Schlagwort: Thrillerdrama

Die besten Actionfilme der 70er Jahre III

Nach einer langen Pause geht es endlich weiter mit den besten Filmen der 70er Jahre. Eine Actionliste gäbe es noch abzuarbeiten, aber auch danach sind wir mit dem Genre noch nicht so ganz durch. Auch dieses Mal sollen wieder eher komödiantische Genrevariationen im Mittelpunkt stehen. Lange Zeit von der Kritik verschmäht, wissen wir mittlerweile – und sei es nur aus nostalgischen Gründen – was wir an den beiden Raufbolden Bud Spencer und Terence Hill haben. So sollen die beiden in dieser Retrospektive auch gleich zwei Mal vertreten werden: Einmal als Zwei außer Rand und Band und einmal als Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle. Neben den Italienern (unterstützt von einer superben deutschen Synchronisation) können auch die Amerikaner ihre Fähigkeit zum Augenzwinkern im Actionrahmen unter Beweis stellen. Die Letzten beißen die Hunde ist eine schmutzige, derbe, vor allem aber auch ironische Tour de Force, irgendwo zwischen Gangsterkomödie und knochigem Actioneer. Deutlich ernster dagegen kommen die furiosen Genreperlen von Walter Hill daher. Irgendwo zwischen B-Movie und A-Movie bewegen sich seine beiden symbolisch aufgeladenen, diffusen Erstlingswerke, Ein stahlharter Mann als Abgesang auf einen zum Kämpfen verfluchten Mann und Driver als existenzialistischer Zweikampf zwischen zwei Antagonisten, die ebenso verschieden wie sich ähnlich sind.

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Die besten Filme 2021: Pig – Nicolas Cage dekonstruiert sein eigenes Genre

Nicolas Cage…. achja, der gute Nicolas Cage! Es gab angeblich (zumindest wenn ich einem meiner cineastischen Weggefährten Glauben schenke) mal eine Zeit, in der ich ihn als besten lebenden Schauspieler bezeichnet habe. Und es gab definitiv eine Zeit in der zu einer Karikatur seiner selbst verkommen ist, den man irgendwie noch Schauspieler nennen mag, allerdings mit der Ergänzung „Was zur Hölle ist das für eine Herangehensweise an diesen Beruf?“. Wie man es auch dreht und wendet, der Schauspieler Nicolas Cage ist ein Phänomen. Eine Naturgewalt, in seinen besten Momenten – unter der richtigen Regie – zu bizarren Extravaganzen in der Lage, larger than Life, Overacting als Grundprinzip, in seinen schlechtesten Momenten – unter der falschen Regie, im falschen Setting, eine groteske Lachnummer, ein Mime, der versucht einen Mimen zu spielen, der groß spielt. Wenn wir Nicola Cages Schauspielkarriere betrachten, können wir wahrscheinlich drei Phasen ausmachen. Und in jeder dieser Phasen finden wir Spuren des großen, übergroßen oder schlicht und ergreifend zu großen Nicolas Cage: Sei es in der oscarreifen Darbietung eines alkoholabhängigen Selbstmörders in Leaving Las Vegas, als Over the Top Actor, der die Mimikry eines anderen Over the Op Actors abliefert in Face/Off, oder sei es als bizarre Verkörperung männlicher Angstprojektion im Horror-Fiasko The Wicked Man. Cage ist immer und zu jedem Zeitpunkt Cage… und dazu gehört eine konstante Zerrissenheit. Aber um dann doch noch mal zu den drei Phasen zurückzukommen: Wir haben die erste Phase in den späten 80ern bis zu den mittleren 90er Jahren, in der er tatsächlich wie ein Revolutionär dramatischer Schauspielkunst wirkte, die zweite Phase, in der er zunehmend in schwachen B-Movies fürs Videothekenregal abgefuckte Action-Antihelden verkörperte (Späte 90er bis frühe 2010er), und jetzt haben wir wohl die mir liebste Phase, in der er frei nach dem Motto „Ist der Ruf erst ruiniert…“ agiert. Hier spielt er mal in billigem Action Trash, mal in faszinierenden Nischenfilmen aus der Midnight Cinema Ecke wie Mandy (2018). Es ist banal, Schauspielern scheint ihm einfach verflucht viel Spaß zu machen, unabhängig von der Qualität der Filme in denen er auftritt. Und so scheint der (immerhin fast 60jährige) Mann derzeit in der Höhe seiner Schöpfungskraft, mit bis zu sieben Filmen im Jahr. Und damit kämen wir dann auch zu Pig (2021), der nicht nur zu den guten Filmen der jüngsten Cage-Schaffensphase gehört, sondern schlicht und ergreifend einer der besten Filme des vergangenen Jahres ist und dazu noch eine leise (!) Dekonstruktion vieler Topoi, die trashigere Nicolas Cage Filme in der Regel so mit sich mitschleppen.

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The Unforgivable (2021) – Nora Fingscheidts Einstand hinter dem großen Teich

Es ist immer ein Grund zur Freude, wenn es deutschen Regisseur*Innen gelingt, international Fuß zu fassen, vor allem wenn diese in den heimischen Produktionen ihr Können unter Beweis gestellt haben. Mit Systemsprenger (2019) gelang Nora Fingscheidt vor zwei Jahren ein enorm großes, realistisches Drama, das hierzulande eine Menge Preise einheimsen konnte und auch als deutscher Vorschlag für den besten internationalen Film an die Academy herangetragen wurde. Leider schaffte er es dort nicht in die engere Auswahl. Trotzdem waren in Folge dessen sowohl der Film als auch seine Regisseurin im nicht deutschsprachigen Raum zumindest Cineasten ein Begriff. Öffneten in diesem Fall früher die traditionellen Hollywood-Filmstudios die Pforten, so sind es mittlerweile Netflix, Amazon und Konsorten, die einen genauen Blick für hoffnungsvolle Nachwuchstalente haben und diesen eine Chance auf dem internationalen Parkett geben. The Unforgivable (2021) war ursprünglich eine britische Miniserie aus dem Jahr 2009. Über einen Zeitraum von zehn Jahren und mehrere kleine Umwege gelangte sie schließlich in die Hand von Sandra Bullocks Produktionsfirma Fortis Films und zum Streaminggiganten Netflix. Und auf diesem Weg gelangte das Regiezepter in Fingscheidts Hände, die damit ihren englischsprachigen Einstand geben darf. Wie bereits gesagt, immer ein Grund zur Freude, aber auch zur Besorgnis; weil das internationale Filmbusiness, egal ob Kino oder Streaming, anderen Gesetzen gehorcht, als der deutsche Autorenfilm…

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Die besten Actionthriller der 70er Jahre

Es ist schon ein vermaledeites Ding mit diesen Genrehybriden. Ich habe nun wirklich mehr als genug über Thriller in den 70er Jahren geschrieben, habe Mysteriöses, Psychologisches, mit Suspense Vollgepacktes, Politisches und Kriminelles ausgelotet. Ich habe das alles hinter mir gelassen, mir Popcorn zurecht gelegt und mich darauf gefreut, mich einfach von ein paar sinnbefreiten Explosionen, wilden Verfolgungsjagden und spaßigen Kloppereien berieseln zu lassen. Und dann entpuppen sich bei der Erstsichtung und beim Rewatch gleich eine ganze Reihe vermeintlich unbedarfter Actioneers als astreine Thriller. Ja, der Actionthriller kommt (im wahrsten Sinne des Wortes) herbei gerast und platziert sich zwischen Spannungs- und Unterhaltungskino. Also dann, es hilft ja alles nichts. Bevor wir zu den reinrassigeren Actionfilmen kommen, schauen wir uns also erst einmal die an, die so viele Spannungsmomente besitzen, dass sie ebenso im Thriller beheimatet sein könnten. Und dennoch, im Gegensatz zu den zuletzt besprochenen Filmen dominiert bei all diesen nicht der Thrill sondern die Action. Im Visier des Falken und Duell zum Beispiel kommen zwar parabolisch, mysteriös daher, punkten aber vor allem als ausgedehnte Hetzjagden, bei denen der Kampf ums Überleben immer von einer Menge halsbrecherischer Action begleitet wird. Death Wish ist viel zu plump und eindimensional, um mit den großen Thriller der Dekade mitzuhalten. Dafür darf er als grimmiger, antiliberaler, amoralischer Selbstjustiz-Actioneer im konservativen Amerika der 70er Jahre faszinieren. Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 123 und Flucht von Alcatraz sind wohl die beiden Filme, denen das Genre-Crossover am besten gelingt. Und Assault – Anschlag bei Nacht schielt mit seiner dreckigen, düsteren Art immer auch ein wenig Richtung Exploitation. Also dann, wenn ihr demnächst Lust auf Kino aus den 70ern habt und euch nicht zwischen Thriller und Action entscheiden könnt, ist das hier die richtige Liste für euch.

