Die besten Horrorfilme 2017 – It Comes at Night

Wenn etwas nachts kommt, dann ist es vor allem die Dunkelheit. Vielleicht auch die Einsamkeit, die quälende Beschäftigung mit sich selbst, den eigenen Fehlern, den eigenen Entscheidungen mit all ihren fatalen Konsequenzen. Die Nacht ist der Blick in den Spiegel ohne den Spiegel, nicht der Blick in das eigene Antlitz, sondern der Blick in den schwarzen Abgrund, der sich dahinter verbirgt. Paul (Joel Edgerton) kennt diese Nächte, aber er fürchtet nicht das, was jede Nacht kommt, sondern das, was darüber hinaus kommen könnte. Denn dieses Etwas hat anscheinend den Großteil der Menschheit ausgerottet. Aber gerade weil er diesen äußeren Horror so sehr fürchtet, hat er vergessen, sich vor dem zu fürchten, was alltäglich / allnächtlich ist und vielleicht mindestens genau so destruktiv sein kann wie die unbekannte, ungenannte Seuche, die da draußen wartet.

Homo homini lupus, ein Wolf ist der Mensch dem Menschen, kein Mensch, solange er nicht weiß, welcher Art der andere ist, hatte der römische Dichter Plautus festgestellt. Die Welt von It Comes at Night (2017) scheint voll mit diesen wölfischen Menschen zu sein, die keine Chance haben, festzustellen, von welcher Art ihr Gegenüber ist; schlicht und ergreifend, weil der Tod vor der Erkenntnis kommt. Da sind die bewaffneten Männer, die im Wald leben; Wegelagerer? Einsame versprengte Seelen? Blutrünstige Kannibalen? Wölfe sind sie, ohne Zweifel, und daher werden sie erschossen. Da ist Will (Christopher Abbott), der versucht in Pauls Haus einzubrechen. Paul reagiert ebenso wie seine Frau Sarah (Carmen Ejogo) und sein Sohn Travis (Kelvin Harrison) mit dem Misstrauen, das man in dieser postapokalyptischen Welt einem potentiellen Wolf entgegenbringen muss. Als Will jedoch von seiner Frau und seinem Kind erzählt, erlaubt sich Paul einen Moment der Schwäche und gewährt Will mit seiner hungernden Familie, bei ihnen einzuziehen.

Da ist dieses Haus, in dem die beiden Familien von nun an zusammen leben werden. Abgelegen im Wald; mit Türen, die um jeden Preis verschlossen bleiben müssen. Um das draußen zu halten, was alle Befallenen zum Tode verdammt… oder zu Schlimmerem. Wer infiziert ist, stirbt, und wenn es durch die Hand eines Familienmitgliedes sein muss. Wer gesund ist, darf bleiben, wer krank ist, muss das Haus verlassen. Dieses Haus, das in seiner hölzernen Dunkelheit die perfekte Kulisse für einen Spukfilm abgeben würde. Dieses Haus ist Schutzraum und Gefängnis zu gleich. Motivationslos streift Travis nachts durch seine engen Flure, wie ein gefangenes und geknechtetes Tier. Er hört Geräusche im Wald, kann aber nicht erklären, was sie bedeuten. Er hat Alpträume, ein Schicksal, dass er offensichtlich mit allen Überlebenden teilt; aber er kann sie nicht in Worte fassen, geschweige denn deuten. Er sieht die Fremden als Menschen, kann aber nicht aufhören, sie als fremde Menschen zu sehen. Und als Bedrohung. Bei allem möglichen Zusammenwachsen der beiden Familien bleibt doch das Misstrauen bestehen, die Angst vor dem Unbekannten, das draußen lauert, und dann doch irgendwie – wenn auch gut verborgen – die Angst vor der Nacht, die einen Blick in die eigenen Abgründe und die Abgründe der Anderen ermöglicht.

Ob er ein Horrorfilm ist, will It Comes at Night seinem Publikum nicht verraten. Was will er sein? Vielleicht eine von Alpträumen begleitete Fieberperiode. Nicht wahnhaft, irre, aber an den Grenzen des menschlichen Bewusstseins. Vor allem aber erschöpft, mit verschwommenem Blick und der ständigen Angst vor einem schleichenden Tod. Natürlich ist Trey Edward Shults Film ein Film über Krankheit und über Sterben: Die Welt stirbt, die Familie stirbt, das Vertrauen stirbt und der Mensch stirbt. Natürlich ist der Film ein Horrorfilm: Über den Horror, der in jeder Gemeinschaft lauert, über den realen und imaginären Horror, der außen lauert, noch mehr aber den durch und durch realen Horror, der innen lauert. Natürlich ist It Comes at Night ein Endzeitfilm, ein Post-Endzeitfilm sogar, der Jahre, wenn nicht Jahrzehnte nach dem eigentlichen Ende der Welt weiterläuft. Hoffnung gibt es keine, nur Überleben. Natürlich ist der Film ein Survivalthriller, der sich der Frage, ob sich das Überleben denn nun lohnt, mit kalten Schaudern entzieht. Natürlich ist der Film ein Zombiefilm, nur eben ohne Zombies. Mit einer vagen Ahnung von etwas Bösem, aber selbst das scheint längst weitergezogen zu sein, lebt nur noch als schattenhafte Erinnerung in den Geräuschen des Waldes. Natürlich ist der Film eine Tragödie, weil er seinen Protagonisten immer nur einen kleinen Hauch Menschlichkeit gibt, nur um sie ihnen dann wieder zu entreißen. Natürlich ist der Film ein Kammerspiel, in dem die Menschen aufeinander angewiesen, miteinander gefangen aber vor allem durch und einander entfremdet sind.

It comes at Night macht Angst, nicht vor dem, was die Protagonisten und Protagonistinnen fürchten, sondern vor dem, was sie wegen ihrer Furcht gewesen sind. Damit ist er vielleicht sogar einer der konsequentesten, wortwörtlichsten Post-Horrorfilme. Er inszeniert den Horror nach dem Horror, den Schrecken, der nach dem eigentlichen Schrecken kommt, geboren aus der Angst, die wie die Dunkelheit in der Nacht über den Menschen haften bleibt. Das Böse hat gesiegt, weil es die Menschen mit seiner Angst infiziert hat. Und am Ende sind nur noch verschreckte, dafür aber umso gefährlichere Wölfe übrig.

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