Kurzrezensionen: Her, Lucy, The Wolf of Wall Street, Planet der Affen: Revolution

Zweimal Kino, zweimal DVD. Zweimal Scarlett Johansson, zweimal Affengesichter (Sorry Leo). Gleich drei große Regie-Namen – Spike Jonze, Luc Besson, Martin Scorsese – und insgesamt viel hollywoodesker Eskapismus. Zeit für einen neuen Filmabriss…

Planet der Affen: Revolution [Matt Reeves]

(USA 2014)

Was habe ich mich auf diesen Film gefreut! Immerhin gehörte der Vorgänger – Rise of the Planet of the Apes- zu den besten Blockbustern der letzten Jahre und verband ganz formidabel großes Hollywood Genrekino mit humanistischen Drameninhalten. Dawn of the Planet of the Apes (Ehrlich, ich verstehe die Kritik an der deutschen Übersetzung des Titels nicht) setzt da an, wo der Vorgänger aufgehört hat: Unter Führung des Schimpansen Caesar haben sich die Dank des künstlich gezüchteten ALZ-113 hochintelligenten Affen in den Wäldern vor San Francisco verschanzt, während die Menschheit durch das selbe Virus erheblich dezimiert wurde. Disee Affen haben mittlerweile – zehn Jahre später – eine archaische aber funktionierende Zivilisation aufgebaut, gehen jagen, verständigen sich mit Zeichensprache und leben in selbst errichteten Baumhäusern, während die Zivilisation der Menschen peu à peu zu Grunde geht. Die letzten Überlebenden Einwohner San Franciscos vegetieren in der zerfallenen Großstadt vor sich hin, bis sich schließlich doch eine Chance zum Wiederaufbau offenbart: Ein brachliegendes Wasserkraftwerk vor den Toren der Stadt. Das Problem dabei: Dieses befindet sich direkt im Territorium der Affen und diese sind teilweise alles andere als gut auf die Menschheit zu sprechen.

Ließ der Trailer zum grandiosen Vorgänger vermuten, bei diesem handele es sich um einen klassischen Action-Sci-Fi Schinken, in dem sich die Menschen gegen hyperintelligente Affen verteidigen müssen, erwies sich der eigentliche Film als raffiniertes Drama, in dessen Mittelpunkt fast konstant die Sympathie für die Affen (und eben nicht für die Menschen) stand. In der Fortsetzung ist das nicht anders: Auch hier ließ der Trailer eine epische Schlacht Mensch gegen böse Affen vermuten, tatsächlich stehen jedoch auch hier wieder die haarigen Primaten im Mittelpunkt. Was das betrifft geht Revolution sogar noch einen Schritt weiter als sein Vorgänger. Während die Menschen verängstigt sind und ums nackte Überleben kämpfen – und dabei ziemlich blass bleiben – wird den Affen genug Leinwandzeit eingeräumt, um traditionelle gesellschaftliche Krisen und Konflikte zu entwickeln: Machtkämpfe, Freundschaften, familiäre Zwists, Missverständnisse, Verrat und Intrigen.. In der Zivilisation der Affen ist alles vorhanden, was auch in einem klassischen Shakespeare-Drama vorkommen  könnte. Mehr noch als in Teil Eins stehen Befindlichkeiten und Konflikte der Affen im Mittelpunkt, wodurch diese fast die gesamte Laufzeit über weitaus „menschlicher“ erscheinen als die relativ oberflächlich dargestellten Menschen selbst.

Schade nur, dass, wenn sich der Film seinem dann doch erlösenden Action-Showdown nähert, einiges an Potential für komplexere Geschehnisse verschenkt wird. Gegen Ende des Films wird eben doch ein klassischer Bösewicht aufgebaut, die Ursache den entstehenden Krieges wird eindeutig verortet und personifiziert, das Drama landet bei relativ simplen Kausalitätskonstruktionen. Dass dürfte auch ein bisschen den Bedürfnissen des Blockbuster-Publikums geschuldet sein, versprechen klare Gut/Böse-Schemata und simple Schuldzuweisungen doch entsprechenden Publikumsverkehr. Wenn es so weit ist, wird man allerdings von den großartigen Bildern, der atemberaubenden Action und dem furiosen Pathos derart in den Kinosessel gedrückt, dass man über manche Simplifizierungen hinwegsehen kann. Alles in allem erreicht Revolution damit nicht ganz die dramatische Klasse von Prevolution, für einen atemberaubenden, tiefgründigen Hybriden aus Drama, Science Fiction und Action sowie einen der besten Blockbuster des Jahres reicht es aber auch dieses Mal. Gehört zum Pflichtprogramm für den Kinosommer.

