Why American Horror Story sucks… a little bit

Verdammt nochmal, ich liebe diese Serie! Ich liebe, liebe, liebe sie! American Horror Story gehört für mich zu den großen Serien-Überraschungen der letzten Jahre. Habe ich sie bei Ankündigung und Präsentation der ersten Teaser noch als Standard-Mystery-Schmu abgetan, habe ich mich erst zu Beginn dieses Jahres – aus Mangel an anderem Material – auf die Horror-Serie von Ryan Murphy eingelassen… und sie hat mich umgehauen. Innerhalb kürzester Zeit habe ich die drei Staffeln weggesuchtet und kann es jetzt schon kaum erwarten, den Freakshow der kommenden vierten Staffel zu bewundern.  Daher ist dieses „Why … sucks!“-Resümee dann auch in erster Linie ein Versuch, mit Nitpicking gegen schwelendes Fanboytum anzukämpfen, in zweiter Linie dann aber doch auch eine Auseinandersetzung mit den zahllosen großen und kleinen Fehlern, die diese Serie beherbergt. Denn so genial sie auch ist, geschieht doch eine Menge stranges, dummes und einfach nur fragwürdiges Zeug im Verlauf ihrer drei Staffeln. Ganz schön schwer darauf herumzureiten, weil American Horror Story einfach mal Gott ist, aber ich will es dennoch (in diesem Fall auch relativ spoilerfrei) versuchen: Why American Horror Story sucks… zumindest ein bisschen.

1.) Die konfusen Plotlines

Das betrifft die erste Staffel ziemlich stark, die zweite Staffel überraschenderweise noch stärker und die dritte Staffel nicht mehr ganz so schlimm… aber irgendwie ist es dann doch ein Moment, dass sich durch die gesamte Serie zieht: Dämonen, Aliens, Geister, psychopathische Mörder, Voodoo, Wiedergeburten und Wiederwiedergeburten: Bei all seinen Topoi verliert American Horror Story oft seinen Fokus und schlingert dilettantisch von einem Bild zum nächsten. Das wirkt insbesondere deshalb so irritierend, weil die einzelnen Staffeln ja grundsätzlich in sich abgeschlossen sind, sich eigentlich jeweils auf ein berühmtes Element des Genres konzentrieren wollen: Aber es gelingt weder der ersten Staffel sich vollkommen und ausnahmslos auf das Spukthema einzuschießen, noch der Dritten dies mit dem Komplex Hexen zu tun… und erst recht gelingt es nicht Staffel 2 im eigentlich reichhaltigen Horrorangebot einer archaischen Psychiatrie zu bleiben: Stattdessen springt die Serie von Folge zu Folge zu anderen Sujets, Themen und Plotlines, verirrt sich mal zwischendurch komplett im surrealen Mystery, nur um kurz darauf vom klassischen, augenzwinkernden Horror zum großen Drama shakespeare’schen Ausmaßes zu stolpern. Auf der Strecke bleibt dabei oft genug die Orientierung des Zuschauers, der sich gerade noch in einem spannenden Plot pudelwohl gefühlt hat und sich plötzlich mit einem vollkommen neuen Thema auseinandersetzen muss, das im schlimmsten Fall so überhaupt nicht zur restlichen Atmosphäre passt. Ich meine, Aliens?! Come on!

2.) Die Jessica Lange Soloshow

Ja, wir haben es verstanden: Jessica Lange ist eine fantastische Schauspielerin. Und den EmmyGoldenGlobe für ihre Darstellung in American Horror Story hat sie sich redlich verdient. Aber warum zur Hölle bekommt sie in jeder Staffel immer wieder den selben Part? Egal ob als schräge Nachbarin, die immer mehr weiß als alle anderen, als oberste Nonne im Sanitarium oder Hexen-Anführerin, Jessica Lange hat sie gesamte Serie voll im Griff und spielt mit ihren emotionalen Ausbrüchen zwischen Tragödie, Komödie und Wahnsinn alle anderen Schauspieler locker an die Wand. Nicht schlimm, sie hat es ja auch tatsächlich drauf. Aber Dramaturgie und Inszenierung machen auch wirklich alles, um diese extreme Dominanz noch zu verstärken: Wenn Lange immer die spannendsten, herausforderndsten und schillerndsten Rollen zugesprochen bekommt, wenn Langes Charaktere immer die meiste Leinwandzeit bekommen und sie auch immer die wildesten Parts spielen darf, wenn alle anderen Schauspieler (mit ein, zwei Ausnahmen) eher solide sind, dann ist das schon ein bisschen so, als würde man den FC Bayern München bewusst gegen die C-Jugend einer Kreisklasse spielen lassen, nur damit die Mannschaft noch glorreicher als ohnehin schon wirkt.

