It Chapter One (2017) – oder, wie leicht es manchmal ist, bei den besten Horrorfilmen des Jahres zu landen

Ach ja, es hätte so schön werden können… Wenn es einen Roman gibt, der eine zweite Verfilmung verdient hat, ja sogar eine zweite Verfilmung benötigte, dann ist es Stephen Kings bizarres Meisterwerk It (1986). Wenn es eine Horrorminiserie gibt, die dringend ein Remake brauchte, dann dessen gleichnamige Verfilmung aus dem Jahr 1990. Vieles ist damals schief gelaufen, viel Potential wurde damals an die Konventionen des sauberen, allzu sauberen TV-Marktes verschenkt. Dabei besitzt Es so viele Ingredienzen, die den Stoff geradezu prädestinieren, zu einem düsteren Post-Horrorfilm unserer Zeit zu werden: Die Verquickung von Coming-of-Age-Drama mit absurdem Horror, die großartigen Bilder, die damals vom King of Horror literarisch entworfen wurden, und die so schienen, als bräuchte es verdammt viel Mut und Größenwahn, sie adäquat für die Leinwand umzusetzen. Die Tatsache, das King-Stoffe gerade einen zweiten Frühling erleben und endlich in gelungenen Filmen umgesetzt wurden… Es hätte so schön werden können. Und dann hat sich das ganze Projekt selbst in die Nesseln gesetzt. Daran ändern auch die vielen positiven Kritikerstimmen und das äußerst erfolgreiche Box Office Ergebnis nicht. Was tatsächlich Potential hatte, eines der spannendsten Horrorprojekte der letzten Jahre zu werden ist zu einer mittelschweren Enttäuschung geworden; kein Desaster, aber knapp daran vorbei; viel zu knapp für all das Potential, das in diesem Bastard geschlummert hat.

Um zu verstehen, warum It (2017) scheitert, lohnt es sich darauf zu schauen, was er richtig macht, denn das ist, so lange man den Fokus auf seine einzelnen Teile legt, gar nicht so wenig. Da ist dieser wirklich durch und durch herausragende Cast. Natürlich führt kein Weg an dem neuen Pennywise-Darsteller Bill Skarsgård vorbei. Oh, was gibt er dem berüchtigten Horrorclown für einen großartigen Charakter! Wo Tim Curry das kinderfressende Monster 1990 noch als launischen Spaßmacher und schabernackenden Troll inszenierte, verwandelt ihn Skarsgård in eine tatsächlich durch und durch erschreckende Entität. Spaß versteht dieser Pennywise nicht; und er will auch im Gegensatz zur ersten Filmversion nie wirken, als sei ein Komiker an ihm verloren gegangen. Pennywise ist in diesem Film ein Wesen, dass auf Angst, Blut und Schmerz aus ist. Wenn er versucht, sich von seiner charmanten Seite zu zeigen, scheitert er grandios und es macht eine unheimliche Freude dieser unheimlichen Kreatur beim Scheitern zuzusehen. Während Currys Pennywise immer auch Spaßvogel war, verdammt gut performanen konnte, werden Skarsgårds karnevaleske Einschübe immer zur bizarren Farce, hinter der sich sein Kannibalismus nicht verbergen kann. So wird jeder clowneske Tanz zum dämonischen Zappeln, jede Bewegung, die der bunten Erscheinung gerecht werden soll, zum grauenhaften Wahn, jedes Lächeln zum beängstigenden Zähnefletschen.

Aber wo die 1990er Performance von Pennywise noch herhalten musste, um die schwachen und blassen Darbietungen des restlichen Casts zu überspielen, funktionieren hier auch die anderen Figuren, bis in die kleinste Nebenrolle. Der Club der Verlierer ist exquisit ausgesucht. Klar, Finn Wolfhard (Stranger Things) ist immer ein Gewinn bei der Besetzung kindlicher/jugendlicher Charaktere zwischen Unsicherheit und aufgedrehter Nerdyness. Dass er hier nur eines unter vielen im Gedächtnis bleibenden Gesichtern ist, spricht für den Film. Da ist zum Beispiel Sophia Lillis, die der einzigen Verliererin Beverly unfassbar viel Charisma mit auf den Weg gibt, aus der blassen Figur von Vorlage wie Miniserie eine nuancierte Preteenagerin destilliert, die permanent zwischen Altklugheit, Zynismus und offener Herzenswärme pendelt. Da ist Jaeden Martell, dessen Bill ein zerrissener, mit sich und allen anderen kämpfender Junge ist, dem die fehlende Fähigkeit, mit Trauer umzugehen, in jeder Szene ins Gesicht geschrieben steht. Dass er die einzige wirklich gute Kinderperformance des Originals – Jonathan Brandis – noch einmal toppt und der Figur weitere Facetten abgewinnt, spricht ebenso für den Film wie die Tatsache, dass die 1990 an den Rand gedrängten Charaktere hier alle in mindestens einer Szene glänzen dürfen.

