Kurzrezensionen 2011: Harry Potter und die Heiligtümer des Todes 2, Super 8, Planet der Affen: Prevolution

Pfff… Wer geht schon im August ins Kino…? Hallo! Hier. Ich natürlich. Wenn schon das Wetter nicht viel hermacht, so kann man sich wenigstens in die fantastischen Arme der kinematographischen Traumfabrik flüchten. Und Träume versprechen die drei Filme dieses Filmabrisses alle, und zwar im großen Maße. Wir haben die epischen Sommerblockbuster vor uns, die sowohl Herz als auch Nerven berühren wollen, die große Gefühle liefern, nur um sie kurz darauf im gigantischen Actioninferno zur Hölle zu jagen. Super 8, der als Zusammenarbeit von Steven Spielberg und J.J. Abrams gleich mal versprechen darf, sowohl Nostalgiker als auch State-of-the-Art-Fantasten zufrieden zu stellen. Harry Potter, der in Die Heiligtümer des Todes Teil 2 endlich zum letzten Mal seinem Erzfeind entgegen tritt und die Geburt einer neuen Welt in Planet der Affen: Prevolution… Eigentlich genug Stoff um die Kinosäle zum Träumen zu bringen. Welche dieser Träume sich erfüllt haben und von welchen nur ein laues Zelluloid-Lüftchen übrig geblieben ist, erfahrt ihr nach dem Klick.

Super 8 [J.J. Abrams]

(USA 2011)

„Cloverfield trifft E.T.“… schon nach dem Trailer und der Information, dass hier J.J. Abrams als Regisseur und Steven Spielberg als Produzent tätig sind, schien die Richtung von Super 8 festzustehen. Und tatsächlich spricht erst einmal alles für ein Mashup der beiden Inszenierungsstrategien und Genrepräferenzen. Eine Gruppe von zehnjährigen will im Jahr 1979 einen Independent-Horrorfilm drehen, macht eine Gleisanlage als perfekten Szenen-Hintergrund aus und hält so durch Zufall ein gigantisches Zugunglück fest, bei dem irgendeine außerirdische Lebensform entfleucht. Willkommen in der Welt von Steven Spielberg, willkommen in der Welt, in der nostalgische Kindheitserinnerung, Familiendrama und Fantasy einen atemberaubenden Blockbuster-Cocktail ergeben. Die außerirdische Lebensform entpuppt sich schnell als Bedrohung für das kleine Nest, in dem die Kids leben. Menschen werden entführt, ganze Straßenzüge zerstört, das Militär rückt ein und liefert sich explosive Gefechte mit der unbekannten Bedrohung. Willkommen in der Welt von J.J. Abrams, in der in jeder Sekunde alles – wirklich alles – zu Bruch gehen kann, eingefangen in stylishen CGI-Schlachten, mit atemberaubenden Kamerafahrten, zahllosen Lens-Care-Effekten und natürlich viel Krach Bumm Bumm.

Super 8 ist einer jenen Filme, bei denen man in den ersten zwei Dritteln das Gefühl hat, dass alles richtig läuft. Das Szenario ist die perfekte nostalgische Kulisse für einen herrlich altmodischen Film im besten Sinne des Wortes. Die Charaktere sind ungemein liebevoll gezeichnet, allen voran die drei kindlichen Protagonisten Joseph, Alice und Charles. Während diese wie der Zuschauer mehr und mehr von den Geschehnissen um sie herum gefangen genommen werden, wird immer deutlicher was so vielen anderen Filmen mit kindlichen Protagonisten in unserer Zeit fehlt: Empathie, Respekt und Authentizität. Alle drei Eigenschaften hat Super 8 in Überfülle. Die Dialoge sind herausragend ausgearbeitet, sind mit das glaubwürdigste, was man in den letzten Jahren im Kino von Kindern hören durfte. Die Schauspielleistungen sind herausragend – allen voran Elle Fanning -, und ohnehin wird hier der wunderbare Geist des 80er Jahre Kinos wiederbelebt, in dem die Kinder die unanfechtbaren Protagonisten und die Erwachsenen maximal Staffage waren. Letztere werden dann auch konsequenterweise das ein oder andere Mal vorgeführt: Als hysterische Kleinstädter, als Drama-Queens, brutale Militärs und überforderte Eltern, denen es nicht gelingt, die Gefühle ihrer Kinder ernst zu nehmen, während diese die Welt fast im Alleingang retten. Jepp, bei Super 8 ist endlich mal wieder ein großartiges Fantasy-Spektakel für die ganze Familie, bei dem die Kinder konsequent die Oberhand behalten dürfen.

