Die besten Actionfilme 2017 – Baby Driver von Edgar Wright

Hand aufs Herz: Das US-Actionkino steckt schon ein bisschen in der Krise. Abgesehen von den konstant guten Marvel-Überfliegern (die wiederum zu viel von allem sind, um schlicht als Actionfilme abgetan zu werden) gibt es kaum noch Genrebeiträge, die wirklich Neues zu erzählen oder zumindest auf neue Art zu erzählen haben. Eine Ausnahme bilden die Filme von Edgar Wright (Hot Fuzz, Scott Pilgrim versus the world, Star Wars: The last Jedi), die es zwar nie darauf anlegen, Actionfilme zu sein, es aber meistens weitaus mehr krachen lassen als Michael Bay und Anhang. Edgar Wright weiß einfach, wie man einem Film ‚Wumms‘ gibt und vor allem, wie man gleich mehrere ‚Wümmse‘ in Folge inszeniert, ohne dabei den Zuschauer mit Redundanz zu langweilen. Am besten hat Wright dabei eigentlich immer genau dann funktioniert, wenn er sich und seine Action nicht im Geringsten ernst genommen hat (Man denke nur an die Cornetto-Trilogie). Dass es auch anders geht, beweist er nun mit der furiosen Actionthrillerkomödie Baby Driver, die ähnlich wie seine vorherigen Filme mit einem dicken Augenzwinkern beginnt, nach hinten hinaus aber erstaunlich ernst und spannend wird.

Baby (Ansel Elgort) ist Fluchtwagenfahrer und – auch wenn man es dem jungen, wirklich jungen, Mann nicht ansieht – verdammt gut in seinem Job. Den Takt seiner Jobs, den Takt seines ganzen Lebens lässt er sich von der Musik vorgeben. Immerhin mit einem – oder mehreren – iPod in der Tasche, immer mit Kopfhörern auf den Ohren fährt Baby im Auftrag von Doc (Kevin Spacey) zu ihren Jobs hin und, was viel wichtiger ist, von in ihren Jobs wieder zurück nach Hause und hängt dabei jeden Polizisten ab, der ihnen zu nahe kommt. Allerdings denkt er schon länger drüber nach seinen Job an den Nagel zu hängen, insbesondere als er die Kellnerin Debora (Lily James) kennenlernt, die für Musik die selbe Leidenschaft aufbringt, wie er selbst. So einfach lässt der berechnende Doc seinen besten Fahrer aber nicht ziehen…

Gerade in seiner ersten Stunde ist Baby Driver ein wahnsinnig unterhaltsamer Film. Den Großteil seines Unterhaltungspotentials gewinnt er dabei durch seine ungemein lässige und zugleich einnehmende Choreographie. So wie der titelgebende Baby den Takt seines Lebens und seines Jobs von Musik bestimmen lässt, so hangelt sich der ganze Film von Song zu Song, ohne jedoch zur Aneinanderreihung von Musikvideos zu verkommen. Stattdessen lebt und atmet die gesamte Handlung die Musik, die gerade gespielt wird, ordnet sich dieser nicht unter, sondern geht mit ihr eine verdammt lustige und zugleich ziemlich sexy inszenierte Symbiose ein. Die Musik spielt, und die Protagonisten antworten mit ihren Bewegungen (und vice versa), der Soundtrack schlägt seine Kapriolen und die ganze Umgebung schunkelt mit. Selten hat man – abseits des Musicalgenres – derart durchchoreographierte Filmkunst gesehen. Klar, dass das nicht sonderlich realistisch ist, klar, dass das immer ein bisschen drüber, ein bisschen überinszeniert und ein bisschen too much ist, immersiv bleibt der Film allerdings trotzdem. Das liegt vor allem an den spannenden und vor allem leidenschaftlich gespielten, den Zuschauer mit ihrem Charisma geradezu fesselnden Charakteren.

