Der Super Mario Bros. Film – Die perfekte Videospielverfilmung

Oh, ihr leidgeplagten Videospiel-Enthusiasten da draußen, ich verstehe euren Schmerz. Ich verstehe euer Leid. Und ich leide mit. Da liegen sie vor uns, seit einem halben Jahrhundert. Großartige, fantastische Videospiellandschaften, völlig neue Welten, völlig neue Ideen und Konzepte der Interaktion von Mensch und Medium. Weltraumschlachten gegen fiese Space Invaders, Metroid-Kreaturen und die Flood aus Halo. Abenteuer im Dschungel mit Pitfall Harry, Lara Croft und Nathan Drake. Fantastische Kämpfe gegen das Böse mit Link, Cloud und Kratos. Und absurde, bunte Hindernisläufe mit Mario, Sonic und Crash Bandicoot. So viel Potential für crossmediale Erlebnisse, so viele Möglichkeiten für Filme, Serien und Comicreihen! Und was kriegen wir ständig vor den Latz geknallt? Schrott! Man kann es nicht anders sagen: Die Welt der Videospielverfilmungen ist ein Moloch. Da ist man schon dankbar für einen durchschnittliche Tomb Raider Actioneer, für ein zumindest trashig spaßiges Resident Evil, denn man weiß einfach wie die breite Masse zu diesen Alternativen aussieht: Grausame Uwe Boll Schundware, sterbenslangweilige Street Fighter Adaptionen und alberne Kinderfilme mit wütenden Vögeln. Nein, jeder weiß, dass Videospielverfilmungen ein Garant für Mist sind. Umso überraschender, dass die letzten zwölf Monate sich mit großem Erfolg an zwei wahren Schwergewichten probiert haben. Mit The Last of us eine hochgelobte Serie zu dem wohl beeindruckendsten cinematischen Spiel der letzten Jahre, und mit Der Super Mario Bros. Film (2023) tatsächlich eine filmische Verarbeitung der berühmtesten Videospielikone überhaupt, dem beliebten Klempner aus Brooklyn, der mit Latzhose und Pilzen seit den 80er Jahren das Genre des Jump N Runs dominiert. Also dann, das Leid hat ein Ende, das glorreiche Zeitalter der Videospielverfilmungen ist eingeleitet!

Mario (im Original gesprochen von Chris Pratt) und sein Bruder Luigi versuchen in Brooklyn ihren eigenen Klempnerladen aufzubauen. Da der Erfolg noch etwas auf sich warten lässt, lassen die beiden nichts unversucht, um ein wenig Publicity zu erzeugen. Eine perfekte Gelegenheit dafür scheint eine mittelgroße Überschwemmung des Bezirks nach einem städtischen Rohrbruch zu sein. Und so wagen sich die beiden Latzhosen in die New Yorker Kanalisation, wo sie allerdings nicht nur das gebrochene Rohr finden. Sie stoßen auch auf ein mysteriöses Portal, das sie abrupt in eine andere Dimension befördert. Luigi landet im Dunkelland, wo er schnell von den Schergen des bösen Schildkrötendrachen Bowser (Jack Black) gefangen genommen wird, während Mario über eine andere Abzweigung ins von Prinzessin Peach (Anya Taylor-Joy) regierte Pilzkönigreich geschleudert wird. Dass er seinen Bruder aus den Fängen Bowsers retten will, kommt der Prinzessin gelegen, hat sie doch ihren eigenen Beef mit dem Kooper-König, gegen den sie jede Unterstützung brauchen kann.

Und dann geht es auch schon los mit allem, was man aus der Nintendo’schen Videospielwelt kennt. Videospielwelt gehört hier mit einem Ausrufezeichen versehen, denn die für die Umsetzung des Films verantwortlichen Illumination Studios (unter anderem verantwortlich für die Minions) bemühen sich sichtlich, alles in das bunte Treiben zu packen, was seit dem Jump N Run Klassiker Super Mario Bros Kinder wie Erwachsene begeistert: Pilze werden gefressen um innerhalb kürzester Zeit zu wachsen, Feuerblumen sorgen für die notwendige Schusskraft, nach Feindkontakt wird man kleiner und nach einem vermeintlich tödlichen Sturz in den Abgrund muss man zurück auf Los, jedoch ohne weiteren Schaden davonzutragen. Die Gegner sind die bekannten Goombas und Koopers, der älteste Mario-Antagonist Donkey Kong erhält eine größere Rolle (allerdings in der postmodernen aus Donkey Kong Country bekannten Form; gesprochen von niemand geringerem als Seth Rogen), und wenn man eine längere Strecke reisen will, geschieht dies natürlich mittels Karts über eine Regenbogenstraße, auf der man auch mal von einem blauen Panzer gejagt wird. Es ist einerseits beeindruckend, andererseits aber auch total gaga, mit wie viel Verve die Macher alles in den Film reinpacken, was aus der Videospielwelt bekannt ist. Dabei scheren sie sich gar nicht um logische Erklärungen für das Geschehen. Während die erste (sowohl bei Publikum als auch Kritik gescheiterte) Mario Bros Verfilmung, der Realfilm Super Mario Bros. (1993) mit Bob Hoskins, noch versuchte, die Tropes der Spielwelt in die Logik einer Filmwelt zu pressen, so dient Illumination und den beiden Regisseuren Aaron Horvath und Michael Jelenic die Filmwelt eigentlich nur dazu, das Videospiel zu feiern. Nicht nur das spezielle Spiel Mario, sondern die Logik des Videospiels an und für sich.