Lucy [Luc Besson]

(Frankreich 2014)

Bei einem neuen Luc Besson Film stellt sich immer die Frage, ob dieser nun zur langweiligen oder durchgeknallten Sorte des französischen Kino-Virtuosen gehören wird. Lucy fällt definitiv in die zweite Kategorie. Nachdem die titelgebende Heldin (Scarlett Johansson) von koreanischen Verbrechern entführt wurde, wird sie von diesen gezwungen ein Päckchen mit einer neuen synthetischen Droge unter ihrer Bauchdecke nach Europa zu schmuggeln. Das Päckchen platzt jedoch auf und die Substanz gelangt dadurch in Lucys Blutbahn, mit unvorhergesehenen Nebenwirkungen: Während normale Menschen nur 10% ihrer Gehirnkapazität nutzen, stehen Lucy plötzlich 20% zur Verfügung, und die Droge knabbert weiter an ihren Synapsen… 25%, 30%… Während Lucy sich auf der Flucht vor ihren Peinigern befindet, nähert sie sich sukzessive der maximalen Gehirnnutzung an und entwickelt dadurch Kräfte, die jede menschliche Vorstellungskraft übersteigen.

Klingt nach einem etwas verdrehten Superheldenfilm? Oh nein, Lucy ist sehr viel mehr und dürfte mit Sicherheit Anwärter auf den durchgeknalltesten Actioncocktail des Jahres sein. Nicht nur Lucys Denkleistung steigt konstant während der Filmdauer (was dazu führt, dass sie sich mal eben so im Flugzeug das gesamte Wissen der Menschheit über zwei Laptops aneignet), sondern auch andere Fähigkeiten kommen hinzu: Telekinese, Telepathie, Zeit- und Raummanipulation… Lucy wird nicht einfach nur zu einer Superheldin sondern zu einer Halbgöttin, gegen die wohl auch Superman ziemlich alt aussehen würde. Um gar nicht erst Stirnrunzeln über seine hanebüchene Logik zu erzeugen, inszeniert Besson diesen Trip als irre Achterbahnfahrt zwischen visuellem Eskapismus, metaphysischem Gequatsche und rasanter Übermenschen-Action und produziert damit den herrlichsten Scheiß seit langem. Lucy ist Edeltrash par Excellence. Kein Logikloch ist zu groß, um nicht hineinzurennen, keine pseudowissenschaftliche Erklärung zu albern, um nicht doch kurz zitiert zu werden, kein Actionfilmklischee zu niedrig, um nicht doch einmal aufgeführt zu werden. Lucy ist ein selten dämlicher, überambitionierter Achterbahntrip, der verdammt viel Spaß macht. Ob man über diesen Schund nun den Kopf schüttelt, oder begeistert in die Hände klatscht, hängt wohl damit zusammen wie trash-affin man ist, bzw. wie sehr man akademische Bedenken im Kinosaal beiseite kehren kann. Ich hatte jedenfalls ne Menge Spaß bei dem Film, der sich entweder viel zu sehr oder überhaupt nicht ernst nimmt. Ganz klar ist mir das selbst nicht geworden, aber ich spreche mal hiermit meine Empfehlung aus: Krasse, überdrehte Scheiße!

Her [Spike Jonze]

(USA 2013)

Anwärter auf den besten Film des Jahres! Viel mehr will ich eigentlich gar nicht schreiben, da der Zauber von Spike Jonzes neuem Hybriden aus Romantic, Comedy, Science Fiction und Tragedy wohl am besten zur Geltung kommt, wenn man ihn sich so unvorbereitet wie möglich anschaut. Die Story – Mann verliebt sich in ein Betriebssystem mit weiblicher Stimme (im Original von Scarlett Johansson gesprochen) – böte allerhand Möglichkeiten für konservative Zivilisationskritik, Kulturpessimismus oder zumindest einen kritischen Blick auf die Technisierung/Digitalisierung der Gesellschaft. Nada. Her verzichtet auf eindimensionales Fingerzeigen aber auch auf den – mittlerweile ziemlich ausgelutschten – Nerd/Indie/Hipster Schüchternheits/Romantik Mix. Stattdessen ist dieses leise Drama ein wundervoll humanistisches Statement zur Entwicklung des Menschen, zur Entwicklung von Beziehungen, zu frischer Romantik, ernsten Gefühlen, zu zwischenmenschlichen Konflikten und alltäglichen Problemen im Miteinander, ohne ständig mit dem analogen Hammer aufs Digitale zu hauen.