Und dann wird die Serie tatsächlich immer wieder zur bloßen Jessica Lange Solonummer. Wie gerne würde ich Lange mal in einer kleineren, subtilen, zurückgezogeneren Rolle sehen; in einer Rolle, in der ihre große Bandbreite bewusst eingeschränkt wird und in der sie sich gegen „stärkere“ Charaktere behaupten muss. Ich bin mir sicher, auch in dieser Formation würde sie glänzen, alle anderen Darsteller locker an die Wand spielen und wahrscheinlich trotzdem das gesamte Staffel-Plateau für sich beanspruchen… wahrscheinlich wäre ihre Leistung dafür aber umso beeindruckender, schlicht, weil sie für die Ahhs und Ohhs richtig kämpfen müsste und ihr diese nicht vom Skript und der Kamera auf einem Silbertablett serviert werden würden.

3.) Das Dauerfeuer

Hölle! American Horror Story macht echt mal keine Gefangenen, wenn es darum geht, die Zuschauer ordentlich mit Horror, Mystery, Drama und Satire durchzuprügeln. Der unbefleckte Zuschauer wird immer – gerade zu Beginn der Staffeln – durch ein wahres Fegefeuer an Horror-Unterhaltung geprügelt und dabei überspannt diese schräge Mixtur mehr als einmal den Bogen: Als wäre die Inszenierung ein Wettbewerb, indem es darum geht abgefuckter und kurioser als alles andere zu sein, penetriert die Serie ihr Publikum gnadenlos mit wüsten Zeitsprüngen, schwindelerregenden Kamera-Tricksereien, Jump-Cuts, over the Top Geschehnissen und berserkernden Twists. Ich habe selten eine derart aggressive Inszenierung erleben dürfen, eine Inszenierung, die eben nicht bloß originell sein will, sondern einfach mal alles zusammenmixt, was zum WTF?-Schreien einlädt. American Horror Story geht ans Eingemachte und springt dabei einfach mal von Grusel über Horror über Surrealismus zu… was eigentlich? Es ist mitunter schon unfreiwillig komisch, wie sehr sich die Inszenierung bemüht, im Publikum im permanenten Schüttelfrost zu halten, gerade so, als würde eine Pause wehtun, als würde ein ruhiger Moment zum Abschalten verleiten. Immer feste druff, Subtilität können Sie sich woanders abholen.

4.) Die brave Abflachung immer gegen Ende der Staffeln

So bombastisch, groß und abgefuckt die Staffeln jeweils auch immer starten, so sehr flachen sie doch in ihrem Verlauf ab. Fast scheint es so, als würden Drehbuch und Inszenierung ein wenig müde werden, als müssten sie sich vom Kater erholen, den sie sich im vorherigen Rausch eingefangen haben: In allen drei Staffeln gibt es einen deutlichen WTF-Abfall spätestens ab der zweiten Staffelhälfte: Das Horror-Stakkato wird gemächlicher, das dämonische Lachen verkommt zu einem kleinen Schmunzeln, die vorherigen Nackenschläge gegen die Zuschauer werden zu kleinen Schubsern, und im schlimmsten Fall – insbesondere in Staffel 1 – wird die Serie gar konservativ, fährt die zuvor aufgeworfenen Plots fast schon bieder und brav nach Hause. Es irritiert einfach, wenn man zuvor mit einem Maximum an Verstörung konfrontiert war und plötzlich anfängt sich heimisch, kuschelig und nicht selten gar gelangweilt zu fühlen.

