Kurzrezensionen: Revanche, Buried, Megamind, Wall Street 2, Hot Tub Timemachine

Bevor die ganz unter den Tisch fallen… ein paar Filme unter der Prämisse „Was habe ich in letzter Zeit so alles an Kino verpasst, weil ich mit der Aufarbeitung der cineastischen 90er Jahre beschäftigt war?“ kurz rezensiert. Das puristische Revengedrama Revanche, Dreamworks Familienunterhaltung mit dem Superschurken Megamind, ein düsteres und beklemmendes Kammerspiel auf wirklich engstem Raum in Buried, die Wall Street Fortsetzung „Geld schläft nicht“, sowie 80er-Nostalgie inklusive albernem Humor für kleine Jungs bei Hot Tub Timemachine.

Buried – Lebendig begraben [Rodrigo Cortés]

(Spanien 2010)

Der hat sehr gefallen… Ja, Buried spielt tatsächlich an einem einzigen Ort. Und jedes Kammerspiel ist ein episches Panorama im Vergleich zu diesem kleinen, dreckigen und hochspannenden Thriller, dessen Handlungsraum sich auf einen engen Holzsarg beschränkt. In diesem findet sich der Amerikaner Paul Conroy wieder, nachdem er als ziviler Truckfahrer im Irak arbeitete und dort von Terroristen entführt wurde. Womit schonmal gleich in der Disposition klar gemacht wäre, dass es hier weder um ein who dunnit Rätsel noch um einen verschachtelten Mysterythriller geht. Warum und wieso der Protagonist Opfer wurde, ist schnell erzählt, Finten, Fährtensuche und ähnliches hat Buried nicht nötig um ein packender Survival-Thriller zu sein. Nein, hier steht tatsächlich einzig und allein der Überlebnskampf auf engstem Raum im Mittelpunkt. Erzählt mit dunklen, flackernden Bildern aus zwangsläufig beschränkter Perspektive und mit wenig Kontakt zur Außenwelt. Wer glaubt, dass das nicht spannend sein kann, wird schnell eines Besseren belehrt. Allein die klaustrophobische Enge und die Wechsel zwischen Wachen und Schlafen, zwischen panischen Hilferufen mit dem Handy und ungelenker Orientierung mittels Feuerzeug sind so spannend und furchteinflößend, dass  nicht einmal klassische Spannungsmomente wie das Auftauchen einer Schlange nötig gewesen wären. Buried funktioniert in seinem selbst auferlegten Puritanismus, hält ohne Probleme seine 90 Minuten durch, ist aufs wesentliche reduziert, benötigt keine Schnörkel, um das Adrenalin permanent in Fahrt zu halten. Ein düsterer, starker und gewaltiger Thriller, der auch einem Alfred Hitchcock gut zu Gesicht gestanden hätte.

Revanche [Götz Spielmann]

(Österreich 2008)

Der hat umgehauen… Schon der Prolog verspricht einen ungewöhnlichen Film, und dieses Versprechen wird während der gesamten Dauer des Films mehr als eingelöst. Zwischen zwei Milieus pendelnd erzählt Revanche von einem Kleinkriminellen, einem tragischen Unfall während eines Verbrechens und einem einfachen Polizisten, der durch diesen Unfall große Schuld auf sich lädt. Auf der einen Seite das Bürgertum, das aus seiner friedlichen Existenz gerissen wird, auf der anderen Seite der Untergrund, Abgrund der Gesellschaft, gefangen in seinem eigenen sozialen Mikrokosmos. Spielmann erzählt diesen Zusammenprall zweier Lebenswirklichkeiten befremdend distanziert, mit langen statischen Einstellungen, die zwischen Voyeurismus und wissenschaftlichem Ehrgeiz pendeln. Der ruhige, in seiner ungeheuren Akribie an Haneke erinnernde Inszenierungsstil schwankt gekonnt zwischen der naturalistischen Milieustudie eines Gerhard Hauptmann und einem impressionistischen Gemälde, das seelische Zustände nach außen kehrt. Wir sehen einen Mann Holz hacken, quälend lang, statisch, nichts passiert und doch lernen wir in diesen Sequenzen alles über seine angestauten Aggressionen, seinen Kampf gegen und sein Hardern mit sich selbst. Wir sehen einen Betrug, oder die Form eines Betrugs, die Reduktion der Leidenschaft auf das Atavistisches, Evolutionärste. Wir sehen Angst, Überforderung, wir sehen und leiden nicht mit, fühlen nicht mit und werden gegen Ende doch berührt, auf grandiose Weise aus unseren eigenen eingeschränkten Perspektiven gerissen. Ein präziser, tiefgründiger, bösartiger aber auch optimistischer Film. Eine Versuchsanordnung und doch mehr als das. Denn hinter seiner vordergründigen Kälte verbirgt Revanche einen melancholischen, empathischen Blick auf das Menschliche. Schlicht und ergreifend ein Meisterwerk.

