Die besten Fantasyfilme und Märchen der 70er Jahre II

Dass kitschige Naivität, Düsternis und gehobene Unterhaltung im Fantasykino der 1970er Jahre eng beieinander liegen, hatte ich bereits erwähnt. Das wird auch in dieser Retrospektive mehr als deutlich: Für die Naivität sorgen das Special FX Spektakel Caprona – Das vergessene Land sowie die erste Verfilmung der Superman-Comics, die als einzige wirklich sehenswerte Superheldenverfilmung in diesem Jahrzehnt etwas allein dasteht (bei den Märchen aber bestens aufgehoben ist). Für gehobene Sentimentalitäten sorgt die Astrid Lindgren Verfilmung Die Brüder Löwenherz, während Elliot das Schmunzelmonster die ebenso schöne aber deutlich bonbonsüßere Disneyunterhaltung vertritt. Und dann haben wir noch die düstere Wildcard in Form des unheimlichen Filmmonsters Jabberwocky, zusätzlich der Beweis dafür, dass Ex-Monty-Python Terry Gilliam deutlich mehr drauf hat als absurde Komödien. Viel Spaß.

Die Brüder Löwenherz [Olle Hellbom]

(Schweden 1977)

Astrid-Lindgren-Verfilmungen waren in den 1970ern alles andere als Neuland. Bereits in den 60ern gab es die großartige Pippi Langstrumpf Reihe. Michel aus Lönneberga durfte seit 1971 die Kinoleinwände unsicher machen und Saltkrokan und Skrollan waren ebenfalls schon seit einem Jahrzehnt nicht nur im Literarischen bekannte und beliebte Orte. Etwas unbekannter war jedoch die Märchenseite Lindgrens. Die Brüder Löwenherz ist diesbezüglich eine Blaupause für die in den 80ern entstandenen, wunderschönen Umsetzungen von Mio mein Mio und Ronja Räubertochter. Dabei ist die Geschichte um die beiden Brüder, die nach ihrem Tod im geheimnisvollen Kirschblütental landen, nicht nur die erste sondern vielleicht sogar die beste Lindgren-Märchenverfilmung: Permanent zwischen intelligenter Melancholie und ästhetizistischer Sentimentalität pendelnd, verarbeitet sie große, schwermütige Themen wie Ohnmacht, Krankheit und Tod in einem epischen, bombastischen und freudvollen Fantasyepos. Regisseur Olle Hellbom gelingt es perfekt die besondere, schwermütige wie leichtfüßige Atmosphäre der Vorlage einzufangen und in wundervolle, verzaubernde Bilder zu verwandeln. Trotz der schweren Thematik nicht nur für Kinder ein besonderes Erlebnis.

Jabberwocky [Terry Gilliam]

(Großbritannien 1977)

Jabberwocky ist wie sein namengebendes Monster ein grässliches Biest von einem Film: Getarnt als bizarre Fantasykomödie (so ganz konnte Gilliam hier von seinem Monty Python Erbe noch nicht ablassen) ist Jabberwocky tief in seinem innersten ein groteskes Spektakel über die dunklen Seiten des Mittelalters, die uns Fantasyfilme, die in dieser Zeit spielen, für gewöhnlich vorenthalten. Es ist schmutzig, es stinkt, die Menschen kämpfen ums Überleben, die Welt ist ein einziger, amoralischer Morast… und doch reagiert Gilliams absurde Vision auf diese Welt nicht mit Abscheu sondern mit einer fies grinsenden Grimasse. So gelingt es Jabberwocky gekonnt, karnevalesken Wahnsinn und dunklen Fantasyhorror unter einen Hut zu bringen, er kann sowohl brutal und abstoßend, monströs und unheimlich sein, als auch urkomisch, gehässig und sarkastisch. Ein großer Schritt für Gilliam, der sich hier zum ersten Mal von dem Revuehaften der Monty Pythons entfernt und seine ernsteren Storytelling-Seiten zeigt. Aber auch ein Film, der keine Angst davor hat, Mythen und Topoi des Fantasykinos zu dekontruieren, durch den Fleischwolf zu drehen und die Reste seinem Publikum vor die Füße zu werfen.

