Die besten Filme 2014: Paddington – Die perfekte Kinder- und Familienunterhaltung

Die 2010er sind eine gute Zeit für Kinder- und Familienfilme. Und doch gibt es eine nicht zu leugnende Lücke: Filme für die ganze Familie; für die ganze Familie im wahrsten Sinne des Wortes. Filme, an denen die jüngsten Familienmitglieder Spaß haben können und die dennoch auch den Älteren und Ältesten gefallen. Bei den Filmen ab 6 Jahren ist eigentlich klar, dass alle ab diesem Alter ihre Freude haben können: Für die Älteren gibt es Popreferenzen, Action und subtil eingeflochtene Witze für Erwachsene, für die Jüngeren gibt es Action, Slapstick und ne Menge Fantastisches zum Staunen. Aber die Jüngsten bleiben außen vor. Und wenn es dann Filme für die Jüngsten sind, langweilen sich die Jüngeren wegen der durchschnittlichen Geschichten ohne richtige Konflikte und die Erwachsenen langweilen sich wegen der Infantilität und Bravheit des entsprechenden Films. Als Kompromiss bleibt eigentlich nur den Dreijährigen einen Film ab 6 vorzusetzen; oft genug möglich, aber auch nicht sonderlich befriedigend, vor allem für die Kleinen, deren Interessen und Wünsche dabei irgendwie unter den Tisch fallen. Aber es gibt sie doch und sie sind zu finden, wenn man nur lange genug danach sucht: Von der FSK für alle Altersstufen freigegeben, nicht zu anstrengend pädagogisch, nicht zu brav, spannend und mitreißend für alle Älteren, aber eben auch unterhaltsam für die Jüngsten. Paddington (2014) ist ein genau solcher Film. Und das beste daran: Er sucht nicht den kleinsten gemeinsamen Nenner, sondern den Größten. Und diesen findet er auch noch.

Verborgen im Dschungel von Peru lebt eine besondere, dreiköpfige Bärenfamilie. Dank des Besuches des Wissenschaftlers Montgomery Clyde vor vielen Jahrzehnten können die intelligenten Bären sprechen und sind mit vielen Gepflogenheiten der menschlichen Zivilisation, insbesondere der britischen Kultur vertraut. Der jüngste von ihnen bricht, nachdem seine Tante zu alt geworden ist, um sich um ihn zu kümmern, nach London auf, in der Hoffnung dort eine menschliche Familie zu finden, die sich dort seiner annimmt. Nach einer langen Reise kommt der junge Bär endlich in Großbritannien an, muss aber feststellen, dass das Leben dort sich in vielen Punkten von dem unterscheidet, was er im Dschungel über die britische Gesellschaft gelernt hat. Dennoch trifft er auf die freundliche Familie Brown, deren Mutter Mary (Sally Hawkins) und jüngster Sohn Jonathan (Samuel Joslin) total angetan sind von dem höflichen, wohlerzogenen und sprechenden Bären. Sie taufen ihn Paddington und beschließen, ihn erst einmal bei sich zu Hause aufzunehmen, auch wenn der übernervöse Vater Henry (Hugh Bonneville) und die pubertierende Tochter Judy (Madeleine Harris) alles andere als begeistert davon sind, einen chaotischen, peinlichen Bären unter ihrem Dach zu haben. Mary möchte Paddington helfen, die letzten lebenden Verwandten Clydes zu finden. Paddington findet durch seine herzliche, naive Art schnell Freunde in London. Allerdings hat es die bösartige Tierpräparatorin Millicent (Nicole Kidman) auf sein Fell abgesehen, um endlich ihre Sammlung seltener Museumstiere zu vervollständigen.