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Die besten Mysteryfilme der 70er Jahre

Uff… immer wenn ich über Mysteryfilme schreibe, habe ich das Gefühl meine eigene kleine Genredefinition auf eine ganze Reihe von Filmen zu drücken, die dort eigentlich gar nicht dazu gehören. Zumindest wenn ich die englische Wikipedia zum Abgleich heranziehe, trifft das auch durch und durch zu: Dort wird nämlich alles in den Mysterybereich gepackt, was mit klassischen Detektivgeschichten und Murder Mystery Puzzles zu tun hat. Genau diese beiden Variationen habe ich ja bereits in vorangehenden Retrospektiven abgehandelt.

Also an dieser Stelle noch einmal kurz und knapp auf den Punkt gebracht, was für mich in den Mystery-Bereich fällt: Ich bin ein Jugendlicher der 90er Jahre und folgerichtig wurde das Mysterygenre für mich in einem bestimmten filmischen Kontext nahezu inflationär benutzt. Seine Kinder waren Akte X und The Outer Limits. Vielleicht auf Twin Peaks. Auf jeden Fall aber The Sixth Sense, Jacob’s Ladder oder auch Flatliners. Das waren die Filme und Serien denen das Label aufgedrückt wurde und denen ich dann schließlich auch das Label aufgedrückt habe und bis heute aufdrücke. Es handelt sich dabei um Filme, die nicht unheimlich und brutal genug sind, um in den Horrorbereich zu fallen. Filme die nicht märchenhaft, fantastisch genug sind, um Fantasy zu sein, aber eben auch nicht realistisch genug, um in der Thriller-Schublade zu landen. Nicht nur, dass ihnen für diese Kategorie die intensive Spannung fehlt, oft besitzen sie auch eine übernatürliche, spirituelle Komponente, die sie von deren Realismus entfernt. Eventuell angereichert mit Science Fiction Elementen, aber eben doch nicht technologisch, außerirdisch oder futuristisch genug, um diesem Genre zugeordnet zu werden. Für den Surrealismus sind sie in ihrer Handlung zu klar und bodenständig und für das Drama zu abgehoben und transzendental.

Puh… schaut man sich das an, klingt es fast so, als wäre Mystery ein Genre der Defizite. Eine kleine fantastische Resterampe für alles, was zwischen Realismus und Surrealismus, zwischen Crime und Fantasy, Science und Fiction keinen Platz findet. Mystische, mythologische und spirituelle Filme, die sich aber nie auf ein Glaubenssystem festlegen, sondern in Fragezeichen und Chiffren operieren und mit diesen sowohl sanft gruseln als auch verzaubern und das Publikum zum Miträtseln und Mitphilosophieren einladen. Genau auf dieser Resterampe bewegen sich die folgenden – herausragenden Filme: Picknick am Valentinstag und Die letzte Flut als Peter Weirs Auseinandersetzung mit dem Spirituellen in unserer Welt. Herz aus Glas als Werner Herzogs hypnotische Reise ins deutsche Herz der Finsternis. Walkabout als mythischer Trip in die australische Wildnis; Brewster McCloud und The Stepford Wives als satirisch groteske Spielwiesen des Genres; und Die unheimliche Begegnung der dritten Art als Alien-Geschichte, die fast komplett ohne Science Fiction Momentum auskommt. Meinetwegen ist mein Mysterybegriff der Begriff für eine Resterampe; aber eine, auf der es sich herrlich wühlen lässt.

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Die besten Heist-Filme der 70er Jahre

Da wären wir also… bei einem von zwei Nachschlägen für das Crime und Thrillergenre. Bei den folgenden beiden Bestenlisten sträubt sich in mir alles so ein wenig, von Thrillern zu reden, da die besten Filme daraus nicht so wirklich in die Thrillerschublade passen. Die deutsche Sprache böte als Oberkategorie „Krimi“ an (worin wiederum die meisten Thriller fallen dürften), aber das klingt so sehr nach Tatort, dass ich auch diesen Begriff so weit es geht vermeiden möchte. Anyway, Gott sei Dank müssen wir uns in beiden Fällen nicht um die Hauptkategorie kümmern und können stattdessen mit der Subkategorie operieren: Die heißt in diesem Fall Heist Movies. Also, was macht einen guten Heist Film aus? Wie der Name schon sagt – „Heist“ kommt aus dem amerikanischen Raum und lässt sich mit Raubüberfall übersetzen – stehen große Überfälle im Zentrum dieser Filme. „Heh!“ mag jetzt so mancher zurecht einwenden: „Geht es bei Hundstage nicht auch um einen Raubüberfall? Den hast du einfach zum generischen Thrillergenre gepackt! Und was ist mit The Getaway? Auch bei den Thrillern gelandet!“ Ja, dieser Einwand ist vollkommen berechtigt; und ich kann nur nochmal wiederholen: Fragt nicht zu sehr nach Konsistenz. Aber um trotzdem für die Aufnahme von jenem Film und das Übergehen von einem anderen Film zu argumentieren: Ein wirklich gelungener Heist Movie stellt vor allem die Vorbereitung und perfekte Ausführung des Verbrechens in den Mittelpunkt. Seine Kriminellen sind Künstler, Virtuosen, denen das Publikum bei ihrer amoralischen Arbeit gebannt zuschaut. Sie sind meistens Sympathieträger und oft genug wünschen wir uns, dass der ganze Plan aufgeht, unabhängig davon wie moralisch falsch er ist. Und als Sahne obendrauf bieten gute Heist-Movies im besten Fall auch noch ne Menge Humor, Augenzwinkern und kommen soweit es geht ohne Gewalt aus. Perfekte Musterbeispiele für diese Genrejuwelen sind Der Clou, Das große Dings bei Brinks oder Der Millionenraub. Das Heist-Movies aber auch etwas brutaler sein können beweisen die französischen Genre-Speerspitzen Der Coup sowie das düstere Gangsterepos Vier im roten Kreis. Und wenn das Genre einmal komplett auseinander genommen werden soll, ist The Silent Partner, der als spannender Bastard aus Thriller, Heist und zynischer Gesellschaftskritik ebenso bei den guten Hitchcock-Filmen stehen könnte…

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Die besten Politthriller der 70er Jahre

Okay… und schon sind wir zurück bei den Schubladen. Zumindest eine Subkategorie habe ich im Bezug auf das Thrillergenre noch gefunden. In der folgenden Retrospektive soll es um die politischen Thriller gehen, um die Filme, die neben ihrer spannenden Handlung oder durch ihre spannende Handlung eine politische Botschaft vermitteln. Filme, die nicht nur spannend sind sondern auch eine eindeutige ethische Haltung haben, die sich darin verstehen, Kritik an politischen Verhältnissen zu üben, Hintergründe politischer Ereignisse aufzudecken, dabei aber eben nicht einfach nur dokumentarisch vorgehen, sondern dennoch und gerade wegen ihrer Thematik verflucht spannend und mitreißend sind. Einen Vorgeschmack davon gab es schon in der Retrospektive der Hitchcock’schen Thriller mit Der Dialog, der sich allerdings abstrakt und universell gegen Überwachungswahn richtete. Deutlich konkreter wird ein Film wie Der unsichtbare Aufstand , der sich kritisch mit den Verhältnissen in autoritären südamerikanischen Staaten auseinandersetzt. Auch … und Gerechtigkeit für alle betrachtet ein ganzes System kritisch, und zwar das Justizsystem der USA, und packt seine Reflexion in eine spannende und dramatische Fabel. Noch konkreter sind die Filme, die sich auf historische Ereignisse berufen, sei es in parabolischer Form wie im Verschwörungsthrillerprototyp I wie Ikarus oder in exakt aufarbeitender Form wie im großartigen Watergate-Drama Die Unbestechlichen. Mut haben all diese Filme, sowohl gegenüber dem Publikum, das erfahrungsgemäß politischen Inhalten im Kino eher ablehnend gegenübersteht, als auch gegenüber jeder Form von staatlicher Autorität, der sie auf den Zahn fühlen, und hin und wieder auch ganz dreist ans Bein pinkeln.

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Die besten Thriller der 70er Jahre VIII

So ein paar Thriller habe ich noch. Und wenn ich mich zwischen all den Cops, Detektiven, Gangstern, Spionen und Psychos nicht verzählt habe, ist Retrospektive Nummer acht an der Reihe. Dieses Mal ohne Unterschublade aber dafür mit vielen Trademarks, denen wir bereits in anderen Thriller-Retrospektiven begegnet sind. Da wären zum Beispiel die klassischen Psychothriller-Tropes von gewalttätigen, in die Ecke gedrängten Menschen, wie wir ihnen bei Straw Dogs, Beim Sterben ist jeder der Erste und Badlands begegnen werden. Da wären mehrere Gangsterfilmmotive, ebenfalls erfüllt in Badlands, aber besonders präsent in The Getaway. Da wären Angst und Paranoia, sowohl im sehr persönlichen Das Mädchen am Ende der Straße, als auch im Politischen – mit dem Spionagethriller flirtenden – Marathon Mann. So oder so: Spannend sind all die genannten Filme, und dass sich keiner von ihnen eindeutig in eine Schublade stecken lässt, spricht eher für als gegen sie.

