Die besten Thriller der 80er Jahre I
Die 80er Jahre als Thrillerjahrzehnt mit einem einfachen Claim zusammenzufassen ist in der Tat gar nicht so einfach. Im Grunde genommen lebt die Dekade vor allem von ihren Genrehybriden: Während das primär in den 70ern boomende Subgenre des Selbstjustiz- und Rachethrillers mit eher zwiespältigen Filmen langsam zu Grabe getragen wird, erleben vor allem die Actionthriller und Thrillercomedy-Mischungen eine wahre Blütezeit… leider oft in eher langweiligen 08/15-Stories vom Reißbrett. Ein ähnliches Schicksal erleiden auch die Politik- und Agententhriller der Epoche, die ein letztes Mal die Gelegenheit ergreifen auf den kalten Krieg zu rekurrieren und diesen – oft auch eher schlecht als recht – für konfuse Vexierspiele auszuschlachten. Dass es auch anders und vor allem besser geht, beweisen hingegen Filme, die ihrer Zeit schon ein Stück voraus sind, seien es die Thrillerdrama-Hybriden wie Mississippi Burning, Ein Mörderischer Sommer oder Der einzige Zeuge, die ebenso gut in den 90ern beheimatet sein könnten, sei es ein surrealer Urbanthriller wie Subway, dessen Ästhetik für die kommenden Jahrzehnte Maßstäbe setzt oder sei es ein düsterer Serienkiller-Film wie Blutmond, der bereits die Hochzeit dieser Genrevariation gekonnt und stimmungsvoll antizipiert. Also wo bleibt der Claim? Fassen wir es so zusammen: „Es gab viel. Es war nicht alles gut, es war nicht alles schlecht. Und die Ausbeute an Top-Filmen reicht immerhin für fünf Best-of-Artikel!“ Der erste folgt nach dem Klick.
Ein mörderischer Sommer [Jean Becker]
(Frankreich 1983)
Ein mörderischer Sommer handelt von einer mysteriösen jungen Frau, einer Familiengeschichte mit gleich mehreren dunklen Geheimnissen, der Suche nach der Vergangenheit, vor allem aber auch von der Suche nach Rache im schwülen Ambiente der französischen Provence. Eine Disposition, die allzu leicht für einen platten Revenge Thriller herhalten könnte, wird in den Händen von Jean Becker zu einem mitreißenden Thrillerdrama zwischen psychologischer Studie, tragikomischer und erotischer Chiffre und mörderischem Vexierspiel, das in einer herausragenden narrativen Struktur peu à peu seine Geheimnisse offenbart. Isabelle Adjani liefert als undurchschaubarer Racheengel die Rolle ihres Lebens und während die Geschichte zwischen Gegenwart und Vergangenheit mehr und mehr Richtung Wahnsinn abgleitet, kann man als Zuschauer gar nicht anders als ehrfurchtsvoll dazusitzen und das herausragende Arrangement dieses komplexen Genrehybriden zu bestaunen.
Mississippi Burning [Alan Parker]
(USA 1988)
…Die Wurzel des Hasses. Der in den 60er Jahren angesiedelte und auf wahren Begebenheiten basierende US-Südstaaten-Thriller oszilliert auf grandiose Weise zwischen spannender Crime-Fiction, politischem Bürgerrechtsdrama und fast schon dokumentarischer Auseinandersetzung mit dunklen Kapiteln der amerikanischen Geschichte. Und doch wird er vor allem getragen vom grandiosen Duell und Zusammenspiel zwischen Willem Dafoe als verantwortungsbewusstem FBI-Agent auf der einen und Gene Hackmann als raubeinigem Grenzüberschreiter auf der anderen Seite. Diese beiden ermitteln und kämpfen sich durch ein Milieu, das von Hass, Angst, Misstrauen und Intoleranz geprägt ist. Dabei funktioniert Mississippi Burning hervorragend auch abseits der moralischen Komponente als sau spannender Thriller, wird von dieser jedoch hervorragend mit Brisanz und Notwendigkeit geadelt.
Subway [Luc Besson]
(Frankreich 1985)
Am anderen Ende des Genre-Spektrums bewegt sich der surreal angehauchte, ästhetizistische, vor allem aber auch höchst artifizielle Untergrund-Thriller Subway vom Kultregisseur Luc Besson. Im abstrusen Setting der Pariser Métro trifft ein postmoderner Punk auf zwielichtige Kriminelle und abstruse „Typen“ und erlebt so Momente zwischen spannender High-End Thrillerunterhaltung, komischer Absurdität und poetischer Schlagkraft, die weit über einen simplen Genrebeitrag hinausgeht. Subway ist ein außergewöhnliches Spiel mit den Topoi und Klischees des Genres, springt einmal mit der Nouvelle Vague im Kreis, tritt dem Film Noir die Füße weg und suhlt sich mit apokalyptischer Post-Punk-Crime im Schmutz des niedergehenden und neugeborenen Thrillerkinos.
Der einzige Zeuge [Peter Weir]
(USA 1985)
Weitaus konservativer und traditioneller kommt da schon das Krimidrama „Der einzige Zeuge“ von Peter Weir aus dem gleichen Jahr daher. Traditionell ist hier aber keinesfalls gleichzusetzen mit bieder oder langweilig. In der Auseinandersetzung mit dem Leben und der Kultur der Amish-People bringt Witness (so der Originaltitel) so etwas wie Menschlichkeit zurück in ein Genre das insbesondere in den 70ern und 80ern oft kalt und herzlos daherkam. Hinter der klassischen Thrillerhandlung verbirgt sich in der Tat eine sensible Auseinandersetzung mit menschlichen Gewohnheiten und dem Aufbrechen derselben.
Blutmond / Manhunter – Roter Drache [Michael Mann]
(USA 1986)
Ohne Frage waren die 90er Jahre DAS Jahrzehnt der Serienkiller-Filme. Den Grundstein legte aber ein anderer, und es ist durchaus als Schande zu bezeichnen, dass die 80er Jahre Interpretation des roten Drachen und des berühmten Psychopathen Hannibal Lecter so lange in der Rezeption hinter den 90er Varianten mit Anthony Hopkins zurückstehen musste. Gott sei Dank hat sich dies mittlerweile zumindest partiell geändert und so darf sich Manns Meisterwerk gleichberechtigt neben dem – in der Tat herausragenden – Das Schweigen der Lämmer einreihen. Was man diesem Film immer, immer, immer zu gute halten sollte: Mit seinem erbarmungslosen, kalten Blick auf die menschliche Psyche, mit seiner Auseinandersetzung mit humanen Abgründen und mit seiner Philosophisierung des Mord-Sujets ist er der Antizipator des postmodernen Killer-Kinos… ein Film, der die dunkle Mörder-Seele bereits erforschte, als Sieben, Saw und Konsorten noch in die Windeln machten.
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Erstveröffentlichung: 2015