce Lee und Jackie Chan vor allem von atemberaubenden Stunts und Ballett-artigen Kampf-Choreographien, entdecken die USA in den 80er Jahren das Genre des Kampfsportfilms für sich und reinterpretieren es für den amerikanischen Markt. So wie der Geist Bruce Lees in Karate Tiger (1986) einen Amerikaner das Kämpfen lehrt, so übernehmen westliche Helden Kung Fu und Karate, um in beispiellos gewalttätigen Filmen gegen eine Übermacht an identitätslosen Gegnern anzutreten. Jean-Claude Van Damme, Steven Seagal und Michael Dudikoff sind die Vertreter dieser neuen Kampfsport-Generation, die Knochen bricht, Gegner tötet und ebenfalls erstaunlich oft – wie zum Beispiel in American Fighter (1985) in militärischen Szenarien zu Hause ist.

Mit dieser Gewaltfetischisierung gelangt der Actionfilm schließlich zu einem ähnlichen Subgenre wie der Horror. Ist bei diesem in den Splatter-, Gore- und Torture-Porns die Stoßrichtung bereits im Namen vorhanden, versuchen sich die Actionfilme dieser Spezies zumindest nach außen hin die Fassade des traditionellen Genre-Kinos zu bewahren. Aber auch in diesem Fall ist die strukturelle Nähe zum Porno mehr als offensichtlich: Wo im Porno das Sexuelle überrepräsentiert wird, wo im Torture-Porn die Ästhetik des geschundenen Körpers zelebriert wird, ist es bei diesen Actionfilmen der Kampf, der den gesamten Streifen dominiert. In allen drei Fällen werden Narration und Dramaturgie vernachlässigt, dienen nur als rudimentärer Rahmen, um den Zuschauer von Effekt zu Effekt, von Sensation zu Sensation, von Szene zu Szene zu leiten. Die Actionfilme bei denen dies am offensichtlichsten ist, sind die im Grunde genommen harmlosen Bud Spencer und Terrence Hill Flicks, die bereits in den 70er Jahren produziert wurden, in den 80ern jedoch erst zu echten Kassenschlagern mutieren: Die Nonsens-Geschichten, die Hintergründe, die Charaktere… alle zweitrangig, dienen nur dazu von einem Kampf zum  nächsten zu führen. Das Spätwerk Vier Fäuste gegen Rio (1984) sei als nur ein prototypisches Prügel-Schaulaufen genannt, dessen Story nur zur Rahmung der klassischen Actionszenen dient.

Neben den eher harmlosen, kindlich verspielten Slapstic-Actioneers von Bud Spencer und Terrence Hill gibt es aber eine ganze Reihe an Filmen, deren Sensationslüsternheit mit einem düsteren – beinahe menschenverachtenden – Gewaltfetisch Hand in Hand geht. Die BPjS hatte in diesem Jahrzehnt allerhand zu tun, verbannte Action-Flick um Action-Flick in den Giftschrank, American Eagle (1989), sämtliche American Fighter Teile oder California Cops (1985) seien stellvertretend für unzählige indizierte und beschlagnahmte Actionfilme genannt. Unabhängig von einer Diskussion über Sinn und Unsinn solcher Zensurmaßnahmen und der Freiheit der Kunst ist es schon verblüffend, wie sehr der Ruf des gesamten Genres unter diesen Vertretern zu leiden hatte, bis hin zur Einrichtung regelrechter Videothek-Schmuddelecken, in denen eben genau jene gewalttätigen, pornographischen Action B-Movies gesammelt wurden, um dem Fan – ähnlich wie bei den Porno-Regalen – einen schnellen und direkten Anlaufplatz zu bieten. Der sich selbst als feingeistig ansehende Cineast hielt sich tunlichst von diesen Schmuddelfilmen fern, die schnell den Ruf erlangten plumpes Gewaltprogramm für pubertierende Prolls zu sein. Ebenfalls interessant ist, dass diese Quasi-Ächtung des Genres Hand in Hand geht mit einer nahezu staatstragenden Funktion des amerikanischen Actionfilms, die gerade in den 80er Jahren in ihrer vollen Blüte stand.