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Die besten Thriller der 70er Jahre für Hitchcock-Fans

Ja, ich weiß… so langsam wird es absurd mit den Subkategorien. Nennt es meinetwegen Schubladenwahn, aber so kommen wir dem Ziel nahe bei unseren Thrillerretrospektiven (fast) komplett ohne Nummerierung auszukommen. Also dann, ohne weitere große Rechtfertigung, die besten 70er Thriller für alle Liebhaber und Liebhaberinnen des Master of Suspense, Alfred Hitchcock. Dazu gehören natürlich logischerweise zwei herausragende Filme des Altmeisters, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Zum einen, Frenzy, eine sehr klassische Hitchcock-Mördergeschichte mit einem Protagonisten, der ohne eigene Schuld zum Gesuchten und Gejagten wird. Zum zweiten eine angenehm schwarzhumorige Mischung aus Noir Detektivgeschichte und Mysterythriller, Familiengrab, der möglicherweise zu den witzigsten Hitchcock-Filmen überhaupt gehört. Und dann gab es natürlich noch die großen Epigonen des großen britischen Regisseurs, allen voran Brian de Palma, der mit Schwarzer Engel wohl eine der dreistesten Vertigo-Kopien ever vorgelegt hat. Aber wenn die Originale rar sind, kann auch ein Plagiat äußerst glücklich machen. Anders verhält es sich mit dem Paranoiathriller Der Dialog, der aus traditionellen Hitchcockmotiven etwas völlig eigenständiges kreiert. Und wenn es noch ein bisschen mehr Paranoia sein darf, empfiehlt sich der düstere Politthriller Zeuge einer Verschwörung, der all jenen gefallen dürfte, die die klassischen Suspensethriller Hitchcocks schätzen, in denen Unschuldige von einem Ort zum anderen jagen und gejagt werden, während sie einem riesigen Komplott auf die Schliche kommen. Gemeinsamkeiten bei diesen Filmen zu finden, ist gar nicht so einfach; aber das fällt ja sogar bei Hitchcockfilmen selbst schwer. Also lassen wir noch einmal den Meister zu Wort kommen, der seine Prinzipien doch besser auf den Punkt bringen kann als jeder andere: „There is no terror in the bang, only in the anticipation of it.“ In diesem Sinne…

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Die besten Psychothriller der 70er Jahre

Vollkommen zurecht dürfte jetzt so mancher Leser, so manche Leserin anmerken, dass das Subgenre Psychothriller ein extrem schwammiges Subgenre ist. Immerhin verhandeln fast alle Thriller ohnehin Ticks und Neurosen, Menschen, die sich geistig am Limit bewegen und psychische Grenzen überschreiten. Seien es die wahnsinnigen Mörder im italienischen Giallo, die neurotischen Gestalten in Hitchcocks Dioramen oder die lebensmüden Killer und Verbrecher diverser Detektivgeschichten, Cop- und Gangsterthriller: Psychische Extreme finden sich im Genre überall. Und daher sei an dieser Stelle angemerkt, dass so mancher Film aus einer vorherigen oder kommenden Bestenliste gut und gerne auch hier stehen könnte. Der Unterschied besteht größtenteils im Fokus. Und dieser liegt bei all den gleich genannten Thrillern auf der Psyche der Protagonisten und Protagonistinnen. In Der Mieter erzählt Roman Polanski vom Abgleiten eines einfachen Menschen in den Wahnsinn, induziert von außen und innen, wobei die Grenzen zwischen beidem verschwimmen. In Images inspiziert Robert Altman eine Frau, die sich zwischen Gegenwart und Vergangenheit verliert, und in der Hitchcock-Hommage Die Schwestern des Bösen weiß die Protagonistin überhaupt nicht mehr, wer oder was sie ist. Magic – Eine unheimliche Liebesgeschichte treibt gar einen spielerischen Schabernack mit dem Geist des Protagonisten und wandelt dabei gerne auch auf ironischen Gruselpfaden. Etwas anders funktionieren Martin Scorseses Taxi Driver und der australische Genrebeitrag Ferien in der Hölle, in der die kaputten Seelen, die im Mittelpunkt stehen, Folgen und Ausdruck eines gesamtgesellschaftlichen Traumas sind. Egal wie oder warum, der menschliche Geist wird in allen kommenden Filmen auf eine harte Probe gestellt…

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Die besten Agentenfilme und Spionagethriller der 70er Jahre

Filme, die sich mit Geheimdiensten und dem Thema Spionage auseinandersetzen, sind immer mit einer Frage konfrontiert: Wie realistisch beziehungsweise wie unterhaltsam soll es denn sein? Das Spektrum ist groß: Auf der einen Seite haben wir die Filme der James Bond Reihe, die sich komplett vom realistischen Blick auf das Agentenleben entfernen und pure Actionflicks für ein sensationslustiges Publikum sind. Auf der anderen Seite haben wir Themen, die eine breite Öffentlichkeit interessieren: Gerade in den 1970er Jahren war der kalte Krieg noch voll im Gange, und neueste technische Entwicklungen sorgten für ein Klima der ständigen Angst und Paranoia zwischen den Blöcken. Einfache Menschen schienen immer wieder zwischen die Fronten dieses schwelenden Konflikts zu geraten, bestes Material also für paranoide, autoritätskritische Suspense-Thriller. Und dann gab es natürlich noch darüber hinausgehende Spionage-Thematiken, die mitunter losgelöst von der „großen“ globalen Politik scheinen: Vom Terrorismus über die Überwachung des einfachen Bürgers bis zu der allgemeinen Frage, wie viel sich ein Staat hinter den Kulissen der Macht erlauben darf, bevor Völker- und Menschenrechte brutal gebrochen werden. Die in dieser Liste vorkommenden Filme bewegen sich alle in diesem Spannungsfeld, tendieren allerdings zu mehr Düsternis, zu mehr Realismus und zu weniger Eskapismus (Ausnahme, die bereits im letzten Artikel gewürdigten James-Bond-Streifen). So haben wir es bei Der Brief an den Kreml mit einem komplexen, sehr traditionellen Spionageschinken von Altmeister John Huston zu tun, der eine Menge Zynismus im Gepäck hat. Scorpio erzählt auf der Oberfläche einer Spionagegeschichte eine Actionballade von einsamen, lebensmüden Killern, während Der Schakal mit einem fast schon dokumentarischen Habitus an das Thema Geheimdienstarbeit herangeht. Und die Genredekonstruktion Die drei Tage des Condor lenkt ihren Blickpunkt auf die einfachen Geheimdienstmitarbeiter, die weder Superhelden noch Superschurken sind, mitunter aber auch in den Mühlen von Misstrauen, Verrat und Gewalt verlorengehen können. Vielleicht waren die 70er Jahre das letzte große Jahrzehnt des Agentenfilms. Gerade im Bruch mit den romantischen, romantisierenden Tropes des Genres haben sie einige Meisterwerke für die Filmgeschichte hervorgebracht.

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Die besten Gangsterthriller und Mafiafilme der 70er Jahre

In dieser Retrospektive wollen wir uns dem organisierten (und auch weniger gut organisierten) Verbrechen widmen. Obwohl das Genre des Mafiafilms in den 1970er Jahren mit Francis Ford Coppolas Der Pate den Prototypen, den Klassiker, die Blaupause schlechthin vorzuweisen hat, sollte die Glanzzeit dieser Thrillervariation doch erst deutlich später kommen. Mit dem Original und seiner Fortsetzung Der Pate – Teil II ist zur Mafia zumindest in dieser Dekade alles gesagt, was gesagt werden musste. Daneben gibt es viele laue europäische Mafia-Actioneers, ein paar amerikanische Godfather-Klone… und das wars auch schon. Mehr Masse als Klasse. Spannender sind in den 70ern die Filme, die sich mit dem kriminellen Prekariat befassen. Mit Martin Scorseses Hexenkessel gibt es auch in diesem Subgenre ein wegweisendes Meisterwerk zu finden. Außerdem gibt es da noch den dritten großen Thriller-Regisseure dieser Ära: Sam Peckinpah. Dieser hat mit Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia einen der räudigsten Gangsterthriller des Jahrzehnts geschaffen, der vor allem retrospektiv schlicht als Meisterwerk des postmodernen Kriminalfilms gelten kann. Mit Get Carter darf auch ein britischer Knochenbrecher zwischen Noir und Revengethriller in dieser Bestenliste verewigt werden. Und um zumindest einen kleinen Blick über den Tellerrand des westlichen Kinos hinauszuwagen, muss der düstere Yakuzathriller Graveyard of Honor hier erwähnt werden. Nicht zuletzt auch, weil er noch einmal gut auf den Punkt bringt, wie dreckig, brutal und schwindelerregend Gangsterfilme in den 70er Jahren sein konnten.