Leider wird dieser Eindruck gerade im letzten Drittel des Films erheblich geschmälert. Es mag unfair sein, Steven Spielberg (der nur als Produzent tätig war) die ersten zwei Drittel zuzuschreiben und für den misslungenen Schlussakt J.J. Abrams verantwortlich zu machen… aber genau dieses Gefühl drängt sich eben auf. Eine sukzessive Enthüllung der außerirdischen Bedrohung, ohne dass diese auch nur im Ansatz in dieser Form gerechtfertigt wäre. Ein vollkommen unpassendes Over-The-Top-Actionspektakel, ein ziemlich dünner Story-Strang um zwei erwachsene Protagonisten, der den Film eine Menge Authentizität einbüßen lässt… am Ende verlässt Super 8 all zu oft die wunderbar altmodischen Pfade und landet beim Science Fiction Kino von heute. Gerade im Schlussakt wirkt es fast schon befremdlich, wenn J.J. Abrams mit aller Gewalt versucht das E.T.-Feeling zu reintegrieren und dabei auf fast ganzer Linie scheitert. Am Ende bleibt der Wunsch, der Regisseur hätte den Mut gehabt, den Film konsequent, gänzlich auf der Nostalgie-Schiene laufen zu lassen und an die Anbiederung an aktuelle Sehgewohnheiten zu verzichten, ebenso wie das Gefühl, dass Abrams ein Meister darin ist, herausragende Szenarien zu entwerfen und tolle Geschichten zu erzählen, ohne diese zu einem runden, schlüssigen Ende führen zu können.

Trotz dieser Makel überwiegt der positive Eindruck. Super 8 ist summa sumarum ein wunderschöner Film, ein großteils geglückter über weite Strecken im wahrsten Sinne des Wortes fantastischer Ausflug in die goldene Ära des Fantasykinos, eine tiefe Verbeugung vor den Ikonen des Genres und ein ungemein berührender, warmherziger und empathischer Familien-Blockbuster. Gerade die letzten Bilder sind diesbezüglich noch einmal angenehm versöhnend. Es empfiehlt sich beim Abspann noch ein paar Minuten sitzen zu bleiben, um einen augenzwinkernden Schlussspurt zu genießen. Und damit sei auch eine Empfehlung für den gesamten Film ausgesprochen. Gegen Ende zwar schwächelnd, aber doch ein eindrucksvolles, dichtes und wunderbar berührendes Kinoerlebnis.

Harry Potter und die Heiligtümer des Todes: Teil 2 [David Yates]

(Großbritannien 2011)

Okay, machen wir es kurz: Der letzte Teil der Harry Potter Franchise ist doof. Nicht doof genug, um der schlechteste Teil der Reihe zu sein (diese Ehre gebührt der Kammer des Schreckens und dem Halbblutprinzen), aber doch so doof, dass man sich als Zuschauer unweigerlich fragt, was die Produktion und Regie geritten hat, der netten, teilweise wunderbaren Franchise ein derartig unwürdiges Ende zu verpassen. Harry Potter und die Heiligtümer des Todes: Teil 2 enttäuscht vor allem deswegen, weil der erste Teil so viel richtig macht, was bei J.K. Rowlings Vorlage schief läuft. Wo der Roman sich in seiner ersten Hälfte in drögen Wanderungen und viel Esoschmonz und Bestimmungsgeschwurbel verliert, gelingt es der Verfilmung eine spannende Fantasyjagd in ruhigen Bildern zu erzählen und in einigen Momenten wie der fantastischen Tanzszene zwischen Harry und Hermine fast schon Arthouse-Dimensionen zu erreichen. Das versprach einiges für das Finale, war doch dieses in der Vorlage – im Gegensatz zu seiner Vorbereitung – spannend, gigantisch, mitreißend und einfach episch…

