Schluss mit lustig! – Rezension zur fünften Stromberg-Staffel

Das ging dann alles doch schneller als vermutet. Im Überschwang der Vorfreude habe ich mir letzte Woche die Limited Pop-Up Edition zur fünften Stromberg-Staffel bestellt und deren Ankunft eigentlich erst die kommende Woche erwartet. Naja, Amazon hat mich bereits am Freitag mit dem Päckchen überrascht und das Wochenende war gerettet. Am Samstag Abend war ein Stromberg-Marathon angesagt: Immerhin 10 Folgen à 20 Minuten warteten darauf entdeckt und abgefeiert zu werden… Und es hat sich wieder einmal gelohnt. Nur soviel im Voraus: Die fünfte Staffel gehört mit zum Besten, was es von der großartigen Comedyserie – die ja alles andere als arm an Höhepunkten ist – bis dato zu sehen gab. Ich versuche die folgende Review so spoilerfrei wie möglich zu halten, was bei einer Serie natürlich immer etwas schwieriger ist. Wer Stromberg, Staffel 5 also so unbefleckt wie möglich sehen will, sollte gar nicht erst weiter lesen… wem ein kleiner, leicht verspoilerter Vorgeschmack nichts ausmacht, here we go.

Wer Stromberg schon immer wegen des biestigen Humors, der politisch unkorrekten, dämlichen Sprüche und der mitunter albernen Situationskomik mochte, dürfte in der neusten Staffel einen kleinen Schock erleben. Schluss mit lustig ist der Schlüssel Ralf Husmanns zu einer Neuerfindung der bekannten Figur und Serie. Während die letzte Staffel vor allem auf den Wechsel des Schauplatzes setzte, um Stromberg in Finsdorf neues Leben einzuhauchen, stand dieses Mal offensichtlich das Gesamtkonzept der Serie auf dem Prüfstand und erhielt dementsprechend eine Fokusverschiebung: Zu Lasten des Humors und Coolness-Faktors, zu Gunsten der wirklich, wirklich bitteren Bösartigkeit und großen Tragik. Klar, das waren Elemente, die in der Serie schon immer vorhanden waren: Von Mobbing über Rassismus bis zum Intrigantentum, das sogar über Leichen ging, besitzt Stromberg seit jeher das Potential für dunkle und tragische Momente. So stark wie in dieser Form war das allerdings noch nie zu spüren.

Bernd intrigiert sich in die Chefetage und direkt ins Herz der Finsternis seiner Versicherung. Dunkle Wolken ziehen über der Capitol auf, wenn der einst so oft gemiedene, abgemahnte und immer wieder zurechtgestutzte, inkompetente Unsympath plötzlich an den Schaltern der Macht sitzt… und der Zuschauer feststellen muss, dass sich die Führungsriege und Topmanager-Gilde gar nicht so sehr von der Karikatur Stromberg unterscheidet, dass es „da oben“ mitunter sogar weitaus Böseres und Pervertierteres zu finden gibt als „den schlechtesten Chef der Welt“. Diese bittere Erkenntnis schlachten die ersten Folgen der Staffel (Frau Papenacker, Frau Wilhelmini, Die Konferenz) dann auch genüsslich aus und sind dabei schlicht das Bösartigste, was die Stromberg-Macher je abgeliefert haben. Ging es im Kampf an der Bürofront zuvor noch um Schnittchen und gut gelegene Parkplätze, werden nun schwere Geschütze aufgefahren: An den Schaltern der Macht entscheiden Sympathien, Antipathien und das richtige Gespür für Opportunismus über die Karriere. Menschen bleiben dabei grundsätzlich auf der Strecke, werden im besten Fall von der chauvinistischen Leitung wie Prostituierte behandelt und vorgeführt (Der Nachfolger) oder gleich wie Menschenmaterial verheizt, wenn es nicht so läuft, wie es laufen soll (Herr Rüther).

Dabei ist die erschreckendste Erkenntnis der gesamten Staffel, dass Stromberg in den oberen, finsteren Etagen bestens aufgehoben ist, unglaublich schnell neue Freunde findet und mit seinen Feinden plötzlich auf einer Augenhöhe konkurriert (oder besser gesagt, intrigiert). Der Humor hat an diesen Stationen zwar nicht Sendepause, wird aber in ein derart böses Korsett gezwängt, dass er kaum noch auffällt. Wenn ein Lachen, dann muss es auch kurz darauf so richtig im Halse stecken bleiben (Die Konferenz), wenn Humor, dann von der schwärzesten Sorte… und überhaupt permanent ergänzt durch grauenhaftes Fremdschämen und schmerzhafte Diabolität. Waren die unangenehmen Momente in den Staffeln zuvor einfach nur peinlich oder stichelnd, erschlagen sie die Protagonisten und Zuschauer nun mit sozialdarwinistischer Aggressivität. Hier wird mehr als einmal über Leichen gegangen, grundsätzlich intrigiert und jeder sucht im Nächsten nichts als den eigenen Vorteil… und wer auf der Strecke bleibt, wird ausgeschlachtet und zum Sterben liegen gelassen. Stromberg Staffel 5 ist in ihrer ersten Hälfte schlicht und ergreifend böse: Schmerzhaft böse, unangenehm böse, mitreißend böse… grandios böse.