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Die besten Detektivkrimis und Noir-Thriller der 70er Jahre

Nachdem wir uns in den letzten beiden Retrospektiven mit den offiziellen, staatlich legitimierten Ermittlern und Verbrechensbekämpfern im Kino der 70er Jahre auseinandergesetzt haben, kommen wir in dieser Bestenliste zu den Privatermittlern. Tatsächlich haben privat ermittelnde Detektive deutlich mehr Filmgeschichte auf dem Buckel als Polizisten, waren sie doch vor allem im Film Noir der 30er, 40er und 50er Jahre DIE beliebten Thriller- und Krimihelden schlechthin. Natürlich lässt sich zweifellos an dieser Stelle argumentieren, dass nicht jeder Detektivfilm automatisch ein Streifen der schwarzen Serie ist; und ebenso müssen Noir Thriller nicht grundsätzlich Detektivgeschichten sein. Beliebten Themen und Motiven des Noir-Films werden wir auch in Thrillern auf den kommenden Bestenlisten antreffen, und ich bin mir auch ziemlich sicher, dass sich der ein oder andere Ermittlerkrimi, der eigentlich hier stehen könnte, in eine andere Liste verirrt hat. In diesem Sinne, mit der Brüchigkeit und Unvollständigkeit, die eine Kategorisierung wie Film Noir mit sich bringt, folgen die besten Detektivkrimis und Noir-Thriller der 70er Jahre. In Der Tod kennt keine Wiederkehr zerstört Robert Altman den klassischsten aller Noir-Detektive Philip Marlowe, während Dick Richards ihm in Fahr zur Hölle, Liebling ordentlich Tribut zollt. The Late Show spinnt aus den schwarzen Zutaten einen überraschend vergnüglichen Seniorenkrimi und Die heiße Spur geht psychologisch äußerst feinfühlig dabei vor, das stereotype Bild des einsamen Wolfes als Ermittler neu zu justieren. Etwas klassischer, düsterer und zynischer kommt da schon Chinatown daher. Dieser radikalisiert aber mit Mitteln des New Hollywood die Konzepte der schwarzen Serie, dass er auch mehr als bitterer Abgesang denn traditioneller Krimi daherkommt. Bringen wir es auf den Punkt: Die besten Noir Filme der 70er Jahre haben das Genre destruiert, dekonstruiert und auf komplett neue Pfade gelenkt. Ohne Übertreibung kann die Dekade auch als die Geburtsstunde des Neo Noir bezeichnet werden, der in den darauffolgenden Jahrzehnten noch einige große Thriller zustande bringen sollte.

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Die besten Copthriller und Polizeifilme der 70er Jahre II

Dass die Masse an Polizeifilmen der 70er Jahre vor allem aus Europa, ganz konkret aus Italien, kommt, durften wir in der letzten Retrospektive über die Poliziottesco-Filme erfahren. Die Klasse indes ist dann doch auf der anderen Seite des atlantischen Ozeans anzutreffen. Dabei unterscheiden sich die meisten amerikanischen Copthriller gar nicht so sehr von ihren italienischen Konterparts. Auch hier finden wir die klassischen Tropes des Genres: Raubeinige Cops, die es mit den Regeln ihres Berufs nicht so genau nehmen, die einer scheinbaren Übermacht des organisierten Verbrechens gegenüberstehen, es aber schaffen, sich durch ihre konventionelle Art durchzubeißen. Auch hier hin und wieder die fragwürdige Moral, die dieses Narrativ mit sich bringt, auch hier die Glorifizierung von Gewalt und die Darstellung fragwürdiger Ermittlungsmethoden. Als Musterbeispiel gelten dabei ohne Frage Dirty Harry und die French Connection Filme. Aber es gibt auch im amerikanischen Kino reflektiertere und vor allem intelligentere Beiträge zu dem Sujet. So wird in dem bis zum heutigen Tag etwas verkannten Dirty Harry 2 Selbstjustiz von Polizeibeamten kritisch reflektiert. In French Connection II wird der Polizist durch eine erzwungene Abhängigkeit zu seinem eigenen, ärgsten Widersacher, und dem Biopic-Drama Serpico gelingt es sogar, Korruption und Verkommenheit im polizeilichen Alltag ohne aufgedrückte Action- oder Thrillmomente zu erzählen. Und wenn es dann doch zwischendurch einfach nur ruppig und rasant zugehen soll, kann man immer noch zum rohen Actioneer The Seven-Ups greifen, der, was raue und enervierende Action betrifft, den italienischen Genrekollegen in nichts nachsteht.

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First Love (2019) von Takashi Miike – Zwischen Yakuzathriller und tarantinoesker Actionkomödie

Die Filme von Takashi Miike sind immer ein Hit or Miss. Und das wird wohl auf immer so bleiben. Gut hundert Filme umfasst mittlerweile die Vita des anscheinend nie müde werdenden japanischen Regisseurs. Die meisten davon sind so spitz auf ein (asiatisches) Nischenpublikum zugeschnitten, dass sie in der westlichen Hemisphäre kaum wahrgenommen wurden und werden. Und obwohl Miike immer wieder zu seinen Liebelingsgenres, dem Samuraifilm und dem Yakuzathriller, zurückkehrt, so wildert er doch daneben in allen Genres, die ihm vor die Füße fallen: Horror, Fantasy, Musical, Experimentalfilm, Superheldenkomödie, Splatter… es scheint nichts zu geben, was vor den Händen des ebenso talentierten wie speziellen Regisseurs sicher ist. Umso erfreulicher, wenn dann doch hin und wieder ein Film von ihm das Licht der Welt erblickt, der auch unseren Sehgewohnheiten entgegenkommt und mehr traditioneller Filmkunst denn experimentellem Wahn entspricht. So ist es nun auch in seinem jüngsten Werk dem Yakuzathriller First Love (2019) der Fall. Aber gewöhnlich bedeutet in Miikes Œuvre immer noch alles andere als gewöhnlich. So lässt sich First Love zwar angenehm schauen und ist nicht all over the place, man sollte sich aber dennoch auf deutlich mehr als gewöhnliche Actionthriller-Kost einstellen.

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Die besten Giallo-Filme der 70er Jahre I

Wenn man von unheimlichen Genrekino der 70er Jahre sprechen will, muss man auch vom Giallo sprechen. Das bringt mich persönlich in eine äußerst unangenehme Lage. Die Traurige Wahrheit ist nämlich, dass ich alles andere als ein großer Fan des italienischen Thriller- und Horrorkinos der 70er Jahre bin. Mein Weg zum Giallo führte, wahrscheinlich ähnlich wie bei vielen anderen nach 1970 geborenen, über Dario Argentos Suspiria. Und dieser Film ist, man kann es nicht anders sagen, ein verfluchtes Meisterwerk des damaligen Horrorkinos. Umgehauen von diesem Hexenhorrortrip erfuhr ich, wahrscheinlich ähnlich wie viele andere vor mir, voller Begeisterung, dass es ein ganzes Genre für diese Art von Film gibt. Wahrscheinlich ähnlich wie viele andere vor mir habe ich mir dann den erstbesten Giallo-Film geschnappt, um wahrscheinlich ähnlich wie viele andere vor mir äußerst enttäuscht vor einem halbgaren Murder Mystery Thriller, irgendwo zwischen Edgar Wallace und Alfred Hitchcock für Arme zu sitzen. Ja, das Giallo-Genre ist breit und facettenreich, dominiert wird es aber ohne Frage von sehr klassischen Whodunnit-Thrillern, die sich primär durch ihren verstärkten Einsatz von Blut und grenzwertiger Exploitation von den Genregeschwistern abheben. So zum Beispiel Dario Argentos Prototyp des 70er Jahre Giallo Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe. Und sorry, so leid es mir tut, diese Art von Film langweilt mich einfach. Insofern ist diese Liste – und die Folgende – mit einem großen Disclaimer versehen: Ich bin kein Giallo-Fan! Wenn ich Giallo-Filme mag, dann, weil sie vom Genre abweichen, oder in dem Genre etwas neues versuchen, was die Tradition unterwandert. In der ersten Giallo-Liste sind dies neben dem bereits erwähnten Suspiria vor allem Profondo Rosso, der schräger und artifizieller daher kommt als die traditionellen Giallos, und The Child – Die Stadt wird zum Alptraum, der den entgegengesetzten Weg geht, und anstatt beim Horror bei einer introspektiven Tragödie ankommt.

