Die besten Filme 2018/2019: Destroyer – Nicole Kidman als Badass-Cop

Nicole Kidman gehört nicht unbedingt zu den Schauspielerinnen, denen man eine abgefuckte Rolle zutrauen würde. Dass sie eine großartige Charakterdarstellerin ist, die auch ihre gesamte Physiognomie für eine Rolle radikal ändern kann, hat sie zwar als Virginia Woolf in The Hours (2002) bewiesen, und auch ihre düsteren Seiten durfte sie schon in Filmen wie Stoker (2013) oder The Killing of a secret deer (2017) demonstrieren, aber auch in ihren abgründigsten Rollen bewahrte sie doch immer eine elegante Präsenz, eine würdevolle Erscheinung, die sie es ihr nie erlaubten, komplett heruntergekommen zu wirken. Sie war nie eine Schauspielerin für die richtig dreckigen, kaputten Rollen, dafür war sie eben doch zu erhaben, zu majestätisch und schlicht zu schön. Ihre Darbietung im zum Jahreswechsel 2019 in den USA etwas untergegangenen Destroyer (2018) von Karyn Kusama gehört damit definitiv zu den größten Überraschungen des vergangenen Kinojahres. Nicht nur, dass Nicole Kidman hier gekonnt gegen ihr Image anspielt, ihr gelingt es mit der von ihr verkörperten Erin eine Frauenfigur auf der Leinwand lebendig werden zu lassen, wie sie auch zum Ende der Dekade alles andere als selbstverständlich ist.

Diese Erin ist ein abgefuckter Cop, wie er im Buche steht. So abgefuckt, wie man es sonst nur von männlichen Protagonisten kennt, und selbst die gehen meistens nicht die hier absolvierte Extrameile. Vor über 15 Jahren ist etwas bei einer von ihr geführten verdeckten Ermittlung schief gegangen und seitdem hadert sie mit ihrem Job und ihrem gesamten Leben. Sie arbeitet zwar immer noch als Ermittlerin in Los Angeles, wird aber von ihrem Vorgesetzten geschnitten und von ihren Kollegen verachtet. Unmengen an Alkohol und unbändiger Zorn halten sie am Leben. Die Beziehung zu ihrer Tochter ist zerrüttet und sie scheint sich weder um einen polizeilichen Ehrenkodex noch jedwede andere Moral Gedanken zu machen. Als der geheimnisvolle Verbrecher Silas (Toby Kebbell), der bei dem damals schief gelaufenen Einsatz eine wesentliche Rolle spielte, plötzlich wieder auf der Bildfläche auftaucht, ist Erin nicht nur gezwungen, gegen ihn zu ermitteln, sie muss sich auch ihrer eigenen Schuld und den Dämonen der Vergangenheit stellen.

Und das resultiert dann erst einmal in einen im Grunde genommen ziemlich soliden Polizei- und Ermittlungsthriller, der relativ straight forward erzählt wird. Tatsächlich kann die Ermittlungsarbeit, der die Filmhandlung folgt, selbst mit viel Good Will nur als oberflächlich bezeichnet werden. Finde Person A, erfahre von ihr, wo sich Person B befindet, erhalte von dieser Informationen zu Person C und arbeite dich so weiter im Kaninchenbau vor. That’s it. Als Ermittlungskrimi hat Destroyer nicht sonderlich viel zu bieten. Spannender ist da schon die behutsame Entblätterung der Vergangenheit mit der Erins Suche nach dem Phantom Silas begleitet wird. Destroyer lässt sich sehr viel Zeit, zu erzählen, warum die Polizistin so geworden ist, wie sie ist, und in ein zwei entscheidenden Momenten gelingt es ihm gar, sein Publikum für kurze Zeit damit an der Nase herumzuführen. Aber auch im soliden Mysterytrip in Erins Vergangenheit liegt nicht seine eigentliche Stärke dieses Thrillers. Die ist voll uns ganz dieser großartigen Antiheldin geschuldet. Und selbst wenn seine Story recht dünn ist, und seine Taschenspielertricks auch nur für ein anerkennendes „Oho“ reichen, so genügt in diesem Fall vollkommen Kidmans herausragendes Spiel in Verbindung mit der räudigen Atmosphäre, um dem Film locker über die Ziellinie zu tragen.

Nicole Kidman verkörpert die ganz und gar im Zentrum des Films stehende Erin mit genau der richtigen Mischung aus Lässigkeit und Verzweiflung, aus Heruntergekommenheit und Bad Ass Attitüde. Tatsächlich war ein derartig raubeiniger Antiheld – egal ob männlich oder weiblich – schon lange nicht mehr auf der Leinwand zu sehen. Fast schon stereotyp 70er Jahre maskulin wirkt Erin in so manchen Momenten: Wenn sie ihre Fäuste sprechen lässt oder selbst brutal einsteckt, nur um kurz darauf mit blutender Nase und wild entschlossenem Blick weiterzukämpfen. Dabei ist sie jedoch nie eine unrealistische Actionheldin, sie ist einfach ein Cop, der seine aktuelle Aufgabe verdammt ernst nimmt. Und wenn dabei Regeln und Knochen gebrochen werden müssen, wenn man dabei selbst das ein oder andere abbekommt, gehört das einfach dazu. Destroyer wird getragen von einem grimmigen Halbrealismus, wie man ihn aus Copfilmklassikern wie Dirty Harry (1971) oder Peur sur la ville (1975) kennt. Und ja, dass hier eine Frau die Drecksarbeit übernimmt, die in früheren Zeiten Clint Eastwood oder Charles Bronson vorbehalten war, fällt einfach stark ins Auge. Mit seiner von klassischen Antihelden-Ingredienzen durchtränkten Figur hält Destroyer sowohl seinem Genre als auch seinem Publikum höhnisch lachend einen Spiegel vor, werden diese doch damit konfrontiert, dass es selbst 2019 alles andere als selbstverständlich scheint, eine Frau in einer derart versifften Antirolle zu sehen.

Richtig spannend wird diese dann vor allem dadurch, dass diese radikal stereotyp maskuline Antiheldendarstellung in wenigen aber zentralen Momenten aufgebrochen wird durch dezidiert weibliche Erzähltopoi: Der Kampf Erins um ihre auf die schiefe Bahn geratende Tochter Shelby (überzeugend gespielt von Jade Pettyjohn), die ambivalente Romanze mit ihrem früheren Partner Chris (Sebastian Stan), und nicht zuletzt auch die Konfrontation Erins mit einer sexualisierten Rollenzuschreibung. In diesen Momenten zeigt Destroyer, dass er seine Hausaufgaben gemacht hat, nicht nur Rollenklischees banal umdreht sondern hart zu brechen weiß. Dabei gelingt es ihm scheinbare Dichotomien aufzulösen, feminine und maskuline Muster zu einer Charakterzeichnung zu verweben, die so im Actionthrillergenre noch nicht zu sehen war. Letzten Endes ist Destroyer das herausragende Porträt eines spannenden Charakters, bei dem eben nicht nur ein bloßer Genderswap betrieben wird, überzeugend in Szene gesetzt und herausragend gespielt von Nicole Kidman. Die Ermittlungsgeschichte und das generelle Setup mögen nur Durchschnitt sein, in diesem Fall reicht aber die Figur der Erin vollkommen, um Destroyer zu einem der sehenswertesten Thriller des Jahres zu machen.

Ähnliche Artikel