Jurassic World: Fallen Kingdom (2018) – Herrlich alberner Blockbustertrash

Das amerikanische Blockbusterkino der letzten fünf wenn nicht sogar zehn Jahre war fest in der Hand von Marvel. Natürlich gab es auch so manchen Spielberg-Hit und auch Star Wars feierte bekanntermaßen ein größeres Comeback, aber letzten Endes kamen die großen Blockbuster dann doch primär aus den Reihen der Superhelden und Superheldinnen. Das brachte zweifelsohne den Vorteil mit sich, dass das wirklich große Popcornkino in den 2010er Jahren gegenüber den davor liegenden Dekaden verflucht viel Qualität hinzugewonnen hat. Allerdings gab es auch einen entscheidenden Nachteil: Alle anderen Studios mit Blockbusterambitionen versuchten das Marvel-Erfolgsrezept zu kopieren. Das brachte neben einigen kläglichen Versuchen ein eigenes Cinematic Universe aufzubauen (*hust DC, *hust Universal Monster) vor allem viele nette, farbenfrohe aber ziemlich generische Nerd-Actioneers hervor: Viel Pathos, viel Bombast, bunte – aber nie zu grelle – Farben, eine Brise Selbstironie und eine gewisse Sterilität sind die Markenzeichen des Mainstreamkinos der Marvel-Ära. Und auch wenn man diese Mischung mag, kann sie doch sehr schnell sehr öde werden. Mit Endgame ist nun 2019 endlich Phase 3 der großen Saga abgeschlossen und man kann nur hoffen, dass sich sowohl Marvel als auch die Konkurrenz in Zukunft wieder etwas mehr einfallen lassen, um aus diesem schicken aber abgetragenen Korsett auszubrechen. Dass auch in Post-Marvel-Zeiten gegen den Strich gebürstete Blockbuster durchaus möglich sind, beweist nämlich Jurassic World: Fallen Kingdom (2018), der vordergründig in Gestalt eines epischen Spielberg-Blockbusters daherkommt, im Laufe seiner Spielzeit aber einige Asse aus dem Ärmel zaubert, mit denen im Jahr 2018 a.D. nicht unbedingt zu rechnen war.

Drei Jahre ist es her seitdem die Eröffnung von Jurassic World mit einem Desaster endete. Seitdem leben die dort gezüchteten Dinosaurier auf der Isla Nublar ein von der Öffentlichkeit unbehelligtes Leben. Die prähistorische Idylle gerät allerdings in Gefahr, als der größte Vulkan der Insel auszubrechen und damit die Dinosaurier endgültig auszurotten droht. Die frühere Leiterin des paläontologischen Parks Claire (Bryce Dallas Howard) wird daher von einem ehemaligen Geschäftspartner John Hammonds (James Cromwell) gebeten, zusammen mit dem Raptoren-Experten Owen (Chris Pratt) so viele Dinosaurier wie möglich von der Insel zu retten und zu einem sicheren Ort zu überführen. Doch schnell stellt sich heraus, dass das Team, das ihnen zur Seite gestellt wird, andere Pläne mit der gefährdeten Spezies verfolgt.

Die düsteren ersten fünf Minuten, inklusive Strobe Lights, klassischer Horrorästhetik und abruptem Szenenwechsel, die Vorstellung der Protagonisten inklusive charmantem Augenzwinkern, das Staunen und der Pathos bei der Ankunft auf der Dinosaurierinsel… In seinem ersten Viertel versucht Fallen Kingdom wirklich alles, den Charme des ersten Jurassic Park (1993) wieder aufleben zu lassen. Das betrifft sowohl die opulente Blockbuster-Bildsprache als auch zahllose narrative Momente: Sei es die Gegenüberstellung von Wissenschaft und Mythos, die Etablierung bekannter Charaktertropes (Vom ruppigen Jäger über die kritische Wissenschaftlerin und den rücksichtslosen Geschäftsmann bis zum witzigen Geek-Sidekick) oder das ständige Oszillieren zwischen Staunen und sich Anbahnendem Schrecken. Diese Mischung funktioniert deutlich harmonischer als im direkten Vorgänger Jurassic World (2015) und ist natürlich weitaus dichter und überzeugender als in den trashigen 90er Jurassic Park Sequels. Regisseur Juan Antonio García Bayona scheint hier wirklich seine Hausaufgaben gemacht zu haben und man wähnt den Spielberg’schsten Jurassic Park seit dem epischen Klassiker vor sich…