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A Bigger Splash (2015) – Die Erotik und die dunklen Kehrseiten der Dekadenz

Kaum einem filmischen Genre wird derart viel Unrecht angetan wie dem Erotikfilm, sowohl von produktiver als auch von rezeptiver Seite. Auf rezeptiver Seite hätten wir zum einen das Publikum, für das Erotikfilme primär Nummernrevuen für die schnelle Befriedigung nachvollziehbarer Bedürfnisse darstellen, zum zweiten hätten wir da die Filmkritik, die verächtlich auf die vermeintlichen Pseudofilmchen schaut, die für nichts anderes als die Befriedigung eben jener Bedürfnisse da seien und darüber hinaus keinen besonderen Wert haben. Aber die Produktionsseite ist natürlich nicht unschuldig an dieser Wahrnehmung, wurden doch gerade in der Hochzeit des Erotikfilms von den 70ern bis in die 90er Jahre zahllose plumpe B-Movies gedreht, die in der Tat nichts anderes als die Aneinanderreihung von Nacktheiten und Sexszenen darstellten. Es geht auch anders: Erotikfilme können beides, sowohl erotische Ästhetik als auch Inhalte transportieren. Die Physische Lust in den Mittelpunkt rücken und dennoch eine Geschichte erzählen oder sogar über einen Subtext nachdenken. Nur sind sie eben leider rar, die guten, faszinierenden, mitreißenden erotischen Filmperlen. A Bigger Splash (2015) von Luca Guadagnino ist ein solch seltenes Schmuckstück. Ein Film über Genuss und Lust, über Erotik und Sex, aber auch ein Film über das Unheil, über die Abgründe, die hinter der Dekadenz lauern.

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Kopfschmerzen auf Zelluloid: Uncut Gems / Der schwarze Diamant (2019)

Es gibt Filme, die sind großartig inszeniert, großartig geschnitten, sie haben Tempo und der Regisseur erreicht genau das, was er erreichen will. Man kann sie für ihre Qualität respektieren, ihre Waghalsigkeit, ihren dramaturgischen Mut… und dennoch konstatieren, dass es eine einzige Qual ist, sie durchzustehen. Für viele Menschen sind das langsam erzählte, künstlerisch wertvolle und subjektiv unfassbar zähe Arthausfilme. Ich hatte damit nie ein Problem. Im Gegenteil, einen ruhig erzählten Film, der Längen aushält, kann ich genießen, gerade in der Langsamkeit (manche würden sagen Langatmigkeit) sehr viel Freude finden. Aber ich kann jeden verstehen, der keine Lust auf diese Art von Kino hat. Ich kann jeden verstehen, für den ein langsamer, zu langsamer Stil einfach nur ermüdend und quälend ist. Ich habe an dieser Stelle so weit ausgeholt, weil Uncut Gems / Der schwarze Diamant (2019) für mich genau in die Kategorie fällt: Ein Film, dessen Qualitäten ich erkenne und der dennoch eine einzige Qual für mich war, und zwar keine der guten Sorte. Und das liegt wahrscheinlich wiederum daran, weil er genau das Gegenteil von dem macht, was ich am Kino schätze: Er ist alles andere als langsam, alles andere als subtil. Er ist eine einzige laute, chaotische und hektische Irrfahrt, ein Test für die Nerven seines Publikums, und ich bin an diesem Test krachend gescheitert. Aber wie gesagt, ein schlechter Film ist dieses Thrillerdrama nicht, nur eben ein unerträglicher Film… zumindest für mich.

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Die besten TV-Serien der 80er Jahre II

TV-Serien der 80er, die Zweite. Dieses Mal mit dem Beweis, dass das Jahrzehnt durchaus auch das kann, was man allgemein nicht vermutet, was allgemein eher in der jüngeren TV/Streaming-Geschichte verortet wird: Packendes serielles Erzählen in den großen Genres Fantasy, Science Fiction und Thriller. Bei Tripods – Die dreibeinigen Herrscher offenbart sich dann allerdings auch, warum sich die 80er Jahre mit High Profile Erzählungen so schwer taten, wurde die Serie doch nach nur zwei Staffeln aus Budgetgründen abgebrochen. Die tschechische Kinder- und Jugendserie Die Besucher muss sich dagegen gar nicht erst der Budgetfrage stellen und beweist, dass auch mit wenigen Mitteln großes Science Fiction Fernsehen möglich ist. An der Krimifront beeindruckt In der Hitze der Nacht als ungewöhnlich vielschichtiges Krimidrama um den polizeilichen Alltag in Mississippi, und was serielles Erzählen eines Thrillerplots betrifft mach dem Kampf gegen die Mafia niemand so schnell etwas vor. Und um diese ganzen – etwas aus der Zeit gefallen, teilweise ihrer Zeit sogar voraus seienden – Serien etwas entgegenzusetzen, begegnen wir mit Alf einer durch und durch in den 80ern verhafteten Sitcom. Die leistet aber auch deutlich mehr als viele vergleichbare Serien der Ära.

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Zwischen Thriller und Drama: Galveston – Die Hölle ist ein Paradies (2018)

Südöstlich von der texanischen Hauptstadt Austin, am Golf von Mexiko, liegt das Strand- und Naherholungsgebiet Galveston. Im 19. Jahrhundert war die auf einer Insel liegende Stadt noch einer der wichtigsten ökonomischen Knotenpunkte des Bundesstaates, zeitweise sogar die größte Stadt in Texas. Spätestens durch die Öffnung der Schifffahrtswege nach Houston zu Beginn des 20. Jahrhunderts verlor Galveston jedoch seine wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung. Heutzutage sind sowohl Galveston County und Galveston City als auch Galveston Island primär als Naherholungsgebiete am Wasser für die Einwohner des südöstlichen Texas‘ von Bedeutung. Durch die Lage am Meer ist Galveston auch immer potentiell von Hurrikanen bedroht, der berüchtigtste schlug 1900 zu, der letzte große – Ike – 2008. Nicht nur deswegen liegen an diesem Ort Hölle und Paradies dicht beinander. Über ein Fünftel der Bevölkerung gilt als arm, bei den Kindern sind es sogar mehr als 30%. Galveston ist auch ein Ort der Gestrandeten, der Ausgestoßenen, manchmal auch der Geflohenen aus den großen Städten Houston, San Antonio und Austin. In ihrem Thrillerdrama Galveston – Die Hölle ist ein Paradies (2018) betrachtet Mélanie Laurent genau jene Geflohenen, die hoffen, in Galveston eine Art Paradies zu finden, die Hölle jedoch im Gepäck haben.

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Die besten Thriller der 80er Jahre V

Thriller der 80er Jahre, die Fünfte. Thriller der 80er Jahre die Letzte. Ausschussware soll hier trotzdem nicht präsentiert werden. Stattdessen ein enervierender Mix aus klassischem Actionthriller-Flick und raffinierten Tricksereien in F/X – Tödliche Tricks, eine vorzügliche Hitchcock-Verbeugung im Post-Suspense Streifen Frantic, asiatische Genre-Kunst im knallharten „A Better Tomorrow“ Quasi-Nachfolger City on Fire, ein elegantes Kammerspiel im französischen Thrillerdrama Das Verhör und den wundervollen Style over Substance Reißer von Brian de Palma Blow Out – Der Tod löscht alle Spuren.

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Die besten Thriller der 80er Jahre IV

80er Thriller-Retrospektive No. 4: Dieses Mal wird es elegant, es wird knisternd und es wird düster… richtig düster. Neben den ganzen, mitunter viel zu glatten Hollywood-Thrillern dieser Dekade, haben sich die 80er nämlich durchaus auch als Jahrzehnt des Independent-Thrillers hervorgetan. Und während die Traumfabrik, auch wenn es um Mord geht, ihre selbstzensierenden Standards hat, darf es im Indie-Bereich ruhig etwas abnormer und abartiger zugehen. So sorgten sowohl Blue Velvet als auch Henry – Portrait of a Serial Killer in ihrer Heimat für einige Kontroversen, letzterer wurde hierzulande sogar auf den Index gesetzt. Auch Hitcher, der Highway Killer hat eine bewegende BPjM-Geschichte, inklusive zahlloser Schnittvariationen hinter sich. Auf andere Weise aus dem Rahmen fallen der französische Genrebeitrag Diva, der seine klassische Krimi-Handlung mit zahllosen Zitaten, Referenzen und skurrilen Intermezzi aufsprengt, sowie Leben und Sterben in L.A., der den Kampf „gut gegen böse“ als Kampf „böse gegen böse“ inszeniert, dabei aber nie vergisst, spannendes Genrekino zu sein.

