Feuerwehrmann Sam – Wie eine Kinderserie sehr viel richtig und zugleich sehr viel falsch machen kann

Fireman Sam (1987 – heute) ist ein Phänomen. Und zwar eines, das jemand der keine Kinder hat, zumindest in Deutschland wohl kaum kennen wird. Denn auch wenn das Original Feuerwehrmann Sam bis in die 80er Jahre zurückgeht, verdankt die Serie ihre enorme Popularität in Deutschland gerade vor allem Amazon Prime und Netflix, wo sie für viele KITA-Kinder so etwas wie der Sandmännchen-Ersatz geworden ist. Mein Dreijähriger schwört auf jeden Fall seit mindestens einem Jahr auf die walisische Stop-Motion-Produktion (auch wenn sie in den letzten Monaten ordentliche Konkurrenz von den Fellfreunden der Paw Patrol erhalten hat) und ist damit nicht allein in seiner KITA. Irgendwie nachvollziehbar: Die zehnminütigen Episoden der Serie besitzen alles, was Kleinkinder lieben: ES gibt eindeutige Charaktere ohne Grauschattierungen, die Geschehnisse sind äußerst repetitiv, die Narration und die Inszenierung sind so schlicht wie notwendig, um auch kleinste Zuschauer nicht zu überfordern. Man mag als Erwachsener mit den Augen darüber rollen, aber die Schöpfer von Feuerwehrmann Sam haben verstanden, was kleinste Kinder lieben und haben damit ein vollkommen zurecht erfolgreiches Produkt auf den Markt. Hin und wieder lässt sie sogar selbstironische Züge erahnen, insbesondere wenn sie auf die Schippe nimmt, in welche absurden und bizarren Unfallsituationen ihre Protagonisten geraten. Aber, so viel die Serie auch richtig macht, so viel macht sie auch falsch.

Aber zuerst einen kurzen Blick auf die Geschichte der Serie. Denn um zu verstehen, warum Feuerwehrmann Sam heute so ist, wie er ist, ist es äußerst hilfreich seine Vergangenheit und Genese zu verstehen. Die Idee zu der Serie stammt von zwei Feuerwehrleuten aus dem Südosten Englands und gelangte über den walisischen Autoren und Animationsproduzenten Mike Young schließlich zum walisischen Fernsehsender S4C, wo es von Chris Grace und Rob Lee in Form von Stop-Motion Zehnminütern umgesetzt wurde. Das Budget für die erste Feuerwehrmann Sam Iteration war niedrig, und das sieht man auch an ihrer Umsetzung. Staffel 1-4 (1987-1994) wirken auch im Vergleich zu den neuen Folgen wie sehr angegrautes Beta-Material. Beim Sprechen bewegen die Charaktere nicht die Lippen, die Animationen bestehen aus dem bare minimum und für die Synchronisation gibt es genau einen Sprecher, der sämtliche Rollen übernimmt. Dadurch erinnern die klassischen Episoden nicht selten an schlecht synchronisierte Filme aus Osteuropa; das Gefühl, das eine Stimme über alle Charaktere drüberbuttert mag nie ganz verschwinden, und zusammen mit den hölzernen Animationen und den mitunter leblosen Ausdrücken der Protagonistengesichter besitzt Feuerwehrmann Sam von damals vor allem einen nostalgischen Charme, der aber auch immer etwas Bizarres und Groteskes mit sich trägt.

Es sollte nach dieser klassischen Serie 11 Jahre dauern, bis Fireman Sam wiederbelebt wurde. 2005 begann Mike Young mit Hilfe seiner eigenen Animationsschmiede Siriol Productions mit der Produktion einer fünften Staffel, in der die Entwicklung des Stop-Motion-Fernsehens der vorherigen 10 Jahre deutlich sichtbar werden: Endlich dürfen die Puppen bei ihren Dialogen auch den Mund bewegen, das gesamte Setting wirkt deutlich bunter und lebendiger. Darüber hinaus gibt es echte Synchronsprecher*Innen und zu guter Letzt werden neue Charaktere etabliert, die der Serie bis heute erhalten bleiben sollten. Retrospektiv betrachtet ist Staffel 5 (2005) wohl die schönste Staffel der Serie: Liebevoll animiert, mit viel Charme und Herzenswärme und trotzdem dem klassischen Konzept ziemlich treu bleibend. Diese unschuldige und zugleich goldene Ära von Feuerwehrmann Sam sollte aber nur genau eine Staffel andauern. 2008 änderte sich schon wieder das Konzept der Serie und zwar gewaltig. Der zentrale Handlungsort, das Dorf Pontypandy wurde vom walisischen Landesinneren an die Küste verlegt und es wurden neue Charaktere eingeführt. Viel größer als diese narrative Umstellung sollte allerdings die technische sein: Fireman Sam wurde zur CGI-Serie. Staffel 6-11 (2008 bis heute) wurden und werden voll und ganz am Computer verwirklicht. Aus der Knetmasse werden Bits und Bytes. Aus den aufwändigen Stop-Motion-Episoden werden – man kann es leider nicht anders sagen – ziemlich generische und sterile Computeranimationen, wie man sie in aktuellen Kinderserien zu Hauf findet.