5.) Die trashigen Momente

Wow… Manchmal kann man nur noch den Kopf über die dummen Ideen der Serie schütteln. Mir nichts dir nichts verzichtet AHS unfreiwillig/freiwillig? auf jeden Horror-Anspruch und verkommt zum bloßen over the top Trash, zu dem selbst Troma „So ein Blödsinn!“ sagen würde. Gerade wenn sich die Horrorgeschichten bemühen mythisch, mythologisch und anspruchsvoll zu werden, verheddern sie sich komplett in ihrer wirren Logik, die nicht nur unfreiwillig komisch sondern zudem oft genug einfach nur deplatziert wirkt: Da gibt es dann auch mal ein Kaffeekränzchen mit Dämonen, ein Gespenster Weihnachtsfest, eine Hexen-Mediationsrunde oder einen 08/15-Serienkiller, den selbst die 80er naiv fänden. Da darf dann auch mal ein Schreckgespenst zum albernen Zirkusclown werden und ein zuvor sorgsam aufgebautes Terrorszenario komplett in sich zusammenfallen. Wie zur Hölle sollen wir uns noch fürchten, wenn das Böse einfach mal der Albernheit preisgegeben wird? Wie sollen wir mitfiebern, wenn sich Protagonistinnen so unfassbar dumm anstellen? Wie sollen wir Thrill empfinden, wenn nebenan die Kindergartenmusik gespielt wird? In seinen trashigen Momenten verliert American Horror Story jegliche Balance und wird zur unfreiwilligen/freiwilligen? Satire auf sich selbst, die Gift für jedes zuvor etablierte Schreckensszenario ist.


Warum American Horror Story dennoch rockt… (und wie!)

1.) Die konfusen Plotlines

Yeah! Wenn dir eine geordnete, stringente Erzählung wichtig ist, dann schaust du vielleicht besser Breaking Bad oder Lost. American Horror Story ist tatsächlich so etwas wie eine ADHS-Revolution des derzeitigen seriellen Erzählens, weil es einerseits auf das traditionelle – mittlerweile zumindest bei großen Serien so gut wie gar nicht mehr vorkommende – von Episode zu Episode Erzählen verzichtet, andererseits aber auch darauf verzichtet, selbst innerhalb einer Staffel, einer stringenten Plotline zu folgen. Stattdessen wird angerissen, aufgeworfen, verworfen und durch den Fleischwolf gedreht. Im Vordergrund steht die Atmosphäre und die lässt jedem Horrorfreund das Wasser im Mund zusammenlaufen: Eklektizismus wo man nur hinsieht: Der eine Handlungsfaden wühlt in klassischen Genre-Narrationen von Spukhäusern, während der andere sich ganz ungeniert bei den surrealen Welten eines David Lynch der mittleren 90er Jahre bedient und der dritte Plot irgendeinem obskuren Bodyhorror folgt. Natürlich fallen diese dann irgendwann zusammen, driften auseinander, spielen nebenbei noch einen Nebenkriegsschauplatz aus… und verdammt macht das Spaß! Warum auch auf nur eine Geschichte konzentrieren, wenn gleich mehrere spannende erzählt werden können. Den Höhepunkt erreicht dieses Prinzip wohl in der – viel zu oft geschmähten, gottgleichen – zweiten Staffel, wo Psychopathen, Aliens, Dämonen und Frankenstein-Experimente Seite an Seite koexistieren und sich gegenseitig ins Revier pinkeln dürfen. Selten zuvor war unfokussierter Eklektizismus derart befriedigend.

2.) Die Jessica Lange Solo-Show

Groß, groß, groß! Mehr muss man dazu wohl kaum sagen. Es ist jedes Mal ein Genuss, wenn die Kamera Jessica Lange einfängt, und man wird als Zuschauer einfach nicht satt von ihren Ausbrüchen, Ausrastern, ihren Höhen und Tiefen, ihrem Spiel in, mit und gegen ihre Rollen. Jessica Lange ist Gott und darf dies immer wieder in grandiosen Overacting-Momenten unter Beweis stellen. So viel Leidenschaft, so viel Spielfreude, so viel Wahnsinn… tatsächlich die beste Serien-Schauspielleistung des neuen Jahrtausends. Dagegen sehen selbst Cranston, Spacey und Buscemi blass aus.