Dass sie das dürfen, liegt daran, dass dieser It nicht nur seinen Horror, sondern auch seine Coming-of-age-Momente verflucht ernst nimmt. Die Story wurde von den ausgehenden 50er Jahren (Roman und Miniserie) in die späten 80er Jahre verlegt und das tut dem Teenagerdrama durchaus gut. Klar, dass sich der Film damit auch gleich den – Stranger Things sei Dank – 80er Jahre Retro-Bonus mitnimmt. Aber die Verlagerung der Zeit verkommt nie zum Selbstzweck, sondern wird so natürlich in die Handlung integriert, dass es mitunter so scheint, als sei der Stoff nie für eine andere Dekade gemacht gewesen. Besonders das Leben und Leiden der Protagonisten ist dadurch deutlich näher am Publikum, als es jede biedere 50er Jahre Nostalgie sein könnte. Die besten Momente sind aber ohnehin zeitlos. Wenn die Jungs und das Mädchen vom Club der Verlierer gemeinsam von den Klippen springen, um anschließend in Derrys See zu baden, entstehen Momente wunderbarer adoleszenter Schönheit. Hier nimmt sich It genau die richtige Menge Zeit, um von Kindheit und Verlust von Kindheit, vom Träumen und vom Trauern, vom Heranwachsen und Jungsein zu erzählen. Wenn Stanley bei seiner Bar Mitzwa eine wütende Rede hält, begleitet vom schallenden Lachen seines Freundes Richie, dann kulminieren Teenage Angst und Teenage Zorn und Teenage Rebellion in einem großartigen ebenso tragischen wie komischen Moment. Und wer hätte gedacht, dass die Reinigung von Blut für eine der romantischsten, stimmigsten Teenager Fun Montageszenen der letzten Jahre herhalten könnte?

Aber It ist natürlich kein Coming of Age Drama. Keine Charakterstudie. Keine Adoleszenztragödie. Hätte er genau dies sein wollen, wäre das wahrscheinlich großartig geworden; aber dafür streut er diese wunderschönen, perfekten Momente viel zu selten ein. Nein, natürlich ist It ein Horrofilm. Es geht um ein monströses, übernatürliches Wesen, das in Form eines Clowns – oder anderer bizarrer Kreaturen – Kinder in den Wahnsinn treiben und dann fressen will. So gaga dieses Storygerüst ist, Stephen King hat mit seinem Roman bewiesen, dass man daraus ein verdammt gruseliges, mitreißendes, groteskes Antimärchen erzählen kann. Der 1990er Verfilmung fehlte der Mut, das groteske Moment der Vorlage zu übernehmen. Und dieser Mut fehlt leider auch der 2017er Iteration. War es in den 90ern noch der Komfort der TV-Landschaft, der diesen Mut auffraß, ist es heute die Konvention des aktuell angesagten Horrorkinos. Diese Konvention sagt: Wir brauchen Jump Scares, wir brauchen dunkle Bilder, wir brauchen monströses CGI, wir brauchen Fake Jump Scares, wir brauchen Real Jump Scares, wir brauchen viele viele diverse Monsterszenen, achja, und wir brauchen Jump Scares. Diese sind zwar durchaus gekonnt inszeniert, aber Hand aufs Herz: Jump Scares sind doof. Und auch gelungene Jump Scares sind doof. Und Fake Jump Scares sind so richtig doof und sollten per Dekret von irgendeiner filmischen Autorität verboten werden. Stephen King verstand sich darin, Angst auf andere Art zu erzeugen, auf die schleichende, einen gefangen nehmende und nicht mehr loslassende Art. Diese Verfilmung verzichtet viel zu oft auf das King’sche Horrorverständnis und löst beängstigende Szenen viel zu schnell durch den erleichternden Schrecken auf. Das ist vor allem deswegen schade, weil es vor dem obligatorischen „Buh!“ durchaus immer wieder spannende und beklemmende Momente gibt, mitunter auch bizarre und fordernde Bilder. Aber Regisseur Andrés Muschietti (Mama) traut sich nie diese auszuspielen, sondern verlässt sich viel zu sehr auf sein Bild- und Sounddesign, so sehr, dass die Horror-Werkzeugkiste und Horror-Technik omnipräsent sind und jeden Spaß am Schrecken rauben.