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Corona-Soforthilfe? – Der Schacht von Galder Gaztelu-Urrutia

Menschen brauchen in Krisenzeiten Kunst, die ihnen dabei hilft, die Dinge einzuordnen. Sie brauchen Kunst, um zu verstehen, warum die Gesellschaft, warum der Mensch in der Krise funktioniert, wie er funktioniert. Zumindest scheint dies eine einleuchtende Erklärung dafür zu sein, dass ausgerechnet eine spanische Dystopie – El Hoyo (2019) – derzeit so sehr im deutschen/europäischen Netflix trendet. Ohne Corona und all seine Folgen wäre der Schacht womöglich auf dem Streamingservice untergegangen, oder wäre zumindest dazu verdammt gewesen, in der Nische des SciFi-Symbolismus für Freunde von Cube zu verharren. So hat er es aber einmal auf die große Bühne geschafft und es wird fleißig über ihn geredet. Um das gleich vorweg zu nehmen: Um die Gesellschaft in Zeiten von Covid-19 zu verstehen, taugt dieses kleine abstrakte Thrillerdrama nicht. Aber er wirft Fragen auf. Und das sollte jedem Zuschauer auch bewusst sein: Fragen, keine Antworten. Sein Setup ist viel zu abstrakt und zugleich viel zu holistisch um als soziologischer Leitfaden durch das herrschende Chaos, beziehungsweise die herrschende Ordnung zu leiten. Seine Prämisse stürzt sich viel zu dezidiert eben gerade nicht auf die Krise sondern den Normalzustand, um die gesellschaftlichen Folgen von Corona begreifbar zu machen. Und seine Machart ist viel zu offen, viel zu ungestüm, um mehr zu liefern als Gedankensprünge. Aber in dem, was er ist, gelingt es ihm zeitlose Thesen zu entwerfen und diese in einem apltraumhaften Setting auszuloten.

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Die besten Thriller der 80er Jahre II

Es wird düster, es wird amerikanisch und es wird cool: Gleich drei Kultregisseuren begegnen wir in dieser 80er Thriller-Retrospektive: Auf der einen Seite Brian de Palma, der sich mit dem opulenten The Untouchables noch einmal aufbäumt, bevor in den 90ern und 00ern in der Mittelmäßigkeit verschwindet. Auf der anderen Seite die Newcomer, Michael Mann und die Coens: Der Action-Designer, der bereits mit seinem Debüt Der Einzelgänger erahnen lässt, dass er zu den Goldjungen des unabhängigen Genrekinos der Traumfabrik aufsteigen wird, und die beiden unkonventionellen Brüder, die bereits mit ihrem Debüt Blood Simple klarstellen, dass sie alles werden wollen… nur keine Goldjungen. Dazwischen tummeln sich der geschickt konstruierte Spionage- und Verschwörungsthriller No Way Out und der zynische französische Cop-Thriller Der Bulle von Paris. Let there be Crime.

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Die besten Thriller der 80er Jahre I

Die 80er Jahre als Thrillerjahrzehnt mit einem einfachen Claim zusammenzufassen ist in der Tat gar nicht so einfach. Im Grunde genommen lebt die Dekade vor allem von ihren Genrehybriden: Während das primär in den 70ern boomende Subgenre des Selbstjustiz- und Rachethrillers mit eher zwiespältigen Filmen langsam zu Grabe getragen wird, erleben vor allem die Actionthriller und Thrillercomedy-Mischungen eine wahre Blütezeit… leider oft in eher langweiligen 08/15-Stories vom Reißbrett. Ein ähnliches Schicksal erleiden auch die Politik- und Agententhriller der Epoche, die ein letztes Mal die Gelegenheit ergreifen auf den kalten Krieg zu rekurrieren und diesen – oft auch eher schlecht als recht – für konfuse Vexierspiele auszuschlachten. Dass es auch anders und vor allem besser geht, beweisen hingegen Filme, die ihrer Zeit schon ein Stück voraus sind, seien es die Thrillerdrama-Hybriden wie Mississippi Burning, Ein Mörderischer Sommer oder Der einzige Zeuge, die ebenso gut in den 90ern beheimatet sein könnten, sei es ein surrealer Urbanthriller wie Subway, dessen Ästhetik für die kommenden Jahrzehnte Maßstäbe setzt oder sei es ein düsterer Serienkiller-Film wie Blutmond, der bereits die Hochzeit dieser Genrevariation gekonnt und stimmungsvoll antizipiert. Also wo bleibt der Claim? Fassen wir es so zusammen: „Es gab viel. Es war nicht alles gut, es war nicht alles schlecht. Und die Ausbeute an Top-Filmen reicht immerhin für fünf Best-of-Artikel!“ Der erste folgt nach dem Klick.

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Die besten Filme 2016: Hell or High Water von David Mackenzie

Zu den etwas unscheinbareren – mit wenig Erfolgsaussichten auf Gewinn – bedachten Oscarnominierungen 2017 gehörte ohne Zweifel David Mackenzie Neo-Western Hell or High Water (2016). Wie zu erwarten war, gewann er nicht; immerhin war dies das Jahr von La La Land, der in den Hauptkategorien so richtig abräumen durfte… Oh wait! 2017 war ein besonderes Jahr für die Acadamey Awards. Es war nämlich auch das Jahr, in dem durch ein Missgeschick, beim besten Film ein falscher Gewinner – eben jenes im Vorhinein von vielen favorisiertes Musical – aufgerufen wurde und in dem letzten Endes der Gewinner doch das ebenso unscheinbare wie grandiose Drama Moonlight (2016) von Barry Jenkins war. Tatsächlich ist der Sieg des vermeintlichen Außenseiters in diesem Jahr nicht nur beachtenswert, weil er zeigt, dass die Academy durchaus für positive Überraschungen gut sein kann, sondern auch, weil er als direkter Konkurrent Hell or High Water fast so etwas wie dessen Seelenbruder und zugleich Nemesis ist. Beide Filme sind Auseinandersetzungen mit den oft mit Missachtung oder Ignoranz gestraften Rändern Amerikas, und zugleich spiegeln beide Filme sehr unterschiedliche Ränder der USA wider. Moonlight, als großes emotionales Manifest des schwarzen Amerikas, als Auseinandersetzung mit der urbanen Gangkultur, den sozialen Widrigkeiten der Großstadt und als poetisches Coming of Age Drama über Homosexualität. Hell or High Water als raubeiniger Blick auf die ländlich geprägten weißen Außenseiter West Texas‘, die ihre emotionalen Befindlichkeiten unter einem großen Berg an Wut begraben haben. Das eine, ein introspektives Gedicht, das andere ein knallharter Gossenroman. Dass Moonlight einer der besten Filme des Jahrzehnts ist, habe ich unlängst geschrieben, aber auch sein dreckiger Bruder wie Gegenspieler im Geiste ist mehr als einen Blick wert.

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Die besten Horrorfilme 2019: Midsommar – Wie viel Horror steckt in Ari Asters neuestem Geniestreich?

Wir leben in goldenen Zeiten für Horrorfilmliebhaber. Seit schon längerer Zeit kommen praktisch jedes Jahr mindestens ein oder zwei Filme heraus, die das Genre nicht einfach nur bedienen, sondern erweitern, ergänzen und seine Grenzen sprengen. Post-Horror ist in diesem Fall das Zauberwort. Und egal, ob man diesen Begriff für einen großen Spuk der Kritikerschar hält oder für eine legitime neue Subgenre-Schublade, man muss zweifellos anerkennen, dass der Horror der ungewöhnlichen Art gerade blüht und gedeiht. Eine der größten Hoffnungen dürfte dabei Ari Aster sein, wurde sein letztjähriger Genrebeitrag Hereditary (2018) nicht einfach nur gefeiert, sondern vom Feuilleton gleich zum besten Horrorfilm der Dekade gekürt. Und irgendwie ist es ja auch nachvollziehbar: Hereditary war eine verflucht mitreißende, verflucht angsteinflößende Mischung aus Familiendrama, Tragödie und brutalem Okkulthorror: Schmerzhaft, kompromisslos und der Beweis, dass Horror auch im 21. Jahrhundert noch verdammt gut zu erschrecken weiß. Entsprechend neugierig war die Zuschauerschaft auf Asters Nachfolgewerk, Midsommar (2019), genau ein Jahr nach Hereditary, ebenfalls im Horrorgenre beheimatet und ebenfalls mit dem Potential, Genregrenzen neu zu definieren. In der Tat weiß der Sektenthriller ebenfalls – nicht nur aber auch Freunde seiner Vorgängerin – zu überraschen; nur eben wiederum auf ganz andere Weise.