…und dann fällt das alles komplett in sich zusammen. Fallen Kingdom wird zu einem beeindruckenden Pulp-Flick. Er mag dadurch seinen epischen Zauber verlieren, dafür gewinnt er aber etwas mindestens ebenso Wertvolles hinzu. Fallen Kingdom verwandelt sich nämlich in einen Blockbuster der alten alten Schule, die in unserer Zeit eigentlich ausgestorben schien: Edel Trash der Marke Hollywood, der auf herrlich vergnügte Weise auf albernere, kitschigere Zeiten referiert. Filme wie Indiana Jones und der Tempel des Todes, Flash Gordon oder auch der erste Star Wars. Filme, die eben noch nicht so glatt poliert und familienfreundlich daher kommen wie das heutige Popcornkino, sondern ruppiger, dümmer und auch dreckiger sind. In Jurassic World: Fallen Kingdom ist wirklich alles drin was diese Hybride aus Blockbuster und Midnight Movie auszeichnet: Inklusive Monsterhorror, inklusive cheesy Dialoge, inklusive einer haarsträubenden Geschichte, inklusive so unerwartetem wie forciertem Schauplatz- und Stimmungswechsel, inklusive zahlloser Logiklöcher, inklusive James Bond Villains, inklusive komplett überambitionierten Actionszenen und absurden Plotentwicklungen

Das funktioniert als unterhaltsamer Spaß relativ gut, wird allerdings immer dann blöde, wenn es sich viel zu ernst nimmt (was wiederum viel zu oft passiert). Hier fällt vor allem der ökologische, politische Pathos merkwürdig unpassend unangenehm auf. Zu viele moralische Selbstverliebtheit steht einem solchen dummdreisten Filmfeuerwerk einfach nicht gut zu Gesicht. Immer wenn Fallen Kingdom zum Nachdenken anregen will, stolpert er über seine eigenen Ambitionen. So konsequent sein Pulp-Charakter im Action- und Horrormodus ist, so inkonsequent wird er, wenn er beginnt sich selbst zu reflektieren. Ach, was wäre das für ein fantastisches Pulp-Meisterwerk der alten Schule geworden, wenn Regisseur Bayona nicht zu oft bemüht wäre etwas ernsteres, opulenteres und dramatischeres zu erzählen!

So braucht man schon eine gehörige Portion Suspension of Disbelief und Suspension of unneccessary Pathos, um den zweiten Jurassic World genießen zu können. Dann wiederum ist er aber ein aufrichtig dummer Trash Blockbuster mit vielen großen Momenten, einer Menge perfekt passender unfreiwilliger Komik und absurden Grusel- und Actioneinlagen. Genau mit diesem ruppigen, pulpigen Charme vielleicht doch der beste Jurassic Park Vertreter seit Jurassic Park. Die familientaugliche Blockbusteropulenz von Jurassic World erreicht er damit natürlich nicht und auch vom Zauber des Erstlings ist er weit, sehr weit entfernt. Und ja, natürlich handelt es sich letzten Endes um einen ziemlich aufgeblasenen, dummen, mitunter auch peinlichen Film, dem ein vernünftiges Pacing ebenso fehlt wie tiefergehende Inhalte. Dafür liefert er aber etwas anderes: In der Tat mutiges, unerwartet raues Popcornkino, das beweist, dass auch heute noch in den großen Cineplexen eine Ästhetik, Narration und Haltung möglich ist, die sich auf komplett anderen Pfaden als die Marvel-Epigonen bewegt. Und das ist ohne Zweifel ein verdammt gutes Zeichen.

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