Caprona – Das vergessene Land [Kevin Connor]

(USA, Großbritannien 1975)

The Land That Time Forgot heißt die literarische Vorlage von Tarzan-Schöpfer Edgar Rice Burroughs aus dem Jahr 1918. Und mit Dekonstruktion und Zerfledderung kann deren Verfilmung nicht gerade aufwarten. Caprona – Das vergessene Land ist ein durch und durch traditioneller Fantasyschinken, naiv, kunterbunt, simpel erzählt und voll und ganz auf Spektakel ausgerichtet. Genau das kann er aber auch verdammt gut. Wieder gilt: Man darf sich nicht von den – aus heutiger Sicht – antiquierten Special Effects abschrecken lassen; fällt einem in diesem Fall allerdings auch nicht so schwer, denn die Dinosaurier-Schöpfungen von Roger Dicken können sich auch heute noch sehen lassen: Mit viel Liebe zum Detail gestaltet, mit allen erdenklichen Möglichkeiten der 70er Jahre Tricktechnik animiert, erwachen sie vor den Augen des Publikums zum Leben. Vielleicht gerade aus heutiger Sicht nicht immer 100% überzeugend, dafür aber mit einem ganz eigenen fantastischen Charme, der mitunter sogar opulenter ausfällt als einige heutige, seelenlose CGI Spektakel. Abgesehen davon ist Caprona vor allem ein Film für Zuschauer, die sich ihr inneres Kind bewahrt haben, die keine Angst davor haben, sich von simplen, unbedarften und unschuldigen Abenteuergeschichten mitreißen zu lassen. Wenn das gelingt, offenbart sich dieses Abenteuer als eines der schönsten Werke seiner Gattung.

Superman [Richard Donner]

(USA 1978)

In den 80ern, 90ern, und 2000ern hat es noch jeweils für eine eigene Bestenliste nur für Superheldenfilme und Comicverfilmungen gereicht. Das wird in den 70ern nicht hinhauen. Genau genommen ist Superman sogar der einzige gute Vertreter seiner Art in diesem Jahrzehnt. Dafür kann dieses selbstironische Märchen zwischen Fantasy, Science Fiction und Actionkomödie aber so einiges: Albern naiv an manchen Stellen, beeindruckend opulent und episch an anderen. Keine Angst vor Pathos und großem Drama, aber auch keine Angst vor einem kleinen Augenzwinkern, und vor allem vollgepackt mit ner Menge Action und Spektakel. Mit diesen Ingredienzen ist Superman auch ein wenig der Großvater des gewaltigen Spektakelkinos heutiger Ausprägung. Vor allem die Marvel-Kinoereignisse der 2010er Jahre haben doch weitaus mehr von diesem vitalen Popcornhit gelernt, als man auf den ersten Blick vermuten könnte. Dieser Superman ist aber deutlich mehr als eine cineastische Geschichtsstunde: Auch heute noch ist Richard Donners Film ein durch und durch sehenswerter Fantasytrip, der in seiner Unschuld und Lebensfreude etwas verkörpert, was im heutigen Superheldenfilm doch so manches mal fehlt. An dieser Stelle sei jedenfalls die Hoffnung ausgesprochen, dass sich so manche Produzenten vielleicht doch noch mal auf diese glorreiche, unschuldige Zeit besinnen und unserer so sarkastischen und düsteren Comicfilmwelt ein ähnlich liebenswertes Werk schenken. Nichts gegen das heutige Spektakelkino… aber so etwas fehlt schon ein wenig.

Elliot das Schmunzelmonster [Don Chaffey]

(USA 1977)

Musikalisch, bunt, naiv, kitschig… ach verdammt, Disney muss einfach so! Punkt. Dazu gehört auch der Hang zur Tradition, man könnte es auch Konservatismus nennen, vielleicht sogar Regress. Aber, verflucht, Disney muss einfach so! Elliot das Schmunzelmonster ist ein wunderschönes, fantastisches Disney-Märchen, wie es im Buche steht. Mit einer kongenialen Vermählung von Real- und Trickfilm (Für die Zeichnung von Petes Drachen Elliot war niemand geringeres als Don Bluth verantwortlich), einer zeitlosen, universellen Thematik, sympathischen Musikeinlagen und einer liebevollen Geschichte, die Disney-typisch die ganze Familie zu unterhalten weiß. Klar könnte man Pete’s Dragon den Vorwurf machen, dass er zu sentimental, zu brav, zu naiv ist; aber muss Harmlosigkeit zwingend ein Makel sein? Immerhin haben wir es hier mit einem der liebevollsten Liebesbriefe an die kindliche Fantasie, die kindliche Freiheit, das kindliche Recht zu tun. Und nochmal: Ja, das ist bunt, kitschig, überzeichnet… aber ein allerletztes Mal. Verdammt, Disney muss einfach so!

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