Die besten Actionfilme der 70er Jahre I

Endlich wieder ÄKTSCHN! Reine, ungefilterte ÄKTSCHN. Wenn wir von Actionfilmen aus den 70er Jahren reden, reden wir von einer Zeit, in der zahllose inspirierende Momente für das Actionkino der folgenden Dekaden gelegt wurden. Insbesondere Quentin Tarantino hat sich von vielen Filmen der Epoche inspirieren lassen, von Ost nach West, von hoher Actionkunst bis zum räudigen Exploitationfilm. In dieser Bestenliste der 70er Actionkracher begegnen wir gleich mehreren Vorbildern des postmodernen verspielten Regisseurs. Die Warriors agieren nah am Exploitation und Trash, kriegen aber immer wieder die Kurve zum spannenden Action- und Kampfepos. Inglorious Bastards vermischt Kriegsfilm mit Action mit naiver Kinderfantasie und ner Menge Pulp, ist aber allein schon wegen seiner Inspiration für Tarantinos Inglorious Basterds sehenswert. Fluchtpunkt San Francisco hat mit seiner makaberen, nihilistischen Art das Genre des Carchase-Actioneers in eine neue Epoche geführt. Lady Snowblood kommt erstaunlich unironisch und opulent daher und ist nicht nur sehenswert, weil er Tarantinos Kill Bill mehr als einmal Pate stand. Und weil wir uns dadurch im asiatischen Kino so wohl fühlen, werfen wir auch gleich noch einen Blick auf die Lone Wolf & Cub Serie und dessen wohl stärksten Vertreter Baby Cart At The River Styx.

Die Warriors [Walter Hill]

(USA 1979)

Walter Hill machte vor allem in den 80er Jahren als Actionregisseur von sich reden. Kein Wunder, sein 1979 entstandener Film The Warriors ist nicht nur ein faszinierender Abschluss der Dekade sondern weist auch schon den Weg in eine eklektische, postmodern verspielte Zukunft des Genres. In der Geschichte eines dystopischen von kriminellen Banden beherrschten New Yorks trifft West Side Story auf räudige Comicaction, trifft pessimistischer Zukunftsentwurf auf spaßige Exploitation. Im Grunde genommen ist The Warriors nicht viel mehr als eine vom Kampf dominierte Reise durch die Nacht, bei der die titelgebende Gang um ihr Überleben kämpfen muss und sich mit Mut und Stärke auf den Straßen des Big Apple behauptet. Aber Die Warriors ist mehr als ein pulpiger Gangfilm: Er scheint ständig in Bewegung zu sein und wird durch seine Dynamik und seine kompromisslose Art zu einem beeindruckenden schmutzigen Ballett. Alles andere als ein kleiner Pulp-Film, den man nur ironisch schauen kann, sondern viel mehr ein durchdachtes, rhythmisiertes Actionepos mit Humor aber auch mit Ernst, mit Augenzwinkern, aber auch mit Spannung und Pathos.

Ein Haufen verwegener Hunde [Enzo G. Castellari]

(Italien 1978)

Action und Krieg… Puh… ein schwieriges Thema. Ab welchem Punkt wird die filmische Verknüpfung des ernsten Topos mit dem auf Unterhaltung ausgerichteten Genres problematisch? Wo darf die Realität enden und selbstgefällige Exploitation des Sujets beginnen? Wann wird Leid und Schrecken zu sehr ausgeblendet, um kindlichen Fantasien Platz zu machen? Ich tue mich schwer mit einer Antwort, mag aber an dieser Stelle festhalten, dass sich Castellaris Inglorious Bastards (mit dem Originaltitel: Quel maledetto treno blindato) einen Teufel um diese Fragen schert. Statt einer Auseinandersetzung mit diesen Fragen gibt es hier zynische Abenteueraction vom Feinsten: Der titelgebende Haufen besteht aus mehreren Gefangen, Kleinkriminellen und Deserteuren, die im Jahr 1944 durch den Zufall bedingt eine zweite Chance erhalten zu Helden des Krieges zu werden. Und diese Chance nehmen sie natürlich wahr, in endlosen Kugelhageln, mit ner Menge flotter Sprüche, viel Gewalt und exploitativer Action. Moralisch hat der Haufen verwegener Hunde nicht viel zu sagen, und einen realistischen Weltkriegsfilm sollte man von ihm auch nicht erwarten. Dafür gibt es solide Action, viel Ramba Zamba und eine großartige Antiheldencrew. Sollte man ironisch sehen (oder zumindest so tun als ob), dann kann man hier aber ne Menge kaputten Spaß finden.