4.) Die grandiosen Starts in die Hölle

American Horror Story bietet durchgängig die besten Staffeleinleitungen, die ich jemals gesehen habe. Jeder Staffelstart gleicht dem Moment in der Achterbahn, wenn man ganz oben ist, den Abgrund unter sich sieht und genau weiß: Jetzt gibt es nichts außer dem scheinbar freien Fall! Und wie sich die Serie dann in diesen Fall stürzt, Wahnsinn! Ohne mit der Wimper zu zucken, drischt sie auf den Zuschauer ein, reißt ihn hinab in ihre eigenen Abgründe und das Publikum kann diesem beginnenden Teuflesritt nur mit einem langgezogenen „Ahhhhh!“ folgen…

3.) Die Dauerfeuer

…und sich zudem sicher sein: Der nächste Looping, die nächste Spirale, der nächste Abgrund steht kurz bevor. Anstatt mit so etwas wie einem retardierendem Moment zu arbeiten, präsentiert American Horror Story gleich, auf den Freien Fall folgend, Looping um Looping, Schraube und Schraube, und denkt gar nicht daran, mal durchzuatmen oder stehen zu bleiben. So fühlt sich dann mitunter jede Folge wie ein kleines Staffelfinale an, in dem Höhepunkt auf Höhepunkt folgt, bis man nur noch denkt „Mehr kann jetzt aber wirklich nicht kommen!“, nur um kurz darauf eines besseren belehrt zu werden. Der Stakkato-Rausch der Plot-Höhe- und nur scheinbaren Endpunkte von American Horror Story ist grandios, nimmt keine Rücksicht auf dramaturgische Gepflogenheiten und serviert stattdessen Highlight um Highlight, bis dem Publikum im wahrsten Sinne des Wortes schwindelig ist. Der Kater gegen Ende der Staffeln? Geschenkt. Davor wird man derart erbarmungslos von verschiedensten Sujets, atmosphärischen Höhepunkten und Over the Top Ereignissen durch die Mangel gedreht, dass es locker für mehrere Serien reichen würde.

5.) Die trashigen Momente

Und zu guter Letzt! JA! Dabei wird American Horror Story mehr als einmal unfassbar trashig. Überambitioniert, überzogen, unfreiwillig komisch, albern, infantil… Aber ist es nicht genau das, was wir an überambitionierter Horror-Unterhaltung schätzen? In seinen albernen Momente ist American Horror Story so etwas wie ein Back to the Roots, ein Back to the 60’s, 70’s, 80’s, als Horror noch naiv, albern, herzerwärmend sein durfte, als Filmmonster noch tölpelhaft sein durften, nicht im tragischen Ernst des postmodernen Horrors erstickten, als der Schrecken immer wunderbar aufgeweicht war durch unfreiwilligen Slapstick und hysterisches Overacting, als man nie genau wusste, ob man sich nun gruseln oder lachen sollte. Im Ernst des Genres der letzten Jahre ist viel von dieser glänzenden Naivität verloren gegangen, viel von diesem rohen, amüsanten Charme unter einem Berg von Düsternis begraben worden… American Horror Story holt es sich zurück: Den Spaß, den liebevollen Wahnsinn, das irrsinnige Kichern und auch den Mut zum Dilettantismus, zum ungeschickten, ungehobelten Gruseln, zum Rumexperimentieren mit Plot und Dramaturgie… und das ist in den gelungenen Momenten ein Fest für jeden Cineasten… und in den misslungenen Momenten ein Fest für jeden Trash-Freund. Beides gibt es reichlich zu sehen und dafür hat diese Serie einfach mal eine fette Umarmung verdient.

So…?

Leute, schaut diese Serie! Sie ist alles andere als perfekt, längst nicht so elegant komponiert wie Breaking Bad, längst nicht so treffsicher erzählt wie Game of Thrones und auch nicht so bewegend wie The Walking Dead… dafür aber umso mutiger, wenn es darum geht, mit den Möglichkeiten des Genres und des Mediums zu spielen: Keine Angst vor Dilettantismus, keine Angst vor kühnem Blödsinn, keine Angst davor, sich mit den dummen Ideen und Albernheiten in die Nesseln zu setzen: Dafür aber umso unterhaltsamer, mindfuckiger und großartiger. Verdammt nochmal, ich liebe diese Serie! Ich liebe, liebe, liebe sie!

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