Das liegt zum einen dran, dass eben nicht nur der Protagonist Theodore (fantastisch: Joaquin Phoenix) im Mittelpunkt steht, sondern sich der Film ebenso intensiv den Gefühlen und Gedanken seiner virtuellen Protagonistin Samantha widmet (am beeindruckendsten umgesetzt in einer Szene, in der man sich zumindest für einen kurzen Moment fragt, ob das TV-Gerät gerade kaputt gegangen ist). Das liegt auch daran, dass der Protagonist eben nicht der typische, männliche Außenseiter aus diesen Indie-Romcoms ist, sondern ein lebendiger, vielschichtiger Charakter. Das liegt auch daran, dass das selbstständig denkende Betriebssystem Samantha nicht eine kalte, künstliche Intelligenz ist, sondern mit ihren Empfindungen und ihrer Reflexionsbereitschaft einem tatsächlichen Menschen näher kommt als jedes Meg Ryan OS oder Julia Roberts XP aus Liebesfilmen der 90er Jahre. Das liegt daran, dass hier nicht plump eine über diese ungewöhnliche Beziehung naserümpfende Gesellschaft porträtiert wird, sondern Menschen, die versuchen zu verstehen… und verstehen, Menschen die nicht einfach nur als Statisten für die im Zentrum stehende Romanze dienen, sondern ihre eigenen Gefühle und Gedanken haben (Ganz stark die beiden „echten“ weiblichen Konterparts zu Samantha, jeweils grandios gespielt von Rooney Mara und Amy Adams). Das liegt am gesamten Ton des Films: Melancholisch, ja, aber nie zu sentimental, nie zu platt, am tollen Humor und den mitreißenden, authentischen Dialogen… Jetzt habe ich doch schon zu viel geschrieben. Schaut euch diesen Film einfach an, er ist jede Sekunde wert.

The Wolf of Wall Street [Martin Scorsese]

(USA 2013)

Martin Scorsese jüngstes Drama scheint fast wie ein Experiment zu sein. Ausgangsfrage: Ab welchem Punkt wird ins Epische übersteigerter Hedonismus auf der Leinwand langweilig? Zum Versuchsaufbau gehört die Autobiografie des Börsenmakler Jordan Belfort, Leonardo DiCaprio, der dessen Part in der Verfilmung übernimmt, die – wie immer sehr gute – Kameraführung von Rodrigo Prieto und eine Geschichte, die sich konsequent über drei elend lange Stunden nur ums Vögeln, Koksen und natürlich Geld gewinnen dreht. Ja, Leonardo ist toll als selbstverliebter sonnenstudiogebräunter Börsenmakler mit Hang zum Nepp und zur Bauernfängerei. Ganz fantastisch ist sein Mitspieler Jonah Hill, der wieder einmal sich selbst spielt, das aber wiederum besser als jemals zuvor. Und ja, es ist auch schön zu sehen, dass Scorsese auf jeden Zeigefinger verzichtet, dass es keine plumpen Intrigengeschichten und keine theatralische Entwicklung zum Niedergang gibt…

…Aber bei Gott, ist der Film dadurch langweilig. Das Setting des exzessiven Börsenbetriebs in den 80ern hat man schon öfter und viel spannender gesehen. Die Protagonisten bleiben blasse Party-People, für die man weder besonders Sympathie noch Antipathie empfinden mag. Das ganze Grundgerüst des Films ist so erschreckend dünn, dass am Ende nicht viel anderes übrig bleibt als die Erinnerung an ein ermüdendes, langwieriges Porträt einer hedonistischen Klitsche. Es ist ja zwischendurch durchaus ganz nett, wenn im Trubel des Börsenexzesses so etwas wie echte Freundschaft hervorblitzt, wenn sich die Inszenierung nicht entscheiden kann, ob sie ihren Protagonisten wohlwollend, mit Laboranten-Interesse oder zynisch gegenüber stehen will. Es ist vergnüglich zu sehen, wie der Film seinen Exzess ins unermessliche steigert, nur um kurz darauf eine Schippe draufzusetzen. Aber all das, was auf der Habenseite steht, ermüdet irgendwann nur noch und man wünscht sich als Zuschauer doch etwas mehr Substanz, etwas mehr Charakter, etwas weniger Ironie. Der Film wird sich in seinem Wahn selbst egal und am Schluss bleibt nicht viel mehr als „Joa, das war bunt!“-Erschöpfung. Da hat Scorsese in den letzten Jahren mit Shutter Island oder Departed weitaus unterhaltsamere und tiefgründigere Pulp/Thriller/Action-Flicks abgeliefert.

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