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Die besten Filme 2018 – Das koreanische Mysterydrama Burning

Die Menschen in der Kalahari-Wüste kennen zwei Arten von Hunger, erklärt die ebenso mysteriöse wie verführerische Haemi dem Protagonisten Jongsu, während die beiden sich langsam näher kommen: Den kleinen Hunger, der einfach nur den klassischen, physischen Hunger repräsentiert. Und den großen Hunger, der so etwas ist wie der Hunger nach Leben und Überleben, der Hunger nach den großen Fragen des Seins und der Existenz. Und dann schweigen die beiden wieder. Es gibt viele solcher Momente in Lee Chang-dongs neuestem Meisterwerk Burning (2018). Stop and Go Dialoge, die scheinbar ins Nichts führen, zugleich aber essentiell sind, um die Handlung, oder viel mehr die Motive dieses Mysterydramas zu entfalten. Und auch diese Entfaltung kommt oft ins Stolpern, kommt oft zu einem abrupten Stillstand, so dass der Zuschauer sich nie ganz sicher sein kann, welches Genre er bei diesem Film eigentlich vor sich hat. Burning mäandert lange zwischen den Welten, zwischen den Bildern und zwischen den Motiven. Und als Zuschauer fragt man sich dabei immer: Was ist dieser Film denn nun? Welche Geschichte will er mir erzählen?

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Kurzrezensionen: Dogtooth, Beautiful, Bedingungslos

Nachdem es in der letzten Kurzerezensionssammlung das volle Blockbuster-Programm mit Harry Potter, Super 8, und Planet der Affen Prevolution gab, verlassen wir dieses Mal die vorgewärmten Kinosessel und schauen uns im Videotheken-Regal in der Arthaus- und Independent-Film-Abteilung um. Ich weiß gar nicht, ob einer von den drei hier rezensierten Filmen eine Kinoauswertung hatte. Tendenziell wohl eher nicht. Auf jeden Fall liegen sie derzeit (relativ) frisch in der Videothek meines Vertrauens und bilden ein gutes Kontrastprogramm zu lauten, mainstreamigen Blockbuster-Orgien: Dogtooth eine verstörende, surreale Parabel in der Tradition des europäischen Autorenkinos, Beautiful ein düsterer Mysterythriller, der gerne das Blue Velvet des neuen Jahrtausends wäre, und Bedingungslos, in dem Ole Bornedahl (Nightwatch) mit perfider Montagetechnik den Zuschauer in einem alptraumhaften Sog gefangen nimmt. Was können die drei filmischen Ausreißer und lohnt sich für sie der Gang zur Videothek?

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Die besten Filmdramen der 90er Jahre VI

Einen haben wir noch… den Letzten, versprochen. Dieses Mal geht es vor allem tief hinein in die weniger hellen und geradezu dunklen Facetten der amerikanischen Gesellschaft. In Dead Man Walking wird mit den Konsequenzen der Todesstrafe gehardert. In The Hurricane und Die Verurteilten wird das Leben der amerikanischen Gefängnisse und der zu Unrecht Angeklagten mit ergreifendem Pathos dokumentiert. Um ganz konkrete Schuld dagegen geht es in dem bitteren und dunklen Copdrama Bad Lieutenant, ebenso wie im pessimistischen Nazidrama American History X. Und wer glaubt, nur die Amerikaner hätten einen an der Klatsche, darf sich in Lars von Triers Idioten eines Besseren belehren lassen.

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Die besten Filmdramen der 90er Jahre I

Wir nähern uns langsam dem Ende unserer 90er Film-Retrospektive und spitzen schon Bleistifte, tauchen Füller und massieren die Schläfen für den kommenden 80er Kanon-Rundumschlag. Aber ein paar 90er-Highlights habe ich noch und diese passen, wie schon die Dramen der 00er Jahre, mal mehr mal weniger zu allen Kategorien und im Grunde genommen zu keiner, außer der, in die sie nun gepackt werden. Dramen sind einerseits die Simpelkategorisierten, die Filme, die bei jeder Oscarverleihung die besten Chancen haben, die Filme, die man am Ende eben doch ganz banal Dramen nennt und ohne schlechtes Gewissen von jeder weiteren Klassifizierung erlöst. Ein bisschen traurig, ein bisschen optimistisch, mitunter tragisch, aber auch lebenslustig, versöhnlich, mitreißend, belastend, erlösend… je nach dem. Und wie schon in den 00er Jahren gibt es zu dieser Nullkategorie auch gleich einen ganzen Haufen von Artikeln. Im ersten verschlägt es uns ins triste Iowa, in Nervenheilanstalten, in unbekümmerte und bekümmerte Jugend, nach Osteuropa, in die französischen Banlieues und ohnehin überall dorthin, wo das Leben etwas Bewegendes zu erzählen hat…

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Die besten Gerichtsfilme und Justizthriller der 90er Jahre

Einen kleinen Thrillernachschlag haben wir noch…  auch wenn das meiste hier ein bisschen weiter geht. Gute Gerichtsfilme vermögen es nämlich weitaus mehr zu sein als übliche Crime-Kost. In der stickigen und klaustrophobischen Atmosphäre von Gerichtssälen können sich große menschliche Dramen abspielen, spannende Krimis und sogar – wie zumindest einer unserer Filme unter Beweis stellt – höchst amüsante Komödien. Das Gericht wird mit seinen eigenen Spielregeln und sozialen Schranken zum Schauplatz von Universellem, Speziellen, von Zwischenmenschlichem, von Würde, Kampf aber auch von Abgründen… Anyway, in all den hier genannten hervorragenden Filmen steht Justizia im Mittelpunkt, mal blind, mal sehend, mal abwägend, mal der Gerechtigkeit zum Sieg verhelfend. Großartige Kammerspiele unter den Händen des Gesetzes. Nach dem Klick…

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Kurzrezensionen: Tulpenfieber, Die Verführten

Es gibt Genrekategorien, die mir immer ein Rätsel sein werden. Eines davon ist das Genre des Kostümfilms. Das Problem dieser Schublade ist vor allem, dass sie durch einen anderen Begriff nicht nur besetzt sondern auch weitaus besser repräsentiert scheint, nämlich den des Historienfilms. Sobald ein Film in einem historischen Setting spielt, gibt es selbstverständlich einen Fokus auf Kostüme und Sets, die der Zeit entsprechen; egal ob es sich um das chinesische Kaiserreich oder die deutsche Gründerzeit handelt. Warum also eine Kategorisierung benutzen, die ihren Fokus einzig auf die Kostümierung setzt und alle anderen wichtigen Eigenschaften von Filmen mit historischem Stoff ignoriert? Vielleicht, weil es manche Filme selbst so machen… Folgt man Wikipedia, dann ist ein Kostümfilm ein Film, „der sich durch überdurchschnittlich hohe Produktionswerte bei Dekorationen, Bauten, Kostümen und Requisiten auszeichnet.“. Man darf hier gut und gerne das Wort „primär“ ergänzen und man kommt der Wahrheit und dem pejorativen Moment, das in dem Begriff Kostümfilm mitschwingt schon näher. Niemand würde auf die Idee kommen, Stanley Kubricks Spartacus (1960) als Kostümfilm zu bezeichnen, einfach weil seine Größe mit Sicherheit nicht durch die hübschen Kostüme definiert wird. Andererseits fühlt es sich komisch an, den Heimatfilm-Blockbuster Sissi (1955) als Historienfilm zu bezeichnen, weil er in jeder Sekunde wirkt, als wäre den Produzenten eine schöne Optik und eine romantisierende Atmosphäre wichtiger gewesen als das akkurate Porträt einer genau genommen ziemlich düsteren und grausamen Epoche. Besonders beim historischen Heimatfilm der 50er und 60er Jahre scheint die Kategorie Historienfilm so fehlangebracht wie die Kategorie Katastrophenfilm für für das Trashwerk Sharknado.

Aber wo ist die Grenze? Wann hört der Historienfilm oder das historisch verortete Drama auf und wann beginnt der Kostümfilm? Eine eigene Betrachtung wäre vielleicht sogar das sexistische Moment der Kategorie Kostümfilm wert. Es scheint der Fall zu sein, das tendenziell Filme mit weiblichem Lead Cast und „weiblichen Themen“ gerne als Kostümfilm kategorisiert werden, selbst wenn sie weitaus eher tiefgründiges Drama sind als ihre männlichen Gegenparts. So würden wohl nicht wenige Kinogänger das herausragende Drama Sinn und Sinnlichkeit (1995) als Kostümfilm bezeichnen, während der um einiges flachere Robin Hood (1991) weitaus bessere Chancen hat, entweder als Abenteuerfilm, Actionfilm oder gar Historienfilm kategorisiert zu werden. Diese – auf jeden Fall diskutable – Beobachtung wird auch bei den folgenden Rezensionen eine Rolle spielen. Denn bei beiden Filmen handelt es sich um historisch verortete Dramen, deren Fokus eindeutig auf Frauen liegt. Und im Gegensatz zum großartigen Lady MacBeth (2017) stehen auch durchaus eher die Schauwerte in ihrem Mittelpunkt. Um es sich darüber hinaus um sehenswerte Dramen/Historienfilme/Thriller oder ähnliche handelt, folgt nach dem Klick.