Wall Street: Geld schläft nicht [Oliver Stone]

(USA 2010)

Der war, wie erwartet… Und besonders hoch waren die Erwartungen nicht. Klar, ist es erst einmal toll Gordon Gekko wieder zu sehen. Vor allem als geschlagenen Verlierer, der nach langer Haftdauer zuerst gegen Gier im Wirtschaftssytem des 21. Jahrhundert predigt und schließlich doch wieder den Zyniker und Egomanen heraushängen lässt. Klar, die Anspielungen auf das Original haben Spaß gemacht. und ebenfalls klar, dass die Transformation des klassischen Wirtschaftsthrillers in die ökonomischen Dispositionen des 21. Jahrhunderts spannend ist. Wall Street 2 holt aber das denkbar wenigste aus diesen vielversprechenden Prämissen heraus. Das fängt schon damit an, dass Shia Labeouf bei weitem nicht so zwielichtig, charismatisch und zugleich abstoßend ist, wie Charlie Sheen in seiner damaligen Yuppie-Rolle. Irgendwie will Oliver Stone seinem Publikum dann doch einen sympathischen Protagonisten zur Seite stellen. Und dieser bleibt den ganzen Film über blass und austauschbar. Schon bezeichnend, dass die spannendste Figur des Films – neben Gordon – der nur einen Cameo erhaltende Bud Fox (Charlie Sheen) ist, über dessen Werdegang man als Zuschauer gern mehr erfahren hätte. Stattdessen reicht es gerade mal für einen 60-Sekunden Auftritt. Auch ärgerlich ist die wie immer penetrante, fast schon aggressive Inszenierung von Oliver Stone, den ich hier einfach mal als einen der überschätztesten Regisseure der letzten Jahrzehnte bezeichnen will. Immerhin hat das Wall Street Sequel einen recht ordentlichen Drive und ist trotz zahlreicher Vorhersehbarkeiten ganz spannend und unterhaltsam. Nichts, was groß zum Nachdenken anregt, aber solider Spaß für Fans des Klassikers. Ordentlicher Durchschnitt und wahrscheinlich war mehr tatsächlich nicht drin.

Megamind [Tom McGrath]

(USA 2010)

Der hat enttäuscht… Dass Dreamworks seit Shrek keinen richtig überzeugenden Animationsfilm mehr produziert hat, ist kein großes Geheimnis. Während Pixar einen Animationsmeilenstein nach dem Anderen veröffentlicht, dümpelt die Spielbergsche Computerschmiede irgendwo zwischen gesundem Mittelmaß und solider Unterhaltung. Bei Megamind durfte endlich wieder was Großes erwartet werden. Der Superschurke im Epizentrum des Films, die klassische Superheldengschichte aus der Sicht des Villains, die Umkehrung aller bekannten Comicwerte…? Leider ist nicht viel draus geworden. Viel zu zahm ist der Oberbösewicht Megamind, wird bereits im Prolog zum Sympathieträger des Films gebastelt und bleibt dies auch bis zum vorhersehbaren Ende. Vor allem da weder der „echte“ Superheld noch dessen Nachfolger auch nur einen Funken Sympathie versprühen, entpuppt sich die versprochene Genredekonstruktion als familiengerechte Finte. Megamind gehorcht allen Gesetzen des Genres, bietet innerhalb derer aber dann doch recht gediegenen Spaß auf knapp überdurchschnittlichem Niveau. Da gibts dann auch ein paar satirische Spitzen für das erwachsene Publikum, ein paar überraschende Storyausreißer, die den Verlauf der Haupthandlung in klassischen Bahnen aber nicht unterlaufen können. Alles in allem der beste Dreamworksfilm seit langem, und doch nur überdurchschnittliche Familienunterhaltung. Man, was wäre bei der Disposition alles drin gewesen! Was habe ich mich auf diesen Film gefreut! Leider wieder nichts Begeisterndes. Die Referenz am Animationshimmel bleiben weiterhin die herausragenden Konkurrenzprodukte von Pixar.

Hot Tub – Der Whirlpool … ist ’ne verdammte Zeitmaschine [Steve Pink]

(USA 2010)

Der hat überrascht… Selten dämliche deutsche Titelübersetzung, interessante Prämisse und die schwelende Angst vor einem dummen Komödiendisaster. Und zu Beginn erfüllt Hot Tub Time Machine (wir bleiben beim weniger nervigen englischen Titel) auch genau diese Erwartungen: Pubertärer Humor, Saufen, Kotzen, Ficken. Wie gehabt. Schwarze Komödienware aus den USA. Aber heh! das macht trotzdem, wenn es gut gemacht und sich seiner Albernheit bewusst ist wie in diesem Fall, immer noch verdammt viel Spaß! Und vor allem geht Hot Tub Timemachine tatsächlich weiter als die letzjährigen Fäkaloffensiven wie Hangover und dessen Epigonen. Einen Haufen zynischer, verbitterter Mittdreißiger in die 80er Jahre und ihre Jugend zurückzuschicken, ist jetzt nicht über alle Maßen originell. Wenn diese aber einen 20jährigen Geek zur Seite gestellt bekommen, wird das Ganze schon weitaus spaßiger. Und das liegt nicht zuletzt an der herrlichen, bitterbösen Unkorrektheit, mit der die entsprechende Geschichte erzählt wird. Wo andere schwarze Komödien gerne doch in gewissen moralischen Bahnen bleiben, bestimmte Regeln nicht verletzen, gibt sich Hot Tub Timemachine herrlich ungezwungen böse: Hier darf gekokst und gesoffen werden, was das Zeug hält. Hier wird jede Verantwortung – egal ob ethisch oder sozial – unterlaufen, hier amüsieren sich frisch aufgelegte Midlifecrisis-Darsteller, und hier darf mitunter auf alle traditionellen amerikanischen Werte geschissen werden. Auch wenn der Film zu oft in abgedroschenen Fäkalhumor abgleitet, macht er doch mehr Spaß als die meisten ähnlich gelagerten Filme der letzten Jahre. Pubertär, checked! Dumm, checked! Albern, checked! Alles in allem ein ordentliches, überraschend fieses Vergnügen für kleine Jungs.

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Erstveröffentlichung: 2011