So spiegelt der Actionfilm der 80er Jahre den konservativen Lifestyle der Reagan-Ära nicht nur wider, sondern verherrlicht und feiert ihn geradezu. Als erstes wäre da die bereits erwähnt Überwindung des Vietnam-Traumas durch einzelne tapfere Helden, die bis hin zur revisionistischen Geschichtsschreibung führt: Braddock, Rambo, diese Helden fühlen sich wohl im Dschungel, er ist ihr Terrain für den entscheidenden Kampf gegen die Vietkongs. Wenn John Rambo fragt „Werden wir dieses Mal gewinnen?“ kurz bevor er sich erneut in den vietnamesischen Dschungel begibt, stimmt der Colonel ihm zu. Der Actionheld der 80er Jahre erlangt den Sieg, der den 70ern in der Realität vorenthalten blieb. Ebenfalls uramerikanisch ist der Kampf gegen sämtliche Kommunisten. Prototypisch muss hier natürlich erneut Die rote Flut (1985) genannt werden, in dem der amerikanische Kontinent von kommunsitischen Terroristen überfallen wird. Spiel die Disposition noch mit traditionellen in der amerikanischen Politik des Jahrhunderts oft geschürten und bedienten Ängsten vor dem Ostblock sowie der Ideologie des Kommunismus, bedient der anschließende Kampf das Bedürfnis nach der tapferen Auflehnung in „David gegen Goliath“ Manier. Auf die Reinterpretation der globalen Supermacht als David bin ich schon im ersten Essay zu sprechen gekommen. In Red Dawn wird sie knallhart bis zum Ende durchgezogen, wenn es schließlich vermeintlich hilflose Teenager sind, die im Alleingang die amerikanische Ehre retten.

Neben dieser offensichtlichen, plumpen filmischen Bedienung von Ressentiments der Reagan-Ära gibt es auch subtilere Umsetzungen des patriotischen amerikanischen Zeitgeistes jener Jahre. An vorderster Front steht hier natürlich das Flieger- und Navy-Epos Top Gun (1985) mit Tom Cruise. In der Glorifizierung des rebellischen, charismatischen und verwegenen Piloten wird ein höchst stilisiertes Bild der US Army gezeichnet, dass praktisch als Werbung für Jugendliche gesendet werden können. Dabei ist es mehr als eine Zusatzinformation mit Geschmäckle, dass der Film zu großen Teilen vom US-Verteidigungsministerium mitfinanziert wurde. Join the Army now! scheint auch die Botschaft des Liebesfilms Ein Offizier und Gentleman (1982) zu sein, in dem ein ästhetisiertes Bild der Kadetten-Ausbildung gezeichnet wird. Diese enge Verbindung von Actionkino und Militärpropaganda antizipiert bereits in den 80er Jahren das, was in unserer Zeit mit dem Kino Michael Bays zur vollen Blüte gekommen ist: Eine nahtlose Zusammenarbeit von Kunstschaffendem, Studio und Militärapparat zur Kreierung euphemistischer, affirmativer Military-Action-Flicks.

Diese ganzen Tendenzen werfen jetzt natürlich ein ziemlich negatives Licht auf das Action-Kino der USA der 80er Jahre. Und rein quantitativ gesehen, dominieren in dieser Zeit tatsächlich die schnell zusammen gezimmerten B-Movies, die mit Attributen wie militaristisch, revisionistisch, brutal, reaktionär, patriotisch bis nationalistisch schon ganz gut beschrieben sind. Neben der großen Masse an billigen Action-Flicks gibt es in dem Jahrzehnt aber auch andere Tendenzen: Mit Lethal Weapon (1987) wird die Actionkomödie als Buddy Movie wiedergeboren, mit Die Klapperschlange (1981) und Mad Max (1979) erhält das zynisch dystopische Moment Einzug in den Actionfilm. Nebenbei entwickeln die Hollywood-Studios mit Eddie Murphy in Nur 48 Stunden (1982) und Beverly Hills Cop (1984) das Klischee eines schwarzen Actionhelden, das sich schließlich in den 90ern durch Will Smith, Martin Lawrence und Wesley Snipes verselbstständigt und ganz neue Seiten des Actionkinos hervorbringt. Und dann gibt es natürlich noch die – relativ wenigen – Actionvertreter aus anderen Ländern, die sich allerdings – mit Einschränkungen vom Hongkong-Kino mal abgesehen – rein von der Popularität nicht mit den Action-Flicks made in USA messen konnten. Aber dazu wird es dann in den kommenden Artikeln mehr geben, wenn wir uns die wirklich guten, die besten Actionfilme des Jahrzehnts anschauen. Stay Tuned!

 

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