Die besten Horrorfilme der 70er Jahre X

Ach ja, die lieben Kleinen. Sie sind es, die im Mittelpunkt unserer zehnten 70er Jahre Horror-Bestenliste stehen. Es gab nicht wenige von ihnen im unheimlichen Kino der Dekade, und das auch in allen Altersstufen und allen Schattierungen: Von mordlustigen Kinderbanden (Ein Kind zu töten…) über degenerierte kleine Monster (Die Brut) bis zu unsicheren Teenagern, die in ihrer Pubertät mehr entdecken als sexuelles Verlangen und Akne (Carrie). Dabei schälen sich gerade in dieser Zeit zwei sehr spezifische Varianten des infantilen Schreckens heraus. Zum einen der Blick auf Kinder als das pure Böse, so zum Beispiel im satanischen Klassiker Das Omen, zum anderen Kinder und Jugendliche als Opfer äußerer Einflüsse, die ihnen die Unschuld rauben und sie zu Monstern machen, am prominentesten vertreten durch den Besessenheitsklassiker Der Exorzist. In Variante Nummer Eins sind es die Erwachsenen, die ihre Haut gegen den blutrünstigen Nachwuchs verteidigen müssen, in der zweiten Variante ist der Nachwuchs sowohl Opfer als auch Täter und befindet sich schließlich im Kampf gegen seine Umwelt und sich selbst. Auf die ein oder andere Weise, die lieben Kleinen konnten uns im Horrorkino der 70er Jahre eine verfluchte Angst einjagen.

Ein Kind zu töten… [Narciso Ibáñez Serrador]

(Spanien 1976)

Der prototypischste und beste Kinderhorror der damaligen Zeit stammt erstaunlicherweise nicht aus dem US Horrorkino, sondern aus Spanien. ¿Quién puede matar a un niño? ist kein gewöhnlicher übernatürlicher Horrorschinken sondern eine äußerst intensive Parabel auf das Leid, dass die Erwachsenenwelt Kindern alltäglich antut und eine Mär darüber, wie sich diese schließlich in einem Horrorinferno rächen. Die Motivation der lieben kleinen, auf einer abgelegenen Mittelmeerinsel plötzlich Amok zu laufen, alle Erwachsenen zu jagen und zu töten bleibt in der Handlung selbst nebulös, wird aber in einem düsteren Prolog und unheimlichen Andeutungen peu à peu entfaltet. Dabei ist Ein Kind zu töten… unfassbar immersiv: Wir fiebern und leiden mit den beiden erwachsenen Hauptfiguren mit, wir verstecken uns mit ihnen, fliehen und leiden, und hoffen bangend, dass ihnen die Flucht vor der monströsen Kinderschar gelingt. Zugleich weckt der Film auf eine abstruse Weise Sympathie für die brutalen Angreifer, lässt uns irgendwie nachfühlen, warum es Sinn macht, dass sie sich auf diese Art an allen Erwachsenen rächen. Der Film ist gleichzeitig düster und ironisch, spannend unheimlich und verspielt. Vor allem die bitter zynische Schlusspointe sorgt dafür, dass dieser Horrortrip so schnell nicht vergessen wird.

Das Omen [Richard Donner]

(USA, Großbritannien 1976)

Wo sich Ein Kind zu töten… als parabolische Auseinandersetzung mit dem Konflikt zwischen Kinder- und Erwachsenenwelt versteht, taucht Richard Donners The Omen tief ein in die Welt des übernatürlichen Horrors. Zweifel gibt es hier keine, der liebe böse kleine Protagonist Damien ist der Sohn des Teufels. Geboren im Zeichen der 666, bereits bei der Geburt zum Mörder geworden, mit dem eisenern Willen, Macht und Kontrolle zu erreichen, geht er schließlich im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen, um zu seinem Ziel zu kommen. So oberflächlich die Handlung und Motivation ihres Protagonisten auch sein mögen, so verflucht effektiv ist die sich daraus entwickelnde Geschichte. Das Omen weiß genau, wann und wo es Schockeffekte einsetzen muss, wann dezent gegruselt und wann das Publikum mit derben Schockeffekten aufgescheucht werden muss. Dabei ist der Film äußerst edel inszeniert, atmosphärisch dicht, und nimmt sich dennoch nie allzu ernst. Eine herrlich unterhaltsame, makabere und morbide Horrorperle mit dem vielleicht unheimlichsten kindlichen Protagonisten der Filmgeschichte.

