Die besten Science Fiction Filme der 70er Jahre IV

Man könnte meinen, mit Star Wars wäre der Science Fiction der 70er Jahre zu einem Höhepunkt und vorläufigen Ende gekommen. Dem ist keineswegs so. Auch wenn die Space Opera einen tiefen Schnitt im Genrekino hinterlassen hat, so gab es auch nach ihm Traditionelles sowie Neues, das von Geoorge Lucas‘ Sternenepos so weit entfernt ist, wie es nur sein kann. In unserer letzten SciFi-Retrospektive der 70er Jahre finden wir dementsprechend auch nur einen Star Wars Epigonen, den ebenso fidelen wie naiven Versuch der japanischen Toho-Studios ein fantastisches Weltraumepos zu erschaffen, Der große Krieg der Planeten. Als Vertreter des traditionellen SciFi-Kinos kann man wohl Futureworld interpretieren, das den dystopischen Klassiker der frühen 70er Jahre Westworld raffiniert weiterdenkt. Alles andere als traditionell sind die beiden großen SciFi-Horror-Entwürfe: Alien, dessen Einfluss auf das zukünftige Science Fiction Kino mindestens ebenso groß war wie der von Star Wars, und Des Teufels Saat, der die Beziehung zwischen Mensch und Maschine auf ein ganz neues Level hebt. Und auch dieses Mal haben sich zwei Wildcards eingeschlichen: Aus der Sowjetunion kommt mit Stalker einer der faszinierendsten philosophischen Zukunftsentwürfe aller Zeiten, in Der Mann, der vom Himmel fiel darf David Bowie unter Beweis stellen, dass in seinem Starman-Image deutlich mehr Substanz steckt, als man auf den ersten Blick vermuten könnte.

Futureworld – Das Land von Übermorgen [Richard T. Heffron]

(USA 1976)

Westworld ist ein Klassiker, keine Frage. Bei der vielen Beachtung, die der Hybrid aus Westernkomödie und Science Fiction Horror erhält, wird oft vergessen, wie enorm gelungen sein Nachfolger die von ihm gesetzten Themen weiterspinnt. Futureworld öffnet die Welt, die in seinem ersten Teil nur angedeutet wurde, und er setzt sich deutlich ambivalenter mit der Beziehung zwischen Mensch und Maschine auseinander, als dies der Vorgänger tat. Hier sind die Roboter nicht einfach nur potentielle Amokläufer, die nicht unter Kontrolle gehalten werden können, sondern stattdessen Marionetten in den Händen zwielichtiger Menschen. Worauf der Film hinaus will bleibt dann auch lange Zeit unklar: Futureworld ist deutlich mehr Thriller, Detektivgeschichte und satirische Utopie als Westworld. Er lässt sich Zeit damit, seine Welt zu zeigen und zu erzählen und stattet diese mit einem permanenten Unbehagen aus. Wenn das Publikum schließlich erfährt, was Sache ist, trifft der Schock umso gewaltiger und umso eindrücklicher. Futureworld ist nichts für Leute, die ein zweites Westworld erwarten, er ist mehr als die übliche „Roboter laufen Amok“-Geschichte; mit seinen Themen um Menschlichkeit, Macht, Dekadenz und Paranoia ist er aber seiner Zeit deutlich voraus und vielleicht sogar – auch wenn er immer im Schatten Westworlds stand – der bessere Film von den beiden.

Des Teufels Saat [Donald Cammell]

(USA 1977)

Wie Westworld und Futureworld ist auch Demon Seed so etwas wie Vorgeschmack, Prototyp und Vorläufer des Mensch-Maschine-Horrors, wie er das Science Fiction Kino in den kommenden Jahrzehnten von Terminator bis Matrix vielfach heimsuchen sollte. Was als subtiler, düsterer Thriller beginnt, entwickelt sich langsam zum perfiden Horrortrip mit nicht zu leugnender Exploitation Attitüde. Die Maschine in diesem Film will nicht töten, sondern erschaffen. Sie will nicht die Menschheit unterjochen, sondern selbst Mensch werden, indem sie sich fortpflanzt. Und das Objekt ihrer Begierde bei diesem Vorhaben ist eine menschliche Frau. Kein Wunder, dass Demon Seed mit dieser krassen Motivik immer haarscharf am Ausbeuterischen, Voyeuristischen und Vulgären vorbeischrammt. Gott sei Dank besitzt er genug Suspense – und in den wichtigen Momenten auch genug Feingefühl – um nicht zum derben, offensiven Schocker zu verkommen. So oszilliert er gekonnt zwischen Science Fiction und Thriller, öffnet einmal kurz die ganze Terrorfilm-Bandbreite und rettet sich doch in eine ausgewogene Dystopie, in der Wissenschaft und Übernatürliches Hand in Hand gehen. Ein faszinierender Beitrag zu der Thematik und eine gekonnte Technisierung klassischer satanischer Horrortropes.

Alien [Ridley Scott]

(USA 1979)

Puh… was mache ich denn jetzt mit diesem Film? Science Fiction? Horror? Ein Klassiker, ein Meisterwerk, keine Frage. Aber welches Genre? Na Gut, packen wir ihn zum Science Fiction Kino, denn da gehört er verdammt nochmal rein: Immerhin spielt er in den Weiten des Alls, die Bedrohung des Films ist eine außerirdische Bedrohung. Sie ist ebenso erschreckend wie faszinierend, ein unheimlicher Killer, aber auch ein beeindruckendes Geschöpf. Außerdem finden wir hier so viele Topoi des Science Fiction Kinos: Die Suche nach neuen Welten, Künstliche Intelligenzen, die erschütternde Offenheit und Kälte des Weltraums, die Konfrontation des Menschen mit fremden Lebensformen, der Kampf mit und gegen die Technik, das Grauen im Krieg mit einer unbekannten, physisch deutlich überlegenen und zugleich vollkommen amoralischen Spezies, ein dystopischer Wissenschaftsentwurf… Ja, Alien ist durch und durch ein SciFi-Meisterwerk. Dass er noch so viel mehr ist, dafür kann das Genre ja nichts.