…Und genau diese Attribute setzt Deathly Hallows Part II perfekt in den Sand. Wenig ist geblieben von Rowlings monumentalem Ende der Serie. Stattdessen wird der Zuschauer hineingeworfen in ein ständig gehetztes, von unnötigen Albereien durchbrochenes CGI-Spektakel, dem sowohl Herz als auch Kopf früherer Verfilmungen fehlen. Wo die Figuren in der Vorlage (und auch in den Vorgängerfilmen) deutlich reifer und erwachsener geworden sind, dominiert hier noch einmal Teenager-Slapstick. Die Romanze zwischen Ron und Hermine, in der Vorlage bereits nicht sonderlich gewitzt ausgelöst, verpufft hier zum billigen „Jetzt ist Zeit zum Knutschen“-Gag. Neville!? Was hat der Film nur aus Neville gemacht? Warum wird sein schönster Moment der Franchise derart mit billigem Slapstick und Potter-Fokus torpediert? Warum dieser unnötig reingeworfene Love-Interest-Subplot (auf den J.K. Rowling stolz und bewusst verzichtet, sich sogar explizit zu diesem Verzicht in Interviews äußerte und diesen nachvollziehbar begründete)? Warum dieser ständige Bruch des Epischen durch billigen Humor? Warum der Bruch des Bruchs durch übertriebenen Kitsch? Warum der Bruch des Bruchs des Bruchs des… heraus kommt ein enervierender, nerviger, gehetzter Streifen, der einfach keinen Spaß macht. Das einzige, was der Film wirklich besser macht als die Vorlage ist die Entwicklung und Darstellung der Malfoys. In einer der gelungensten Szene des Films fragt Voldemort Lucius, wie dieser sich selbst ertragen könne, worauf Malfoy Senior keine Antwort findet. In diesem selten dichten Moment erreicht Part II die Klasse der ersten Heiligtümer des Todes. Ein rarer Moment, über den man sich als ausgehungerter Cineast dennoch – gerade deswegen – umso mehr freut.

Klar, die Schlachten sind ganz schick gemacht. Es gibt noch einmal viel zu staunen, schöne Bilder an denen man sich ergötzen kann. Aber irgendwie wirkt das alles doch ziemlich blutleer, nichtssagend und vor allem ohne jegliche Empathie. Kein Mitfiebern, keine emotionale Ergriffenheit und eine nicht zu ignorierende Freude wenn die Chose vorbei ist. Man wartet auf das Ende, weil eben irgendwann alles enden muss, selbst der Goldesel Potter. Und mit dieser Ausrichtung auf das Schlussfeuerwerk, den letzten Akt, das Fallen des Vorhangs ist der zweite Teil des siebten Teils eine herbe Enttäuschung… auch über Vergleiche mit dem Buch hinaus… ein lahmes, seelenloses Fantasyspektakel. Wie zu erwarten war, auf episch getrimmt, ohne dieses Versprechen über große Bilder hinaus einlösen zu können. Da passt es nur zu gut, dass die letzte Szene des Buches brav adaptiert wird und das gesamte Publikum zum unangenehmen Fremdschämen und erleichterten Auflachen einlädt. Es ist nun einfach mal unfreiwillig komisch, wenn Teenager oder Twens auf vierzig geschminkt werden. So etwas ist bei einem Schultheaterstück verschmerzbar, nicht jedoch bei einer millionenschweren Blockbuster-Franchise. Dass Harry Potter in seinen letzten Minuten B-Film-Niveau erreicht  ist der unrühmliche Verdienst dieses Films, der zwar die Größe der Serie nicht brechen kann, dieser aber final den fast denkbar größten Schaden zufügt. Cruzio!

Planet der Affen: Prevolution [Rupert Wyatt]

(USA 2011)

Bezüglich Rise of the Planet of the Apes habe mich meine ganz eigene, persönliche Prevolution durchgemacht (egal was die anderen sagen; ich finde das Wortspiel des deutschen Synchrontitels genial): Ich liebe den Klassiker Planet der Affen (1968) und auch seinen Fortsetzungen konnte ich einiges – mal mehr mal weniger – abgewinnen. Das Remake von Tim Burton fand ich katastrophal: Viel zu wenig humanoid schienen mir die dargestellten Affen, die Geschichte konnte nicht im Geringsten mit der bissigen satirischen Note des Originals mithalten, und das ganze Szenario war Dank übertriebener Effekthascherei und lahmer Dramaturgie per se zum Scheitern verurteilt. Bei Planet der Affen: Prevolution erwartete ich ein Sequel zu eben genau jenem Streifen, und die verspoilerten, actionreichen Katastrophenfilm-Trailer ließen auch nichts sonderlich Gutes erahnen. Letzten Endes bin ich doch rein gegangen, und im Nachhinein kann ich nur attestieren: Rupert Wyatts Version der Entstehung der Affenherrschaft über unseren Planeten gehört nicht nur zu den Überraschungen sondern sogar zu den besten Filmen der Saison.