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Die besten Tragikomödien der 90er Jahre II

Weiter geht es mit dem lachenden und weinenden Auge sowie der Königin aller Genre-Mashups. In dieser Liste taucht gleich zweimal Jim Carrey auf; einmal als unfreiwillig Gefangener in einer dystopischen, gigantischen Reality TV Serie, einmal als Comedylegende Andy Kaufman. Darüber hinaus ein Beitrag zum American Dream der 90er Jahre, der sich nie so ganz zwischen Zynismus und Melancholie entscheiden kann, ein Wes-Anderson-Klassiker und ein gehässiger Brite, der nicht nur Tragikomödie, sondern auch Groteske, Thriller und noch vieles mehr ist.

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Die besten Filme 2016: Nocturnal Animals

Okay, gleich mal eine Art Offenlegung: Ich musste Tom Ford googlen. Bei Nocturnal Animals (2016) handelt es sich zwar um den erst zweiten Film des Regisseurs nach A single man (2009), außerhalb des Kinouniversums ist er allerdings alles andere als unbekannt. Tom Ford ist Modedesigner, und allem Anschein nach ein verdammt erfolgreicher Modedesigner: Chefdesigner bei Gucci, Privatperson mit dem größten Gucci-Aktienanteil, Prêt-à-porter-Designer bei SYL und schließlich – nachdem er Gucci 2004 verlassen hatte – Gründer seines eigenen Modelabels, dass er ganz bescheiden Tom Ford International, LLC nennt. Der Mann hat offensichtlich ein Gespür für Mode und Modevermarktung und das sieht man auch seiner Verfilmung des Romans Tony & Susan (1993) an. Bleibt die Frage, ob der Film mehr zu bieten hat als die Schauwerte eines Fashion-Experten.

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Rezension zu True Story (2015)

Die literarische Reportage ist Fluch und Segen des Journalismus unserer Zeit: Gelingt sie, ist sie eine großartige Verbindung von Faktenbasiertem, Dokumentarischen auf der einen und großem, emotionalen Storytelling auf der anderen Seite, misslingt sie, wird sie zum puren Erzählkitsch ohne Bezug zum journalistischen Auftrag. Und dann gibt es natürlich noch die dritte Ebene, in der die literarische Reportage nicht einfach misslingt, sondern gezielt als Betrug am Leser eingesetzt wird. So auch im Falle Michael Finkel, der 2002 seinen Job bei der New York Times wegen einer teilweise erdichteten Geschichte über Sklaverei im heutigen Afrika verlor. Die Geschichte geht aber noch ein bisschen weiter und rund um Finkel entwickelte sich eines der spannendsten Krimidramen des US New Journalism seit Truman Capotes Recherchen zu Kaltblütig (1965). Der Film True Story (2015) von Rupert Goold, der auf Finkels aus dieser Geschichte entstandenem Roman basiert, versucht die damaligen Ereignisse nachzuzeichnen.

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Why House of Cards sucks… a little bit

Serien-Sucker Artikel Nummer 4. Nach The Walking Dead, American Horror Story und Game of Thrones muss dieses Mal das politische Treiben von Frank Underwood dran glauben. Warum? Weil es wahrscheinlich noch einige Zeit dauern wird, bis ich mich von meinem persönlichen Breaking Bad Hype erholt habe. Bis dahin wird jede aktuelle und kommende große Big Budget AAA TV-Serie erst einmal mit Argusaugen betrachtet, unabhängig davon, wie gut sie ist. Auch House of Cards hat mich in seinen ersten beiden Staffeln prächtig unterhalten. Auch House of Cards habe ich regelrecht weggesuchtet (so wie man es heutzutage halt bei guten Serien macht). Ändert nichts daran, dass sich in dem Netflix-Exklusivprodukt eine Menge kleiner und größerer Schwächen finden lassen, dass es immer wieder Momente gibt, in denen man sich einfach nur fragen kann „Warum?“. Jepp, House of Cards, der erste wirklich überzeugende Politthriller seit Jahren, rockt… gewaltig. Die Serie nervt aber auch ein bisschen. Und die Gründe dafür folgen auf den Fuß. Why House of Cards sucks. Nitpicking auf 3… 2…. 1….

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Breaking Bad S05e16: Felina – The Final Catharsis

Also dann… ich schulde – wie mir jetzt schon mehrfach zugetragen wurde – der Welt noch ein Recap der letzten Breaking Bad Episode. Und um das dann gleich vorweg zu schicken: Ja, sorry, ich habe mich echt so lange um diese Review gedrückt, da kann ich auch gleich zu Beginn des Textes den Grund dafür nennen: Die letzte Episode von Breaking Bad hat mich partiell durchaus unterwältigt. Bevor ich hier missverstanden werde: Ich halte auch Felina für ein großartiges Stück Fernsehen, für 60 Minuten, nach denen sich so ziemlich jede andere Serie die Finger lecken würde. Es war noch einmal alles drin, wofür ich Breaking Bad in den letzten Jahren so geliebt habe: Die Spannung, der schwarze Humor, das große Drama… aber etwas Entscheidendes hat dann doch gefehlt, weswegen ich das Finale „nur“ als „sehr gut“ bewerten kann: Die Düsternis, die Abgefucktheit, die so viele Episoden zuvor ausgezeichnet hat; dieses Gefühl: „Oh mein Gott, jetzt kann es echt nicht mehr böser kommen!“ und gleich daran anschließend die bittere Erkenntnis: „Oh fuck, es geht also doch noch böser!“ Mit seinem versöhnlichen und durch und durch befriedigenden Ende liefert Felina einen starken, routinierten Abschluss der Serie und schert damit zugleich, zumindest teilweise, aus der bisherigen Dramaturgie und Narration der Serie aus. Breaking Bad ist damit sauber und rund zu Ende geführt, die wahre Größe der Serie indes findet man eher in anderen Episoden.

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Breaking Bad S05e15: Granite State – The End is pending

Wenn es etwas gibt, was Breaking Bad spätestens seit Staffel 2 praktisch bis zur Perfektion beherrscht, dann ist es das Pacing; nicht nur der einzelnen Episoden sondern auch über ganze Staffeln und sogar den gesamten Serienverlauf hinweg. Es ist immer wieder erstaunlich wie gekonnt Gilligans Team mit der Dynamik seiner eigenen Dramaturgie spielt: Stop an go, Geschwindigkeitsrausch, ein komplettes sich Fallen Lassen in den narrativen Fluss… und dann wiederum eine radikale Entschleunigung, die nicht nur dazu dient, den Zuschauer durchatmen zu lassen, sondern auch gleich einen großen Reflexionsspielraum für das vorherige Geschehen eröffnet. Entschleunigung ist dann auch das Label, mit dem man am besten die 15. Episode der 5. Staffel beschreiben kann: Wer glaubt in der vorletzten Episode der Serie stünden jetzt alle Ampeln auf grün, sieht sich getäuscht: Anstatt den leichten Weg zu gehen und uns ein „six months later“ zu präsentieren, steigt „Granite State“ unmittelbar nach den tragischen Geschehnissen der letzten Folge ein, zieht die Konsequenzen von diesen dabei genüsslich in die Länge und findet trotz entschleunigter Erzählung nicht nur zu einer spannenden Dynamik sondern darf am Ende, quasi als Vorbote des Finales, auch noch einmal richtig episch und pathetisch werden. The End is pending… zumindest für eine knappe Stunde.

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Breaking Bad s05e14: Ozymandias – Die große Tragödie

Eine Schockstarre scheint sich über die Breaking Bad Fans gelegt zu haben… Im Gegensatz zu den Vorwochen lassen Recaps und Rezensionen auf sich warten, einzeln angesprochen, enthuscht den Fans und Enthusiasten meistens nur ein „krass“ oder „heftig“ … und ich selbst weiß auch gar nicht, wo ich jetzt ansetzen soll, um meine Gedanken zur Folge s05e14 niederzuschreiben. Verwunderlich, haben wir es doch mit der Episode Ozymandias mit der vermutlich besten Episode der fünften Staffel zu tun. Wenig verwunderlich, handelt es sich bei dieser jedoch auch um die extremste Episode der fünften Staffel. Habe ich letzte Woche noch den Genrespagat abgefeiert, der Breaking Bad wieder einmal fulminant gelungen war, so lässt sich nach der jüngsten Entwicklung nur konstatieren: Die Tragödie hat zurückgeschlagen. Bösartiger, düsterer und dramatischer als jemals zuvor. Gleichzeitig hat mit Ozymandias eine Entwicklung auch ihren Endpunkt erreicht. Das „höher, schneller, weiter“ Prinzip Heisenbergs wurde bereits zu Beginn der zweiten Staffel abgebremst – nicht nur, da der Protagonist sich aus dem Geschäft zurückgezogen hat, sondern auch weil er durch seinen Nemesis Hank enttarnt wurde. Nun hat diese Abbremsung zum endgültigen Stop geführt. In der Folge bleibt Walt nur noch übrig die Scherben zusammenzukehren.

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