Der Exorzist [William Friedkin]

(USA 1973)

Im Laufe der Jahre hat sich The Exorcist den Ruf erworben, einer der besten Horrorfilme aller Zeiten zu sein. So weit würde ich nicht einmal gehen, aber unbestreitbar ist die Geschichte um ein von einem Dämonen besessenes und geplagtes Mädchen ein äußerst intensiver Horroschocker, in dem spiritueller Grusel, Religiosität und derber Horror eine unheimliche Melange eingehen. Heute ist es vielleicht nicht mehr nachvollziehbar, wie schockierend die antichristlichen, höllischen Obszönitäten der besessenen Linda für das Publikum damals waren, was aber immer noch so effektiv ist wie in den 70ern ist der schiere Wahnsinn, den Linda Blair in ihre Rolle hineinwirft. Als Ausgeburt der Hölle und zugleich zu rettendes Kind trägt sie den Film, provoziert, reizt, verunsichert und martert ihre religiösen Widersacher und das Publikum. Der Exorzist ist ein makaberes Spiel mit Schuld und Unschuld, mit kindlicher Naivität und nietzscheanischem Alptraum, ein Kampf mit Religiosität und ein Eingeständnis von deren Niederlage. Vielleicht sogar so etwas wie der Tod Gottes im spirituellen, postmodernen Horrorkino.

Carrie – Des Satans jüngste Tochter [Brian De Palma]

(USA 1976)

Der Coming of Age Terrorfilm Carrie unterscheidet sich von den anderen Horrorfilmen mit minderjährigen Protagonistinnen vor allem durch seine Perspektivwahl. Die Verfilmung des gleichnamigen Stephen King Romans aus dem Jahr 1974 verschreibt sich voll und ganz dem Blick der Jugend, insbesondere natürlich der Protagonistin Carrie White. Und in dieser Perspektivwahl lässt er auch keinen Zweifel: Die Pubertät ist Horror, die Jugend ist Horror, und nichts Übernatürliches kann schrecklicher sein als die Realität des Erwachsenwerdens. So werden Carries sich langsam entwickelnde unheimliche Kräfte auch nie zum Selbstzweck inszeniert. Sie sind immer Reaktion: Auf ihre brutalen, unsozialen Mitschülerinnen und Mitschüler, auf den sozialen Druck, der einen amerikanischen Teenager auf der High School permanent begleitet, auf das sie unterdrückende, christlich konservative Elternhaus. Herausragend gespielt von Sissy Spacek ist Carrie ein äußerst fragiler, unsicherer Mensch, dem so viel Leid angetan wird, dass die finale Horrorexplosion auch ein durch und durch kathartisches Moment besitzt. Davor mäandert diese düstere Coming of Age Fabel auf beinahe hypnotische Weise zwischen symbolischen Drama, Mysterythriller und enervierendem Horror. Ein langsamer, tragischer und elegischer Horrorfilm, der seiner Zeit eigentlich weit voraus ist, deutlich näher dran am Post-Horror unserer Zeit als am sonst oft kitschigen, hysterischen und albernen Horrorkino der 70er Jahre.

Die Brut [David Cronenberg]

(Kanada 1979)

Den kanadischen Bodyhorror-Exzentriker David Cronenberg gibt es im Grunde genommen in zwei Ausführungen: Brutal konkret wie zum Beispiel in seinem Remake von The Fly, oder abstrakt, symbolisch bis surreal wie in Videodrome. Sein letzter 70er Jahre Streifen The Brood steht zwischen diesen beiden Aggregatszuständen. Die Geschichte um mörderische, mutierte Kinder gekreuzt mit einer Verarbeitung seiner persönlichen Sorgerechtsstreit-Erfahrungen kommt als fast schon traditioneller Mysterystreifen daher, wird während seiner Laufzeit aber immer psychoanalytischer, parabolischer, um dann schließlich mit einer ziemlich abgefuckten Bodyhorror-Pointe im subversiven Cronenberg’schen Kosmos anzukommen. Der Weg dorthin ist gespickt mit düsteren Topoi, ihre Ausführung schwankt zwischen nebulös gruselig und brutal direkt, und schließlich versammelt sich alles, wofür man diesen besonderen Regisseur schätzt (oder zutiefst ablehnt): Ekel, Schock, psychologische Überhöhung, Gewalttätiger Pathos… Die Brut ist kein klassischer „Gruselige Kinder“-Streifen, aber auch keine aufreibende Genredekonstruktion. Stattdessen macht er es sich genau dazwischen ungemütlich und gehört damit zu den wohl intensivsten und zugleich ausgewogensten Horrorfilmen des Indie-Großmeisters. Neben Videodrome und Die Unzertrennlichsten eines seiner spannendsten, überraschendsten Werke.

Ähnliche Artikel