Gleichzeitig geschah aber inhaltlich auch einiges Gutes und das prägt die Serie bis heute und verleiht ihr auch einen sympathischen, inklusiven Charakter. Also, was macht Feuerwehrmann Sam verdammt richtig? Definitiv das Bemühen um Inklusion, das weitaus mehr als ein Lippenbekenntnis zu sein scheint und über die Jahre immer offensichtlicher geworden ist. Pontypandy ist nämlich voll von bunten und diversen Charakteren. Von Anfang an dabei, eine alleinerziehende Mutter, Dilys Price, deren berühmt berüchtigter Sohn Norman Price oft im Zentrum des Geschehens steht. Auch bereits in der Originalserie, seit Staffel 3, arbeitet eine Feuerwehrfrau – Penny Morris – im Team der Feuerwache. Neben dem vom Hilfsfeuerwehrmann zum Busfahrer umgeschulten pakistanisch- oder indischstämmigem Trevor gibt es seit der fünften Staffel auch die Familie Flood, mit der karibischstämmigen Mutter Helen (die als Krankenschwester arbeitet). Die in Staffel 8 zum ersten Mal auftauchende – ebenfalls alleinerziehende – Mrs. Chen stammt aus China und mit Ellie Phillips darf es seit dem Film Helden im Sturm (2015) noch eine zweite Feuerwehrfrau in Pontypandy geben. In Staffel 9 schließlich kommt mit Sarah Sparkes ein Mädchen im Rollstuhl hinzu. Die Inklusion dieser Charaktere in Pontypandy löst Fireman Sam auf ebenso charmante wie problematische wie apolitische Weise: Sie wird nämlich einfach nicht thematisiert. Pontypandy ist kein Ort, an dem Rassismus, Sexismus oder politische Konflikte eine Rolle spielen würden. Gleichzeitig spielen aber auch ihre positiven Gegenparts keine Rolle: Feminismus ebenso wenig wie das Bemühen um Barrierefreiheit oder eine bewusst gelebte Weltoffenheit. Letztere erschöpft sich darin, dass die ganze Stadt für Mandy Flood eine karibische Party schmeißt oder dass Mrs. Chen mit ihren Schülern das chinesische Neujahrsfest zelebriert.

Und man kommt natürlich beim Thema Diversität nicht daran vorbei, zu sagen, was Feuerwehrmann Sam so richtig falsch macht: So bunt die Zusammensetzung der Feuerwache und Pontypandy auch sind, so sehr verlaufen sich die Charaktere doch in mitunter haarsträubenden Stereotypen. Dass Sam Jones der große, alle überstrahlende Held ist, spielt dabei eine sehr gewichtige Rolle. Auch wenn es neben ihm andere kompetente Feuerwehrleute gibt, ist es doch Sam, der als Retter in der Not an erster Stelle steht. Dementsprechend lautet der übliche Hilferuf in Pontypandy nicht „Oh mein Gott, lasst uns schnell den Notruf wählen!“, sondern „Oh mein Gott, schnell, wir rufen Feuerwehrmann Sam an!“. Selbst wenn Feuerwehrleute vor Ort des Geschehens sind und durchaus erste Hilfe leisten könnten, wird oft, fast immer, primär auf Sam als Heilsbringer referiert. Dieser symbolisiert dann auch alles, was einen klassischen, männlichen Protagonisten auszeichnet: Er ist ein Macher, einer, der sein eigenes Werkzeug herstellt, das Kinn martialisch nach vorne gereckt, die Hände in den Hüften, während er sich mit stolzgeschwellter Brust der Probleme annimmt. Besonders auffällig ist diese männliche Macherqualität im Verhältnis zur ebenfalls männlichen Kontrastfigur Elvis Cridlington. Dieser verkörpert eindeutig den Gegenentwurf zum heroischen Problemlöser: Kindlich bis hin zur Infantilität, ungeschickt, auch ein wenig androgyn und stets für – mal mehr, meistens weniger lustige – Slapstickeinlagen gut. Elvis ist der Künstler und Träumer der Feuerwache, vor allem aber auch der Tollpatsch, der Vorarbeiter, der, der gerne so wie Sam wäre, aber in der Hackordnung ganz klar unter ihm steht. Das von Hauptfeuerwehrmann Norris Steele oft im Zorn herausgeschrieene „Cridlington!“, wenn dieser wieder einmal Chaos angestellt hat, ist der passende Ruf zu diesem Männlichkeitsbild.

