Die besten Animationsfilme der 90er Jahre

Der Trickfilm der 90er Jahre war noch ganz und gar vom klassischen Zeichentrick geprägt. Computeranimationsfilme, wie sie im nachfolgenden Jahrzehnt zu Hauf zu finden sind, waren noch Mangelware. Aber es gab sie schon, die kleinen und großen Vorreiter für den Durchbruch des digitalen Trickfilmzeitalters. Und es gab auch ein paar klassische Stop-Motion-Meisterwerke, ebenso wie erlesene Puppenspiele. Es folgen die schönsten Trickfilme, bei denen nichts gezeichnet, sondern alles auf die ein oder andere Weise animiert ist.

Die geheimen Abenteuer von Däumling [Dave Borthwick]

(Großbritannien 1993)

Und das animierte Unterhaltung keineswegs für ein junges Publikum reserviert ist, dürfen gleich mal die Abenteuer von Däumling – „The secret Adventures of Tom Thumb“ – unter Beweis stellen. Der gerade mal 60Minuten lange  Stop-Motion Film ist ein groteskes und absurdes Anti-Märchen, angesiedelt in einer bizarren dystopischen Welt, versehen mit einer skurrilen Geschichte um künstliche Befruchtungen, kleine „Freaks“ und menschliche Monster, die glauben Gott spielen zu müssen. Tom Thumbs Abenteuer sind ein abseitiges, mitunter düsteres, mitunter tragisches, in erster Linie aber skurriles Vergnügen, eine Tour de Force in ein schräges irrwitziges Szenario. Trotz der Knappheit und der speziellen Erzählweise unbedingt sehenswert.

Toy Story [John Lasseter]

(USA 1995)

Natürlich! An diesem Klassiker kommt man nicht vorbei. Die Disney/Pixar-Traumhochzeit, das Langfilm-Computeranimationsdebüt, die Initialzündung für eine ganze Reihe herausragender Pixar-Werke… Toy Story brachte den Stein ins Rollen, und auch wenn sowohl Animationen als auch Atmosphäre mittlerweile etwas Staub angesetzt haben, so ist die Geschichte von den lebenden Spielzeugen immer noch ein großes Vergnügen für die ganze Familie. Rasant erzählt,  mit viel Herzenswärme und einem  empathischen Blick auf Sehnsüchte und Träume. Ja, Toy Story lebt nicht von seiner Computerherkunft sondern dem Esprit, dem Verve und der zeitlosen Sympathie, mit der er ein wunderbares, komisches, tragisches, actionreiches, spannendes Abenteuer für jung und alt erzählt.

Antz [Eric Darnell, Tim Johnson]

(USA 1998)

Und die erwachsene, ernstere Antipode aus dem Hause Dreamworks. Antz ist natürlich auch ein kindgerechter Abenteuertrip, aber hinter der Fassade des familiengerechten Trickabenteuers schlummert eine intelligente und bissige Parabel über Machtstrukturen, Konformität und Individualismus. Wenn eine neurotische Ameise von Woody Allen synchronisiert wird, hat der Film schon gewonnen. Wenn dann aber im klassischen Fabelstil mit politischen Inhalten, gesellschaftskritischen Themen und Motiven gespielt wird, wenn es dem Film dennoch gelingt eine spannende, auch für Kinder geeignete Geschichte zu erzählen, dann hat der entsprechende Film tatsächlich den Trickfilmolymp erreicht. Antz gelingt dies mit Leichtigkeit: Ein ebenso unterhaltsames wie nachdenkliches, ebenso packendes wie intelligentes Werk, das sich nicht vor den Pixar-Klassikern verstecken muss.

Toy Story 2 [John Lasseter]

(USA 1999)

Fortsetzungen von großen Disney-Hits erzeugen erst einmal Skepsis. Meistens kommt nicht mehr dabei heraus als zweitklassige Direct-to-DVD (damals noch VHS genannt) Produktionen, die den ein oder anderen Euro (damals noch DM genannt) abgreifen wollen. Bei Toy Story 2 ist das anders. Nicht nur, dass hier alles größer ist, die Actionszenen rasanter sind, die Animationen schicker, die Welten weitreichender, auch spinnt das Sequel Gedanken des ersten Teils auf intelligente Weise weiter. Die Melancholie, die bereits im Vorgänger greifbar war, wird hier um eine für die Franchise wesentliche Facette bereichert: Die Angst des Spielzeuges vor dem Erwachsenwerden seines Besitzers. Was zuvor im Mikrokosmos eines Kinderzimmers stattfand wird nun ausgedehnt, über das Zimmer, das Haus und auch den Vorort hinaus… Konfrontiert werden die immer noch hochsympathischen Protagonisten dadurch mit einer großen, gefährlichen Welt, mit der Unsicherheit ihrer eigenen Existenz und der Frage nach der Vergänglichkeit ihres Seins. Dass Disney/Pixar daraus gleichzeitigeinen wunderbaren, familiengerechten, mordsunterhaltsamen Film machen, verdient besonders Beifall.

