Großartige TV-Unterhaltung: Der Tatortreiniger

Machen wir uns nichts vor: Die deutsche TV-Comedylandschaft liegt nicht nur brach, sie hat das im Prinzip schon immer getan. Diether Krebs und Iris Berben in allen Ehren, aber auch Sketchup war nie wirklich lustig; und ein Land, das diesen Comedy-Flick zu seinen humoristischen TV-Höhepunkten zählt, kann alles in allem nicht besonders viel Humor besitzen. Verständlich, dass sich auch kaum jemand hierzulande darüber aufregt, wenn wir von den South Park Machern als kollektiv humorlos verspottet werden, wenn unserer Humorlosigkeit gar eine ganze Episode gewidmet wird… Sie haben ja recht! Okay, es gab Loriot und der war wirklich groß. Aber darüber hinaus? Otto? Vielleicht vor zwanzig Jahren mal für fünf Minuten. RTL Samstag Nacht? Ein Saturday Night Live Rip-Off und bei weitem nicht so gut wie das Original. Alles Atze? Bitte! Dass es nur wenige rühmliche Ausnahmen im hiesigen TV-Betrieb gibt, wäre nicht so schlimm, wenn diese nicht so sträflich unter Wert verkauft, vernachlässigt oder auf die Arschloch-Sendeplätze verbannt werden würden. So gerade erst geschehen mit der herausragenden NDR-Comedy-Serie Der Tatortreiniger.

Da hat Stefan Niggemeyer dann auch schlicht und ergreifend Recht, wenn er sich darüber beschwert, dass dieses Comedy-Kleinod keine vernünftige Öffentlichkeitsarbeit geschweige denn einen vernünftigen Sendeplatz bekommen hat. Der Tatortreiniger stammt vom derzeit einzigen potentiellen Retter der deutschen Comedy-TV-Landschaft, dem genialen Arne Feldhusen (Stromberg), der als Hauptdarsteller den mindestens genau so genialen Bjarne Mädel gewinnen konnte (der ebenfalls in Stromberg in der Rolle des Ernie mitwirkte). Und die Handschrift Feldhusens ist auch bei dieser neuen Serie zweifelsfrei zu erkennen: Der Tatortreiniger verbindet wie die großartige Büroserie (die kürzlich in die fünfte Staffel ging) Realismus und Alltäglichkeit mit überzeichnetem Humor und viel Alltagssatire. Dass dabei nie eins der beiden Momente die Überhand gewinnt, liegt an der herausragenden Inszenierung von Feldhusen: Dem Tatortreiniger gelingt es, Ungewöhnliches auf alltägliche Weise zu erzählen und zugleich die Absurdität des Profanen zu offenbaren. So wirkt keine Skurrilität zu viel, keine Banalität zu banal, kein Dialog aufgesetzt oder fehl am Platz. Stattdessen menschelt es an allen Ecken und Enden, ohne dass der Humor zu kurz kommen würde.

So zum Beispiel in der ersten Episode Ganz normale Jobs. Schotty, der Tatortreiniger trifft bei der Arbeit in einem Apartment auf eine Prostituierte. Was für viele Comedy-Autoren in Deutschland die Vorlage für billigen Slapstick oder schlechte zweideutige Witze wäre, wird bei Feldhusen zum wunderbaren halbstündigen verbalen Schlagabtausch, natürlich auch mit Doppeldeutigkeiten, ein wenig anzüglichem Humor und auch der ein oder anderen Slapstickeinlage… aber im Mittelpunkt steht doch der Wortwitz und die Alltäglichkeit des absurden gar nicht so absurden Geschehens. Zu Gute kommt der Serie dabei die Begrenzung auf nur ein Set, ebenso wie der vollkommene Verzicht auf potentielle Krimi- oder Thrillerplots. Der zuvor geschehene Mord spielt keine Rolle, der Tote wird maximal am Rande erwähnt. Stattdessen stehen ganz und gar die Lebenden im Mittelpunkt. Schotty ist kein verhinderter Polizist, kein Privatermittler, niemand der dunklen Geheimnissen nachgehen will. Er tut einfach nur seinen Job, und der besteht nun mal darin, dort sauber zu machen „wo sich andere vor Entsetzen übergeben.“

Auch in der zweiten Episode Spuren ist das geschehene Verbrechen nicht relevant. Stattdessen wagt sich der Tatortreiniger gar in philosophische, existenzialistische Höhen vor, ganz ähnlich wie Stromberg in seinen besten Momenten. Feldhusen nutzt die absurd/alltäglichen Situationen, in die er seinen „Helden“ schickt, nicht nur für herausragenden Wortwitz sondern ebenso für leise, nie zu schwere Abhandlungen über Leben und Tod, über das davor und danach und darüber, dass jeder in seinem jeweiligen Alltag versucht auf seine jeweils eigene Weise die Ohren steif und den Kopf aufrecht zu halten. Das ist nicht nur ungemein komisch, sondern in seinen besten Momenten geradezu bewegend, beglückend und berührend. So gelingt der neuen NDR-Serie, was nur wenigen Comedy-Serien der letzten Jahre gelungen ist: Anspruch und Humor perfekt zu kreuzen… in dieser wunderbaren Formvollendung am ehesten mit Stromberg, Dittsche oder dem genialen Format Blind Date vergleichbar.

Die ersten beiden Folgen von Der Tatortreiniger gibt es auf NDR-Online im Stream. Keine Ahnung wie lange, aber lasst bitte, bitte, bitte dieses kleine Comedy-Kleinod nicht an euch vorüber ziehen. Ehrlich, es lohnt sich!

 

Diesen Film haben wir auch in unserem Podcast besprochen.

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