Fluchtpunkt San Francisco [Richard C. Sarafian]

(USA 1971)

For the record: Ich bin alles andere als ein Fan cineastischer Autoverfolgungsjagden. So gesehen müsste Vanishing Point eigentlich der vollendete Antifilm für mich sein. Denn viel mehr als Auto-Action gibt es hier nicht zu sehen. Der Film um einen ehemaligen Rennfahrer, der versucht ein Auto innerhalb von 15 Stunden von Denver nach San Francisco zu bringen, ist eine einzige Chase Scene ohne große inhaltliche Extravaganzen. Was ihn von den Bandits und höllenhaften Highways dieser Welt abhebt, ist seine knochige, rohe, nicht nur makabere sondern bisweilen auch ziemlich düstere Art. Fluchtpunkt San Francisco hat zwar auch einige spaßige Momente im Gepäck, ist aber für einen Film seines Themas überraschend ernsthaft, pessimistisch und grimmig. Er versprüht Easy Rider Vibes und blinkt auch immer mal wieder links Richtung Gegenkultur. In seinem Ansatz ist er mutig, in seinem Plot konsequent und in seinem Ende knallhart und bedingungslos. Wie gesagt, alles andere als der typische Autoverfolgungsfilm, von denen es auch ehrlich gesagt viel zu viele gibt.

Lady Snowblood [Toshiya Fujita]

(Japan 1973)

Noch so ein Film, der deutlich ernster und elegischer daherkommt, als man erwartet, wenn man nur die Zitate aus Tarantinos postmodernen Spielereien kennt. Die Verfilmung des gleichnamigen Mangas ist aber auch kein reiner Actionfilm sondern ein Jidai-geki, ein Film, der tief in der japanischen Kultur verwurzelt ist und seine harte Action auf dem Tableau eines Historienfilms aufführt. Dennoch darf man hier keinen ruhigen, eleganten Kurosawa-Streifen erwarten. Lady Snowblood (Im Original Shirayuki-hime; ein Wortspiel aus Prinzessin und Dämon) ist brutal und blutig. Körperteile werden abgeschlagen, Menschen werden hingerichtet, das Blut fließt in Strömen und der Tod lauert hinter jeden Ecke. Die Protagonistin ist ein gnadenloser Racheengel, ihre Hintergrundgeschichte ist ebenso tragisch wie morbide, und ihre Art zu kämpfen ist ohne jedes Mitleid. Und so changiert Lady Snowblood geschickt zwischen stylisher Exploitation und blutigem Historienfilm, zwischen Actionepos und makaberer Rachesaga. Martial Arts im wahrsten Sinne des Wortes: Kampf als Kunst, Kampf als symbolisches Drama, Kampf als Metapher auf das Leben an und für sich. Pflichtprogramm für alle, für die Action mehr ist als ein simples Feuerwerkspektakel.

Lone Wolf & Cub – Baby Cart At The River Styx [Kenji Misumi]

(Japan 1972)

Alles andere als simpel ist auch die fulminante „Lone Wolf and Cub“-Reihe, die auf einem – zumindest in Japan – berühmten Mangacomic basiert. Zu insgesamt sechs Filmen hat es die Reihe in den frühen 70er Jahren geschafft, teilweise mit mehreren Filmen pro Jahr. Sehenswert sind sie im Grunde alle, funktionieren sie doch nach dem selben sehr speziellen Schema. Baby Cart At The River Styx, der zweite Film der Reihe (einer von vier, die 1972 veröffentlicht wurden) ist wahrscheinlich der, der die exquisite Formel der Serie zur Perfektion bringt: In Deutschland unter dem Titel Okami – Am Totenfluss bekannt (Kozure Okami: Sanzu no Kawa no Ubaguruma, um der Vollständigkeit halber den japanischen Originaltitel genannt zu haben) erzählt er wie seine filmischen Geschwister von einem Samurai und Auftragskiller, der sich zugleich um seinen jungen Sohn kümmert. Und dieses Konzept zieht dieser Okami-Film auch konsequent durch: Ein unfassbar einnehmendes Wechselspiel zwischen zärtlicher Vaterschaft und brutalem Mordszenario. Gekleidet in wunderschöne Bilder ist Baby Cart At The River Styx abwechselnd poetisch, romantisch und grausam direkt. Die Actionszenen sind nie besonders lang, meistens grausam pointiert, im Grunde genommen sogar eher unspektakulär, dadurch aber überraschend immersiv und mitreißend. Lone Wolf and Cub ist ein besonderer Film, der in seiner Ästhetik weit entfernt ist vom klassischen US-Actionkino der Zeit, aber auch von den japanischen Mainstreamproduktionen. Er ist nachdenklich und leise, düster und wunderschön. Vielleicht sogar ein Actionfilm für Menschen, die keine Actionfilme mögen, ohne jeden Zweifel aber einer der wichtigsten Beiträge zum Genrekino der Epoche.

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