The Nightmare before Christmas [Henry Selick]

(USA 1993)

Ein Hoch auf die klassische Stop-Motion-Technik, gerade weil sie traurigerweise von der Computeranimation sukzessive verdrängt wird. Und ein hoch auf die klassischen Düstermärchen im Burtonstil, auf herrlich makabere und zugleich wunderschöne Geschichten, auf skurrile Musicaleinlagen, auf… ach was! Ein Hoch auf „The Nightmare before Christmas“. Das dunkle, groteske Puppenspiel ist ein wahrer Diamant des 90er Jahre Animationfilms: Niedlich und zugleich gruselig, in einigen Szenen sogar geradezu verstörend bösartig, aber jederzeit schwungvoll, unterhaltsam und vor allem in seinem eigenen kleinen Christmaskosmos bombastisch und mitreißend. Ein wunderbarer Alptraum mit Lametta und Weihnachtsstern obendrauf.

Diesen Film haben wir auch in unserem Podcast besprochen.

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Das große Krabbeln [John Lasseter]

(USA 1998)

Disney/Pixars „A Bug’s Life“ ist das familiengerechte Gegenstück zu Dreamworks neurotischem Antz. Und zweifellos ist der bunte Computeranimationsfilm bei weitem nicht so komplex, nicht so kritisch und düster wie die Ameisenfabel aus dem Konkurrenzstudio. Dafür besticht „A Bug’s Life“ mit anderen Qualitäten, transformiert er doch perfekt klassische Disneymotive und Figuren in eine mikrokosmische CGI-Landschaft und erzählt in dieser ein spannendes und lustiges Abenteuer von kleinen Helden, die weit über sich hinauswachsen, von Verantwortung und Gemeinschaftssinn und packt diese Themen in ein buntes, kindgerechtes Abenteuer. Wieder einmal – wie von John Lasseter nicht anders zu erwarten – ein großes Vergnügen für die ganze Familie und bereits eine deutliche Vorahnung davon, dass der Computer alle Qualitäten der klassischen Disney-Zeichentrickkunst ebenso gut erfüllen kann.

Wallace & Gromit unter Schafen [Nick Park]

(Großbritannien 1995)

Jaaa… das ist nur ein Kurzfilm. Gerade mal 30Minuten dauert der oscarprämierte „Unter Schafen“ aus der Wallace und Gromit Franchise. Dabei kann es der höchstvergnügliche Clay Stop-Motion-Streifen aber mit jedem ähnlich gelagerten Langfilm locker aufnehmen. Nick Park feiert hier ein wahres Fest der nostalgischen Knetanimation, ungemein detailliert, liebevoll animiert, mit einem Blick für die kleinsten Feinheiten. Lasst euch von der Kürze und der niedlichen Story nicht täuschen: Unter Schafen ist ein akribisches, exaktes Werk, eben noch echte Handarbeit (im wahrsten Sinne des Wortes), bei der jeder einzelne Kniff sitzt, jede Pointe genaustens geplant ist. Vielleicht die Form von (notwendiger) Perfektion, die diversen computeranimierten Werken mitunter abgeht, und nicht nur der bestmögliche Vorgeschmack auf das 00er Langfilmwerk von Wallace und Gromit sondern im direkten Vergleich sogar der bessere Film.

Die Muppets-Weihnachtsgeschichte [Brian Henson]

(USA 1992)

Und wenn wir schonmal nostalgisch sind, zum Abschluss gleich die volle Dröhnung. Charles Dickens berühmtes Weihnachtsmärchen von 1843 verpflanzt in ein großes, bombastisches klassisches Muppet-Musical. Mit Sir Michael Caine als Ebenezer Scrooge, Gonzo als erzählender Charles Dickens und natürclich auch allen anderen Puppen aus dem gigantischen Muppetuniversum. Inszeniert wird das zeitlose Märchen dabei als große Revue der ganz alten Schule; lustig selbstreferenziell, mit vielen Gesangseinlagen, großartigen Running Gags, tollen Darstellern und einem ausufernden Setting. Jepp, das ist ganz große Weihnachtsunterhaltung für die ganze Familie, natürlich nicht zuletzt Dank seines – durch die Kombination von Dickens und Henson – mehrfach potenzierten Nostalgiefaktors. Auch der andere große Muppet-Film der 90er, Die Schatzinsel, ist durch und durch empfehlenswert.

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Erstveröffentlichung: 2011