Verstärkt wird die Glorifizierung Sams dann später noch einmal durch eine weitere Kontrastierung, nämlich die zu seinem Bruder Charlie Jones, der ab Staffel 6 in Erscheinung tritt. Ähnlich wie Elvis verkörpert auch Charlie das negative Männlichkeitsbild, in diesem Fall das eines peinlichen Vaters, der auch wenig durch Kompetenz auffällt und ähnlich wie Elvis davon träumt, so versiert und geliebt wie sein Bruder zu sein. Die Frauenrollen bleiben in dieser Dynamik komplett hintenangestellt. Feuerwehrfrau Penny Morris ist in älteren Episoden nie viel mehr als die weibliche Ergänzung des Teams, während die männlichen Protagonisten bereits Charakterzüge erhalten, die über ihr Geschlecht hinausgehen. Immerhin gelingt es der Serie in späteren Staffeln aus Penny eine tapfere und vor allem sportliche Taucherin zu machen, die in dieser Rolle allerdings des öfteren zumindest implizit als Love Interest des unsportlichen Elvis‘ verheizt wird. Die zentralste Frauenrolle der Serie indes bleibt Dilys Price, die allerdings nie über die Charakterisierung als eindeutig überforderte Helikoptermutter von Norman Price hinauskommt, inklusive mehrerer Ohnmachtsanfälle, wenn Norman mal wieder in Gefahr ist. Die restlichen Frauenrollen sind entweder einfach nur Frauen (Helen Flood) oder Klischeebilder, wie zum Beispiel die Esoterik- und New-Age-Begeisterte Mutter Gwendolyn Jones, die schmerzhaft stereotype Italienierin Bella Lasagne (Ja, das ist wirklich ihr Name) oder die strenge Lehrerin Mrs. Chen.

Da werden selbst die Kinderrollen mit mehr Leben gefüllt, wobei dies auch alles andere als unproblematisch ist. Insbesondere die Charakterisierung von Norman Price als Tunichtgut Pontypandys wird von Staffel zu Staffel schwieriger, bis zu dem Punkt an der der kindliche Hauptakteur zum Zerrbild eines verzogenen, vermutlich unter mehreren psychischen Problemen leidenden Kindes wird. Ist Norman in alten Episoden noch der liebenswerte Chaot, der mehr oder weniger unverschuldet in Gefahr gerät und immer aufs Neue von der Feuerwehr Pontypandys gerettet werden muss, so wird er schließlich zum Inbegriff des Chaos‘ inklusive direkter präventiver Adressierung seines Fehlverhaltens durch die Autoritätsfiguren. Norman gewinnt mehr und mehr an Durchtriebenheit, an Bösartigkeit und auch an Rücksichtslosigkeit gegenüber allen und jedem. Fast lässt sich an ihm das Kinderbild verschiedener Generationen ablesen: Vom liebenswerten nerdigen Tollpatsch der frühen 80er Jahre, zum verzogenen Lausebengel der 90er, zum ADHS-Erziehungsfall der frühen 2000er bis hin zum aggressiven 2010er Rüpel, der Kinder und Erwachsene gleichermaßen terrorisiert (und vor dem alle gleichermaßen Angst haben bis hin zur Feuerwehr). Vor allem die letzten Stufen dieser Genese stehen im unübersehbaren Verhältnis zur Charakterisierung seiner Mutter Dilys, als überforderte Alleinerziehende. Die Botschaft scheint ebenso klar wie regressiv: Außerhalb der typischen Kernfamilie aus Vater-Mutter-Kind wartet die Anarchie. Dabei ist Norman Price unintendiert eine äußerst traurige Figur: Als Unruhestifter verschrien muss er sowohl bei seinen Spielkameraden als auch den Erwachsenen in Pontypandy in einer ewigen Außenseiterrolle leben. Liebe erfährt er keine: Seine Mutter zeigt ihre Zuneigung maximal in zu Schau getragenen Ängsten, die meisten anderen Kinder (insbesondere die Zwillinge) nehmen ihn nur als Störenfried wahr und für die Feuerleute des Ortes ist er die Ausgeburt an Brand- und Unfallgefahr. Allenfalls Mandy hält als eine Art beste Freundin zu ihm, aber selbst sie schenkt ihm wenig Zuwendung. Ein wenig aufgebrochen wird dieses Prinzip, wenn Normans Cousin Derek Teil des Pontypandy-Ensembles wird und ihn sowohl als Nemesis als auch Kumpan ergänzt. Norman bleibt jedoch der traurige, einsame, oft auch missverstandene Außenseiter, der nicht die Hilfe erhält, die er eigentlich benötigen würde.