Das hat tatsächlich den Vorteil, dass alle Nerds und Nintendo-Nostalgiker in zahllosen Momenten laut jauchzen dürfen. „Find the reference“ ist ein Spiel, das man als Odschool Gamer bei diesem Film über die gesamte Laufzeit spielen kann: Heh, war das nicht gerade eine Wrecking Crew Referenz? Sehen wir hier wirklich gerade den Mario-Urvater Jumpman? Juchhu, da ist ja Diddy Kong! Um nur einige der vielen Wiedersehensfreuden zu erwähnen. Das hat aber auch den Nachteil, dass der ganze Film – man kann es nicht anders sagen – ein einziger Clusterfuck ist, ein Flickenteppich aus Referenzen und Anekdoten. Einen kohärenten Zusammenhang kann man nur in den seltensten Fällen ausmachen, wie ein Videospiel scheint das Teil von Level zu Level zu springen; und ein schnelles Vorankommen ist in den meisten Fällen wichtiger als ein roter Faden. Ohne Suspension of Disbelief kommt man hier nicht weit, und selbst wenn man versucht, sich auf das bunte Treiben ohne Vorbehalte einzulassen, macht es einem der Film verflucht schwer, selbst wenn man eine fette Nintendo-Nostalgiebrille dabei trägt. Es passiert einfach zu viel, zu schnell, zu laut und zu hektisch. In vielen Momenten ist Mario Bros nicht nur wie ein Videospiel, sondern viel mehr wie der Speedrun eines Videospiels, inklusive all der merkwürdigen Abkürzungen, Glitches und Logikbrüchen, die dazu gehören.

Und das ist nicht allein die Schuld Nintendos, beziehungsweise der Vorlage, sondern ist auch dem extrem glücklichen – oder extrem unglücklichen – Umstand zu verdanken, dass Illumination Entertainment wie geschaffen scheint, genau eine solche Art von Film zu inszenieren. Schon in ihren Minion-Filmen (die vom Nervpotential enorm mit Ubisofts Raving Rabbids verwandt sind) hetzt das Animationsstudio gerne von Level zu Level, von Anekdote zu Anekdote, von Pointe zu Pointe. Gerade in Filmen, bei denen eine Geschichte wichtiger ist, so wie Der Grinch (2018) zeigen sich dann schnell die Grenzen und Probleme dieser Art der Inszenierung. Die Welt um Mario dagegen ist natürlich wie gemacht für dieses sehr spezielle Konzept von Storytelling (Oder eher Anti-Telling). Für manche dürfte das wie eine Traumhochzeit sein, für viele – vor allem diejenigen, die weder mit der lauten und simplen Inszenierung von Illumination noch mit den hauchdünnen ultraflachen Storys der meisten Nintendo-Titel was anfangen können, dürfte das ganze aber eher ein Alptraum sein. Der Super Mario Bros. Film ist in gewisser Weise die perfekte Videospielverfilmung, weil er in den meisten Momenten mehr Videospiel als Film ist. Oder vielleicht auch mehr Let’s Play als cineastisches Erlebnis. Letzten Endes wohnt man Mario und Peach bei, wie sie von Level zu Level hetzen, gegen Donkey Kong kämpfen, über die Rainbow Road Kart fahren und im finalen Level einen Weg finden, Bowser zu besiegen. Dazwischen gibt es mal mehr mal weniger gelungene Gags (zu den besseren gehört Bowsers extreme romantische Hingezogenheit zur Prinzessin und der nihilistische Lumalee, zu den Schwächeren die ständigen Witze auf Kosten von Luigi) und viel zu volle viel zu bunte viel zu überladene Bilderlandschaften.

Immerhin ist der Film dadurch ein. Volltreffer für die jüngeren und jüngsten Zuschauer. Gerade die deutsche Altersfreigabe ab sechs Jahren kommt dabei fast wie ein schlechter Scherz rüber, ist der Film vom Pacing und Storytelling doch fast eher schon auf eine jüngere Zielgruppe treffend. Als Erwachsener gibt es durchaus viele Momente die irgendwie Spaß machen, ist das Teil aber einmal in Rekordzeit durchgespielt, bleibt nicht viel hängen außer dem ein oder anderen Easter Egg. Das ist dann mitunter so schmerzhaft flach und nichtssagend, dass sogar das Mario-Film-Desaster aus den 90ern neu bewertet werden muss. Das zwar auch komplett blemm blemm, aber immerhin mutig, hat nicht bloß Videospielexegese betrieben, sondern immerhin versucht auch ein Film zu sein. Wäre dieser neue Super Mario Bros Film ein Videospiel aus den 90ern würde die Empfehlung lauten: Leiht es euch in der Videothek aus, mehr als ein Wochenende Spaß ist damit nicht drin. Für einen Film bleibt das Urteil: Ja, das ist die perfekte Videospielverfilmung…. Bitte, bitte, bitte, wir wollen keine perfekten Videospielverfilmungen mehr sehen!

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