Ein sprechender Bär, der zwar etwas holprig aber doch erstaunlich wohlwollend und vor allem ohne große Aufregung in die britische Gesellschaft integriert wird? Allein schon die Prämisse von Paddington setzt eine gewisse Portion Suspension of Disbelief voraus. So märchenhaft diese jedoch ist, so verzückend erden ist ihre Umsetzung. Paddington ist alles andere als ein Märchen im klassischen Sinne. Abgesehen von der fantastischen Disposition haben wir es hier mit einer feurigen Mischung aus Gute Laune Familienkomödie, actionreicher Abenteuergeschichte und sozialkritischer Satire zu tun. Gerade wer in den 90ern filmisch sozialisiert wurde, dem dürfte das Motiv der Familie, die ein alles durcheinanderwirbelndes Tier in ihren Reihen aufnimmt, sehr bekannt vorkommen. Mit Filmen wie Ein Hund namens Beethoven oder Ein Schweinchen namens Babe wischt Paddington aber mühelos den Boden auf. Das liegt vor allem an seinem durch und durch pointierten Humor: Die Ambivalenz des jungen Protagonisten zwischen höflichem, distinguierten Findelkind und dann doch immer wieder herausstechenden tierischen Instinkten ist einfach mal herzallerliebst. Paddington weiß sich zu benehmen, ist mit seiner offenen, unkomplizierten und sensiblen Art ein deutlich angenehmerer Zeitgenosse als die misstrauischen, grummeligen Londoner, denen er auf seiner Reise begegnet. Gleichzeitig gelingt es ihm mit dieser herzhaft offenen Art selbst aus den auf den ersten Blick unsympathischsten Typen die liebenswerten Seiten herauszukitzeln. Trotzdem konnte er aber so manche animalischen Instinkte nie ganz ablegen, und auf viele Eigenheiten des urbanen Lebens reagiert er mit einer unüberlegten, Chaos stiftenden Neugier. Beide Charakteristika sind perfekte Humorgaranten. Die Konfrontation der antiquiert wirkenden Höflichkeit und neugierigen Naivität mit dem städtischen Leben liefert eine charmante augenzwinkernde Sozialstudie für das ältere Publikum, während das Chaotische, Animalische für viele geniale Slapstickeinlagen für jung bis alt sorgt.

Es ist aber nicht allein der Humor, der Paddington zu einem besonderen Film für alle Altersklassen werden lässt. Ihm gelingt ein Balanceakt, den kaum ein anderer Film für die ganze Familie auf die Reihe kriegt. Zum einen gibt es einen tatsächlichen, spannenden Konflikt in seiner Geschichte. Nicht nur einen, sondern gleich mehrere. Da ist zum einen das Thema des Außenseiters, konkreter das Thema des Ausländers, der sich an fremde Begebenheiten anpassen muss, aber auch das Thema der Inländer, die sich ebenso an die Besonderheiten des Neuankömmlings gewöhnen müssen. Da Regisseur Paul King nicht nur zu Beginn sondern auch im Hauptteil der Handlung konsequent auf die Perspektive Paddingtons setzt, entwirft der Film eine durchaus tiefgründige ethnologische Parabel, die Spießigkeiten und Ängstlichkeiten hinterfragt und mit der Weite der Welt und der Vielfalt des sozialen Lebens konfrontiert. Dies macht er ohne erhobenen Zeigefinger, aber überzeugend genug, dass es auch die kleinsten (oder viel wichtiger die größten) Zuschauerinnen und Zuschauer verstehen. Zum zweiten ist da der actiongeladene Hauptkonflikt, in dem es um nicht weniger als eine Schurkin geht, die nach dem Leben unseres sympathischen Protagonisten trachtet. Paddingtons Leben wird bedroht, er wird gejagt und hintergangen, es geht ihm im wahrsten Sinne des Wortes an den Kragen. Und auch wenn die Spannung gerade im Schlussdrittel permanent hochgehalten wird, macht dies Paddington komplett ohne zu gruseln oder zu verstören. Irgendwie ist er in der Lage, eine spannende Geschichte zu erzählen und dennoch auf alle Brutalitäten zu verzichten. Wo andere Kinderfilme oft zu zahm und andere Erwachsenenfilme zu düster für die Jüngsten sind, findet Paddington die perfekte Balance zwischen Herausforderung und Umschmeichlung, wird nie zu heftig, wird nie zu brav und süß.

Dieser gelungene Balanceakt macht Paddington zu einem einzigartigen Film, einem Familienfilm, wie man ihn nur jedes Jahrzehnt zu sehen bekommt. Ein Film, dem der ideale Ausgleich gelingt, nicht im kleinsten gemeinsamen Nenner, sondern im Größten. Mit viel Humor, viel Emotion, einer humanistischen Botschaft, einer Offenheit für alle Sehgewohnheiten, alle Altersklassen, und eben auch mit viel Spannung, Herz und Leidenschaft. Es kann gar nicht genug honoriert werden, wie bunt und inklusiv dieses kleine Meisterwerk ist. Ein Juwel des Kinder- und Familienkinos und vielleicht sogar der beste seiner Art in dieser Dekade.

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