Bleibt die Charakterisierung des Ortes selbst, Pontypandy. Und die hat es wirklich in sich: Angelehnt an die beiden walisischen Städte Pontypridd und Tonypandy könnte man erst einmal davon ausgehen, dass der Ort eine Art Spiegel der walisischen Dorfgemeinschaft sein soll. Aber was für ein merkwürdiger Mikrokosmos das ist. Wie bereits zuvor geschrieben ist dieses Pontypandy ein apolitischer Ort, nicht nur in dem Sinne, dass der politische Diskurs gänzlich fehlt, sondern auch eine (politische) Obrigkeit nicht im geringsten stattfindet. Pontypandy ist ein Ort ohne Legislative, Judikative oder Exekutive. Im Gegensatz zu vielen anderen Kinderserien (zum Beispiel Paw Patrol) gibt es keine Regierung, kein Rathaus und keine Bürgermeisterin. Ferner fehlen Polizei, Gerichte und alles andere, was man in einem funktionierenden staatlichen System erwarten würde. Die einzige Autorität in diesem Ort bildet die Feuerwehr, die aber wie im realen Leben keine exekutive Funktion erfüllt, wenn es um die Durchsetzung staatlicher Prinzipien geht. Dies könnte eine Randnotiz sein, immerhin handelt es sich bei Pontypandy um einen kleinen, äußerst kleinen Ort, wenn es denn ein Außerhalb gäbe. Aber dieses Außerhalb existiert in Feuerwehrmann Sam nur auf einer äußerst abstrakten Ebene. Streng genommen gibt es ein Außerhalb von Pontypandy nur als Referenzraum, nicht als tatsächlichen Ort: Beschließt eine Figur eine andere Ortschaft zu besuchen, wird sie entweder – gerne und oft – durch Unfälle und Katastrophen daran gehindert, oder sie verschwindet im Nirwana außerhalb des Rahmens der Serie. Ebenso wird mit Personen verfahren, die zur Serie neu hinzukommen. Sie tauchen aus dem Nichts auf und werden gleichsam zum Inventar des abgeschlossenen Mikrokosmos‘ der Serie. Als Bella Lasagne aus der Serie verschwindet (Staffel 6) dauert es ganze vier Staffel bis erklärt wird, was mit ihr geschehen ist und das auch nur, um ihre Rückkehr in Staffel 10 zu feiern. Davor bleibt sie verschollen im Nexus außerhalb des Serienkosmos ohne dass auch nur ein anderer Charakter einen Gedanken an sie verschwenden würde.

Ebenfalls in diesem – beinahe metaphysischen Nirwana – findet die Notrufzentrale statt, die die Beauftragung der Einsätze an die Feuerwehrleute weiterreicht. Es ist immer das selbe: Der ausgehende Anruf in die Notrufzentrale wird angedeutet, die Serie schneidet aber weg, bevor dieser stattfindet. Es gibt einen harten Schnitt und wir befinden uns in der Feuerwache, wo das Fax bzw. in späteren Staffeln die digitale Nachricht mit der Einsatzbeschreibung eingehen. Es gibt kein dazwischen, beziehungsweise das dazwischen wird in den Limbus außerhalb Pontypandys verbannt. Mindestens ebenso auffällig wie das Fehlen des Außerhalbs ist das Fehlen von Statisten und Statistinnen. Fireman Sam besitzt einen festen Cast an Protagonistinnen, außerhalb dieses Ensembles existieren keine Menschen. Bei Feuerwehrmann Sam gilt: Entweder du hast eine Sprechrolle, oder du existierst nicht. Seltsam leer wirken dadurch die Straßen Pontypandys, auf denen sich nur die bekannten Protagonisten bewegen. Die walisische Ortschaft wirkt wie eine Geisterstadt, die trotz ihrer geringen Einwohnerdichte doch täglich von (Feuer-)Katastrophen heimgesucht wird. Man ist gewillt zu spekulieren: Ist Pontypandy der anarchistische Schauplatz eine der letzten überbliebenen Ortschaften in einer postapokalypstischen Welt? Existiert das Draußen nur noch in Geschichten, die sich die Einwohner erzählen, um ein Stück Normalität aufrecht zu halten? Wie geschieht dann die Notrufkommunikation, die Folge für Folge bemüht wird? Eine Art metaphysische Existenz? Der Notruf als Gottersatz, der zwischen den Notleidenden und Notlindernden auftritt um den Rest Menschheit zusammenzuhalten? Feuerwehrmann Sam als Heilsbringer, als Erlöserfigur, die in Verbindung mit dieser göttlichen Instanz steht?