Das liegt vor allem daran, dass hier nicht im geringsten das effektgeladene Katastrophenszenario geboten wird, das die Trailer fälschlicherweise versprochen haben. Gut so! Stattdessen ist die Prevolution ein straight erzähltes, dramaturgisch dichtes (wenn auch nicht allzu komplexes) Science Fiction Drama. Und die Betonung von Drama darf an dieser Stelle durchaus wörtlich genommen werden. Ohne Überhastung konzentriert sich der Film auf die beschleunigte intellektuelle Evolution seines Schimpansen-Protagonisten Caesar, der als Ergebnis von wissenschaftlichen Tests weitaus intelligenter als andere Tiere seiner Spezies ist, zuerst bei seinem Ziehvater Will (James Franco) lebt, bevor er ins Tierheim abgeschoben wird und nach der dortigen Tortur schließlich gegen seine menschlichen Unterdrücker aufbegehrt. Auch wenn Rupert Wyatt nicht ganz den Mut hatte, Caesar vollkommen ins Zentrum zu rücken und ein etwas blasser James Franco die menschliche Identifikationsfigur mimen darf, so bleiben doch Kamera, Blickwinkel und Empathie fast den ganzen Film über bei dem Schimpansen, und das gereicht Rise of the Planet of the Apes extrem zum Vorteil.

Von einigen kleinen Abweichungen abgesehen, wird hier nie in Frage gestellt, mit wem wir mitfiebern, mitleiden und uns mitfreuen sollen: Mit den Affen, die auf brutalste Weise vom Menschen unterdrückt werden. Trotz der Eskalation im Nacken (dem Trailer sei Dank) hoffen wir auf ihre Freiheit, drücken ihnen die Daumen und freuen uns über jeden ihrer kleinen Erfolge. Das Maximum an Empathie, das der Film für seine tierischen Protagonisten generiert, verdankt er natürlich in erster Linie den herausragenden Special Effects: Die Animationen geschmeidig, der Habitus zwischen animalischem Instinkt und wachsender Selbsterkenntnis stets plausibel und nachempfindbar, die Motion-Capture State of the Art und so weiter… Aber große Tricktechnik allein reicht nicht aus, um Gefühle zu erwecken (ein Fakt, der bereits James Camerons Trickspektakel Avatar extrem zum Nachteil gereichte). Es braucht eine geschliffene Erzählung, Timing, den richtigen Riecher für große pathetische Momente. Und all das hat dieses herausragende Prequel zu bieten.

Klar, die Geschichte bleibt vorhersehbar, ist geradlinig erzählt und erlaubt sich keine großen Schlenker. Dabei ist sie aber derart nah an ihrem Protagonisten, hat keine Scheu vor pointierter Melancholie und opulentem Pathos, so dass man ihr ihre Simplizität kaum vorwerfen kann. Rise of the Planet of the Apes funktioniert einfach perfekt auf einer emotionalen Ebene, als großes Science Fiction Melodram als raffinierter Entwurf einer drohenden Apokalypse. Die große – gar nicht mal so große – Katastrophe gegen Ende darf es dann auch noch geben; diese ist aber derart butterweich in den Plot eingebettet, dass sie im Gegensatz zu den Actionsszenen von Super 8 niemals störend oder too much wirkt. Planet der Affen: Prevolution ist ein erstaunlich starker, bewegender und geschickt arrangierter Sommer-Blockbuster. Weitaus berührender als so manches derzeitig große Hollywood-Melodram, weitaus spannender als die meisten durchschnittlichen Thriller dieses Jahres, realistisch – so weit es in diesem Genre eben möglich ist – und mit dem Herz am rechten Fleck. Und das schöne, runde Ende hat gar noch das Versprechen auf eine Fortsetzung im Paket, auf die ich mich in diesem Fall bedingungslos freuen kann. Der beste Film des Sommers.

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Erstveröffentlichung: 2011