Diesen Film haben wir auch in unserem Podcast besprochen.

JETZT REINHÖREN

Der Mann, der vom Himmel fiel [Nicolas Roeg]

(Großbritannien 1976)

Nicolas Roeg, Regisseur des verstörenden Mysteryhorrorfilms Wenn die Gondeln Trauer tragen und David Bowie, Glamrock-Kultfigur und Space Rock Ikone in einer gemeinsamen Produktion? Das klingt erst einmal wie ein ziemliches odd couple. Tatsächlich kommt The Man Who Fell to Earth deutlich subtiler, deutlich ernster und deutlich geradliniger daher, als man bei dieser Paarung vermuten dürfte. Roeg verhindert mit seiner experimentellen, intellektuellen und akademischen Inszenierungskunst, dass der Film zum bloßen Vehikel für David Bowies exzentrische Persona wird. Und David Bowie verhindert mit seiner stilisierten, pop-ästhetischen Art, dass der Film zum anstrengenden Avantgardetrip verkommt. Und so ist diese seltsame Paarung dann doch irgendwie Traumhochzeit und schafft etwas ganz und gar Außergewöhnliches, das im Science Fiction bis heute seinesgleichen sucht. Der Mann, der vom Himmel fiel ist Pop und Punk, Zivilisationskritik und Eskapismus, soziale Studie und ästhetisch exponiertes Schaulaufen, Glam und Nachdenklichkeit, Expressivität und Introspektion; und damit vollkommen zurecht Kult und Klassiker.

Der große Krieg der Planeten [Jun Fukuda]

(Japan 1977)

Achja… man kann natürlich drüber streiten, ob Der große Krieg der Planeten hier reingehört. Ich jedenfalls werde immer einen Sweet Spot für dieses Weltraumepos haben, das so ein bisschen Tohos Antwort auf Star Wars darstellt, genau genommen aber viel eher eine konsequente Fortführung der klassischen Trademarks der Godzilla Company ist: Die Erde wird von Aliens (von der Venus) angegriffen, und um zurückzuschlagen, müssen die Menschen ins All fliegen und sich in den Krieg mit der außerirdischen Bedrohung stürzen. Frei nach dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung. Mit seinen Weltraumschlachten ist dieser Film von Jun Fukuda zumindest in seiner zweiten Hälfte dann auch ganz nah dran am Krieg der Sterne. Aber drumherum ist er eine feine, quietschbunte Aneinanderreihung der Topoi, die das japanische Science Fiction Kino so besonders macht: Es geht um die Bedrohung der Menschheit durch vermeintlich größere, stärkere, überlegene Mächte. Es geht um die Angst vor der Ausrottung, vor der Unterwerfung, es geht aber auch um grenzenlosen Optimismus, um den Menschen, der über sich selbst hinauswächst und mit all der Energie, die er hat, um sein Fortbestehen kämpft. Inszeniert wird das Ganze zwischen charmanter Naivität, monumentaler Ambition und einem überraschenden Gespür für effektive Tricks und mitreißende Bilder. Das hat dann zwar nicht die Klasse westlicher Vorbilder, hat aber seinen ganz eigenen Charme, seine eigene Freude am Genre, seinen eigenen Glanz. Ja, auch ein wenig ein Guilty Pleasure, aber ein Guilty Pleasure, das ich ohne schlechtes Gewissen weiterempfehlen kann und jederzeit weiterempfehlen werde.

Stalker [Andrei Tarkowski]

(Sowjetunion 1979)

Ja, dieses Science Fiction Jahrzehnt kann gar nicht besser abgeschlossen werden als durch Andrei Tarkowskis überragendes, philosophisches Epos Stalker. Zusammen mit Solaris von 1972 bilden die beiden sowjetischen Meisterwerke fast so etwas wie eine intellektuelle Klammer um ein Jahrzehnt, in dem vieles jenseits dieses speziellen SciFi-Narrativs geschehen ist, von dem aber nichts die Tiefe der Tarkowski’schen Visionen erreichen konnte. Stalker ist noch einmal ein gutes Stück theoretischer und verkopfter als Solaris: Noch weniger Genre, noch mehr faszinierende Reise ins Unbekannte und allzu Bekannte. Noch mehr Auseinandersetzung mit dem Wesen des Menschen, wenn dieser mit dem Unmenschlichen, Übermenschlichen konfrontiert wird. Stalker auf einen bloßen akademischen Pseudofilm zu reduzieren, täte diesem Meisterwerk aber Unrecht: Denn neben all seinen Gedankenspielen und intellektuell heißblütigen Dialogen ist Stalker ein bildgewaltiges Epos, das Träume und Visionen, Zorn und Streben in ebenso monumentale wie abstrakte Bilder überführt. Ein strenges, detailverliebtes manchmal auch eskapistisches Werk, in dem jede Einstellung ein Gemälde für sich ist, in dem sich Außen und Innen ineinander spiegeln, aber auch miteinander streiten und sich bisweilen unversöhnlich gegenüber stehen. Das ist in seiner Langsamkeit nicht für jeden etwas, aber dennoch eine fantastische Reise, die jeder Filmliebhaber mindestens einmal in seinem Leben erlebt haben sollte.

Diesen Film haben wir auch in unserem Podcast besprochen.

JETZT REINHÖREN

Ähnliche Artikel