Aber das ist wiederum auch nur so etwas wie eine Vorbereitung, auf das, was den Zuschauer in der zweiten Staffel-Hälfte erwartet. Beinahe biblisch entwickelt sich die Geschichte um Bernd in der Führungsetage: Wer Sturm sät… frei nach diesem Motto zückt Stromberg die große, dunkle Pathoskeule. Hat man sich langsam damit arrangiert, Stromberg nicht mehr wegen der Witze und Sprüche zu schauen, hat man sich mit dem Bösen beinahe angefreundet, schlägt auch schon das große Drama zu, dessen fatalistische Determiniertheit religiöse Ausmaße annimmt. Stromberg wird zur großen Tragödie. Es geht um nicht weniger als existenzielle Fragen: Leben und Sterben, die eigene Existenz, die Suche nach Glück und die Resignation. Schicksalsschlag folgt auf Schicksalsschlag, und jeder einzelne bringt ein Stück Menschlichkeit in die Serie zurück (Der Rodach-Bonus). Nicht nur das Büro, nicht nur die Macht, sondern auch die Unberechenbarkeit des Lebens schlägt erbarmungslos zu. Der Mensch ist eben nicht nur ein Machts- sondern auch ein Schicksalstier, abhängig von der Laune der Götter. Und im Hardern mit dieser Erkenntnis findet er zu sich selbst zurück. Stromberg wird weich, fast sanftmütig, sensibel und auch tragisch… wohlgemerkt, nicht unbedingt die Hauptfigur sondern der gesamte Büro-Kosmos an und für sich. Da scheint es auch nur konsequent, dass Ernie zu Beginn der Staffel den Glauben für sich entdeckt (Malik). Denn auf der Suche sind sie alle: Nach Erlösung, nach Frieden mit sich selbst, nach etwas, woran sie sich festklammern können… und sei es nur – wie im Fall Bernd – die eigene Karriere.

Leider, und das ist die einzige Schwäche der wirklich großartigen fünften Staffel, ist das nicht das Ende der Geschichte. Der Weg von der grotesken, überzeichneten und schmerzhaften Bösartigkeit zur großen menschlichen Tragödie: Was hätte das für ein Potential eröffnet, die Figur Stromberg und sein ganzes Umfeld neu zu formen, neu zu erzählen, weiterzuentwickeln. Stattdessen geht es der Staffel in der letzten Folge nur noch um eine befriedigende Zu-Ende-Erzählung der Geschichte im Stromberg’schen Sinne. Die Ereignisse überschlagen sich plötzlich geradezu. Dem Schmerz, dem Drama folgt der große Knall, eingeleitet durch eine grandiose, universelle Drohung… das Geschehen aber leider dann in eine vollkommen falsche Richtung lenkend. Was zuvor, zu Beginn der Staffel noch eine erschütternde Entmenschlichung Strombergs war, läuft nun einem grotesken, zornigen Höhepunkt entgegen (die Geschehnisse zuvor fast vollkommen ignorierend). Alles muss irgendwie wieder an seinen Platz, gerade so als sei die Stromberg’sche Entwicklung ein Fehler gewesen. Und dementsprechend wird ordentlich geklüngelt, konspiriert und intrigiert… und die Plausibilität bleibt dabei auf der Strecke.

Das wird dann zum Infernal (Der Abschied) mit allen positiven und negativen Begleiterscheinungen. Positiv, weil es sich wirklich konsequent in seiner eigenen Verderbtheit suhlt, negativ, weil es die Chance auslässt neue Facetten in das Geschehen zu einzubringen. Positiv, weil es den Zuschauer noch einmal in den Magen schlägt, negativ, weil es darin so überzeichnet ist, dass die Pervertierung der Abgründe fast schon zur Selbstsatire wird. Ein fieser, auch irgendwie gelungener – aber bei weitem nicht der bestmögliche – Abschluss der Staffel. Lässt zermartert zurück und zwingt dem Zuschauer das Gefühl auf, dass hier wirklich eine großartige Chance vertan wurde…

…Davor darf man aber trotzdem eine der besten Stromberg-Staffeln überhaupt erleben. Stärker als die letzten beiden allemal, dicht dran an Staffel1 – wenn nicht sogar gleichauf – und zumindest am Thron von Staffel2 schnuppernd, ist die Fokussierung auf das böse und tragische Moment der Serie eine der besten Entscheidungen, die die Macher treffen konnten. Klar, der Humor ist ein wenig flöten gegangen… aber gerade wenn er aufblitzt, weiß man auch, dass das gar nicht so schlimm ist. Denn die fiesen Sprüche Strombergs, die Balgereien von Ulf und Tanja, das Dummgeschwätz von Ernie hat man in dieser Form schon gewitzter und unterhaltsamer gehört. Ist aber auch nicht weiter tragisch, da der Witz und Nonsens in dieser Staffel nur eine ganz untergeordnete Rolle spielen. Stattdessen gibt es passend zur Krise einen bissigen, richtig bösen und zynischen Kommentar zum Zustand der Wirtschaftselite und eine große, menschliche Tragödie, die nach der Humanität sucht, diese dann auch tatsächlich findet und sich im nächsten Moment auf sie stürzt um sie zu zerfleischen. Ein großes Bravo an alle Beteiligten, ein lautes „Was zur Hölle…!“ an Ralf Husmann, der seine Zuschauer genüsslich quält… und die Erkenntnis, dass Stromberg nach wie vor zum Besten gehört, was die deutsche TV-Landschaft zu bieten hat. Gold!

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