Okay, okay. Ist ja schon gut. Natürlich ist diese spekulative Interpretation komplett übertrieben, besser gesagt vollkommen daneben. Aber es bleibt festzuhalten, dass Feuerwehrmann Sam ob seines fehlenden Außens stets ziemlich steril, leblos und ja auch ein wenig apokalyptisch daherkommt. Das Öffnen der Handlung ist der Serie jedenfalls nie so ganz geglückt, auch wenn sie es weiß Gott versucht hat. Nicht nur in der Etablierung neuer Charaktere sondern auch in der Etablierung neuer Gadgets. Letztere wiederum stellen weniger eine Öffnung der Narration als viel mehr eine Öffnung des Marktes dar. Fireman Sam ist nämlich äußerst geschickt darin sein Sujet kapitalistisch auszuschlachten. Mit Beginn der CGI-Folgen begann auch ein rapides Wachsen des Fuhrparks. Zu Land, zu Wasser und in der Luft. Und natürlich gibt es all diese Gefährte, vom klassischen Löschgruppenfahrzeug und Rüstwagen, über Hubschrauber, Jet Skis und Motorboot bis hin zu ungewöhnlichen Hybridfahrzeugen zu kaufen; inklusive passender Spielfiguren und Ausrüstung. So löblich der ursprüngliche Ansatz Sams ist, Feuerwehrratschläge Kindern in kindergerechter Form nahezubringen, so sehr ist die Serie in ihren letzten Staffeln zum Vehikel für allerlei Merchandising verkommen. Das betrifft nicht nur Actionfiguren und Fuhrwerk, sondern auch alles andere: Es gibt Feuerwehrmann Sam Rucksäcke, Bettwäsche, T-Shirts, Mützen, Süßigkeiten etc. pp. Es fällt gar nicht so einfach, eine Kinderserie sympathisch zu finden, deren Hauptziel neben Unterhaltung und Aufklärung darin besteht, den armen Eltern das Geld aus der Tasche zu ziehen, beziehungsweise für quengelnde „Das muss ich unbedingt haben“-Kleinkinder zu sorgen.

Um noch einmal zu betonen, was Fireman Sam neben seiner Diversität richtig macht: Natürlich ist es grundsätzlich schön, dass es eine unterhaltsame und aufklärerische Serie für das jüngste Publikum gibt. En passant lernen hier auch die Kleinkinder, warum man sich bei Hilfsaktionen nicht selbst in Gefahr begeben soll, warum man nicht mit Feuer spielt, und wie man richtig Autoritäten um Hilfe bittet. Diesen konstanten Charakter besitzt Sam von Staffel 1 bis zur aktuellen Staffel 11 und es bleibt davon auszugehen, dass dieser Charakter auch in zukünftigen Staffeln und Episoden Bestand haben wird. Feuerwehrmann Sam bleibt einfach ein zweischneidiges Schwert: Eine unterhaltsame und informative Serie, die Kleinkinder lieben, auf der einen, eine gnadenlose Cashcow auf der anderen Seite. Eine Serie mit viel Bemühen um Diversität auf der einen, eine unfassbar stereotype, eindimensionale Heldenverehrung auf der anderen Seite. Charmantes Kleinstadtdiorama und apokalyptische Spukgeschichte. Bisweilen oft gerade in jüngsten Folgen erstaunlich selbstironische Anarchoschau und zugleich unfassbar repetitive, nervtötende Miniserie.

Vielleicht ist das alles aber auch gar nicht so wichtig, denn noch bevor man das alles Stück für Stück auseinandergenommen hat, sind die Kleinen auch schon wieder aus diesem Feuerwehr-Potpourri mit alterstechnisch äußerst enger Zielgruppe herausgewachsen. Und die nächste nervige Lieblingsserie darf kommen. Dieses Mal hoffentlich ohne Feuerwehr.

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