Und das ist nicht einmal die größte Schwäche des Films. Diese liegt in seiner Struktur. Selbst wenn es großartige Dramenmomente, großartige Coming of Age Momente und ja, auch großartige Horrormomente gibt, schaffen es die einzelnen Teile nie zu einer Summe zu werden. Warum zur Hölle wurde die größte Stärke der Vorlage und diese auch in der Miniserie noch partiell vorhandene Stärke hier komplett übergangen? Kings Roman lebte von seiner gekonnten Verwebung von Vergangenheit und Jetzt-Zeit, vom Kreisen der Narration um Kinder und Erwachsene, vom Oszillieren zwischen dem damaligen und dem heutigen Kampf. Selbst die Miniserie, die diesen Plot in zwei Teile zerfledderte, gab den Erlebnissen der Kinder einen Rahmen durch die Erinnerungen der Erwachsenen. Drehbuchautor Gary Dauberman war sich offensichtlich so unsicher, ob aus dem Remake ein Zweiteiler werden würde, dass er im ersten Kapitel komplett auf jeden Bezug zum „27 Jahre später“ verzichtet. Genau das bricht dem Plot aber das Genick. Seiner Verzahnung, Spiegelung und Weiterführung, seiner narrativen Kadrierung beraubt, wird die Geschichte der kindlichen Begegnung und des kindlichen Kampfes gegen It zur reinen Aneinanderreihung von Anekdoten. Selbst wenn der Film sich hin und wieder bemüht, so etwas wie eine fortlaufende Handlung zu etablieren, werden deren Ansätze vollkommen durch die fehlende Strukturierung verschluckt. It zerfällt in Einzelszenen, die sich nicht ergänzen, die nicht aufeinander zu arbeiten, die nicht irgendwo hinführen und sich so vollkommen im Horrorgemischtwarenladen verlieren. Das tötet die Spannung ebenso wie die Immersion und das potentielle Mitfiebern mit diesen eigentlich so wundervollen Protagonisten. In dieser strukturellen Desorientierung verliert 2017 sogar gegen das biedere 1990, das zumindest wusste wo es mit seiner Story hinwill und wie es alle ohne zu Stolpern dorthin führen kann. 30 Jahre später wird It zu Scary stories to tell in the dark, zur Aneinanderreihung schrecklicher Erlebnisse ohne roten Faden.

Das hätte vielleicht sogar was werden können, hätte der Film nicht Angst, die bizarrsten und merkwürdigsten Momente der Vorlage aufzunehmen, wenigstens neu zu deuten, aber nicht vollkommen zu ignorieren. Nur beispielhaft sei die im Buch wirklich sehr komische – mittlerweile berühmt berüchtigte – Kindersexszene genannt. Natürlich lässt sich so etwas nicht 1:1 auf die Leinwand transferieren, natürlich hat King oft genug für diesen Plottwist gehörig auf den Deckel gekriegt (und schämt sich wohl auch selbst ein bisschen dafür), aber hier wäre die Chance gewesen, dieses merkwürdige, kitschige und deplatzierte Interludium zu dekonstruieren, neu zu denken, vielleicht das beste herauszuziehen und die Intentionen kritisch zu reflektieren. Der Film indes ignoriert diesen Moment einfach. Und das ist nur das berühmteste Beispiel. Immer, wenn das Buch einen Schritt weiterging, etwas mehr wagte, etwas mehr Tabu brach, macht der Film einen Rückzieher. Für einen Horrorfilm aus dem Jahr 2017 ist It erschreckend feige, glatt gebürstet für ein großes Publikum, ohne dem Geist der Vorlage gerecht zu werden.

Nun denn… Teil 2 steht in den Startlöchern, und wenn man ersten Kritiken glauben schenkt, wird es nicht besser werden, eher dröger. Mit beiden Teilen dürfte immerhin genug Material für einen Recut, Final Cut, King Master Cut vorhanden sein, den irgendein Enthusiast – oder am besten das Produktionsstudio – post mortem schneiden sollte. Vielleicht finden sich dann ja noch sogar ein paar mutigere Szenen, die der Kinoauswertung geopfert wurden. Denn viele einzelne Teile dieser Es-Interpretation sind wirklich gelungen, manche sogar fantastisch. Deren Summe jedoch kommt nicht über den Durchschnitt heraus, gerade weil es ihr nie gelingt mehr zu sein als die Summe der einzelnen Teile.

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