Auch wenn alle Protagonisten und Antagonisten – von Kevin Spacey und Jamie Foxx über Eiza González Reyna bis hin zu Flea (ja genau, DER Flea) – mehr als überzeugend sind, der Film wird natürlich vor allem getragen durch die ultracoole Performance von Ansel Elgort, der seinem Baby nicht nur viel Coolness sondern auch eine Menge Herz mit auf den Weg gibt. So lässig der Protagonist ist, so sympathisch ist er auch, eben nicht nur das Abziehbild eines charmanten Ganoven sondern zugleich auch ein nachvollziehbarer und vor allem nachfühlbarer Charakter. Gerade weil in ihm die klassischen coolen Gangsterklischees aufgebrochen werden ist es umso trauriger, dass er in vielen anderen Punkten Klischees reproduziert, die für das Jahr 2017 einfach zu abgedroschen, zu sehr durchgekaut sind: Der unfreiwillige Kriminelle, der übermächtige, eiskalte Oberganove, der letzte Job, bei dem natürlich etwas schief gehen muss, die Love Interest natürlich eine Kellnerin… Really… will das irgendjemand in diesem Jahrzehnt noch sehen?

Egal, im Grunde geht es bei Baby Driver natürlich weniger um die Geschichte, mit der man kein Schwein mehr hinter dem Ofen hervorlocken kann. Das Herz von Baby Driver ist seine Action und die ist tatsächlich mehr als gelungen. Selbst wenn man gewillt ist, bei dem Gedanken an einen klassischen Autoverfolgungs/Speed/Dingsbums-Actionfilm ins Gähnen zu kommen, sind es die rasanten Baby Driver Verfolgungsjagden doch wert gesehen zu werden. Das liegt vor allem an ihrer Inszenierung, die im Gegensatz zu vielen anderen Filmen des Genres (ja, ich schaue auf dich Fast and Furious) nicht bemüht ist, dem Zuschauer die Orientierung zu rauben, um furioser, spannender und actiongeladener zu wirken, als sie eigentlich ist. Ganz im Gegenteil, die Fahrszenen sind hier nicht nur perfekt durchchoreographiert und stylish, sie lassen auch zu jeder Sekunde transparent, was gerade wieso wo und wie geschieht. Gerade weil das Actionkino des letzten Jahrzehnts viel zu sehr unter Shaky Cam und Desorientierung zu leiden hatte, ist es eine ungemeine angenehme Abwechslung hier nicht nur jederzeit den Überblick über das Geschehen zu haben, sondern zugleich jederzeit mittendrin zu stecken. Das war so in der Tat im Actionkino schon lange nicht mehr zu sehen, schienen die Alternativen auch der großen Genrebeiträge entweder eine realistische Inszenierung ohne unterhaltsamen Drive (Driver) oder eben verwackelte, überschnelle Shaky Actionszenen ohne Fixpunkt zu sein (Bourne und Konsorten).

Aber es sind nicht nur die unterhaltsamen und zugleich fantastisch fokussierten Actionszenen, die den Film vom Actionkino der letzten Jahre abheben, es ist zudem die überraschende Ernsthaftigkeit, die sich der Film in seiner zweiten Stunde zutraut. Bei einem derart groovigen, launigen und spaßigen Einstieg ist es ziemlich mutig, einen doch ziemlich dunklen Turn zu wagen und dabei Gefahr zu laufen, die Leichtigkeit seiner Exposition auf dem Thrillertableau zu opfern. Baby Driver wird ernst, spannend, dicht und zwischenzeitlich sogar unangenehm angespannt, und dennoch verliert er nicht seinen Fokus als unterhaltsamer Actionfilm, nur eben zudem noch mit unerwartet viel Thrillerpotential. Die bereits erwähnte Choreographie, die den Film zu Beginn trägt geht dabei zwar etwas verloren, aber nie so sehr, dass der Film Esprit, Groove und Charisma verlieren würde. Und das reicht dann allemal dazu, einer der besten Actionfilme des Jahres zu sein; liegt vielleicht auch ein bisschen daran, dass in dem Genre qualitativ gerade ein wenig Ebbe herrscht. Aber ein guter Actionfilm ist ein guter Actionfilm ist ein guter Actionfilm… Achja, und auch wenn das wohl kaum extra erwähnt werden muss, der Soundtrack ist in diesem Fall auch noch einfach nur erstklassig.

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