Die besten Natur- und Tierhorrorfilme der 70er Jahre

Nachdem in der ersten 70er Jahre Horror-Retrospektive die Wissenschaft und Technik im Fokus standen, ganz konkret im Genre des SciFi-Horrors, kommen wir nun zu dessen radikalem Gegenstück, dem Horror, der in der Natur beheimatet ist. Natürliches und Kreatürliches, unabhängig vom sowie gefährlich für den Menschen; oft älter und stärker als unsere Spezies: Es geht um mordende Haie, blutdurstige Fische, schreckliche Insekten und Wurmplagen, und zumindest in einer Inkarnation auch um die Verbindung von Mensch und Tier. Jaws gehört ohne Zweifel zu den Klassikern des Genres, aber auch sein trashiger Gegenentwurf Piranha ist deutlich besser, als man von einem Low Budget Plagiat erwarten dürfte. In Phase IV bedrohen Ameisen die Menschheit und in Squirm sind es fleischfressende Regenwürmer. Die Wild Card dieser Liste kommt in Gestalt des Werwolf-Mystery-Schinkens The Beast must die. Und die Honorable Mention eines alles andere als guten – dafür aber umso unterhaltsameren – Films kann ich mir in dieser Bestenliste auch nicht verkneifen. In Night of the Lepus sind es nämlich Killerkaninchen, die das Schicksal der Menschheit bedrohen. Und allein das ist schon eine Erwähnung dieses naiven Trash-Überfliegers wert. Viel Spaß beim manchmal unheimlichen, manchmal mysteriösen, manchmal albernen Angriff der Natur auf den Menschen.

Der Weiße Hai [Steven Spielberg]

(USA 1975)

Es lässt sich durchaus darüber diskutieren, ob es sich bei Steven Spielbergs Jaws – so der Originaltitel – um einen reinen Horrorfilm handelt, ist die Geschichte um die Bedrohung eines Badeortes durch einen weißen Hai doch deutlich mehr als das: Ökothriller, Actioneer, zwischendruch auch reinrassige Abenteuergeschichte… Vor allem ist Der Weiße Hai die Geburt des amerikanischen Blockbusterkinos, konnte er doch mit einem Budget von 7 Millionen Dollar weltweit fast 500 Millionen Dollar einspielen. In der Tat ist es erstaunlich, dass ein solch spannender, teilweise auch brutaler Genrefilm derart viel Zuspruch vom damaligen Publikum erhielt. Aber Steven Spielberg versteht eben sein Handwerk. Geschickt bewegt er sich auf Horrorpfaden, bietet daneben aber genug Geschichte und Unterhaltung, um auch Genreunkundige nicht abzuschrecken. Neben dem Drama um ignorante Politiker (mittlerweile Standard im Tierhorror) sticht vor allem der fantastisch inszenierte Männerbund zwischen Wissenschaftler, Seebär und Haijäger hervor, die dem Film eine ordentliche Portion Menschlichkeit mit auf den Weg gibt. Jaws ist nicht nur ein Klassiker des Subgenres, sondern bis heute wahrscheinlich der beste Natur- und Tierhorrorfilm überhaupt.

Piranha [Joe Dante]

(USA 1978)

Ein ganz anderes Biest von einem Film ist da schon der B-Movie Piranha, der als ziemlich eindeutiges Rip-Off mit gerade mal einem Zehntel des Jaws-Budgets verwirklicht wurde. Aber auch dieser dreckige, laute Horror-Flick war erfolgreich genug, um eine kleine Franchise nach sich zu ziehen, die mit fünf Filmen bis zum Jahr 2012 sogar langlebiger war als die Jaws-Franchise. Ansonsten schreit hier natürlich alles „Schund“: Die Special Effects sind nicht im geringsten so stark wie bei Spielbergs Blockbuster, die Story ist nicht so gelungen ausbalanciert, und es gibt eine Menge Exploitation- und Trash-Momente. Aber Piranha, immerhin der zweite Film von Horrorlegende und Gremlins-Schöpfer Joe Dante, macht verflucht viel Spaß; ist in vielen Momenten sogar derber, lauter, aufregender als sein großes Vorbild. Immerhin bekommen wir hier ein wildes Genre-Mischmasch, das offensichtlich sieht, warum der weiße Hai so erfolgreich war, aber nicht im geringsten versteht, dass man diese erfolgsversprechenden Elemente mit Feingefühl arrangieren muss. Ist aber auch nicht so schlimm, bleibt Piranha so doch ein blutiger Spaßfilm, mit deutlich mehr Selbstironie als die Konkurrenz und keiner Angst vor albernen Momenten. Selbst Steven Spielberg hatte ein Lob für diesen Mockbuster übrig, seiner Ansicht nach das beste Plagiat des weißen Haies. Und dieser Eindruck lässt sich auch beim gepflegten Rewatch im Jahr 2020 nur bestätigen.

Phase IV [Saul Bass]

(Großbritannien 1974)

Tierhorrror gab es natürlich bereits vor dem Erfolg des Weißen Haies. Einer der eindrucksvollsten Vertreter ist dabei ohne Frage der Ameisen-Schocker Phase IV. Regisseur Saul Bass hatte sich zuvor bereits einen Namen als Hitchcock-Film-Einheizer erarbeitet, und dass er ein Fan und Wegbegleiter des Suspense-Meisters ist, sieht man Phase IV in jeder Sekunde an. Atmosphärisch ist das unheimliche Insektenschauspiel ganz dicht dran an Hitchcocks Klassiker Die Vögel (1963): Die Unsicherheiten, die latente permanente Bedrohungslage, die Paranoia, die Hilflosigkeit… all das, was den Angriff der Killervögel ein Jahrzehnt zuvor so aufregend machte, ist hier versammelt. Phase IV bleibt an dieser Stelle jedoch nicht stehen und ergänzt das Kreatürliche mit Elementen des Science Fiction, Wissenschaftsthrillers und Ekelschockers. Gerade letzteres ist bei Phase IV omnipräsent: Es kriecht und krabbelt, es reizt und juckt, und hinterlässt ein durchgängiges Unwohlsein auf dem ganzen Körper. Das, was Hitchcock bei seinen Vögeln mit Psychoterror erreichte, erweitert Phase IV mit unheimlich ekligen Nahaufnahmen zum Physioterror, äußerst effizient und Eindruck hinterlassend.

Squirm – Invasion der Bestien [Jeff Lieberman]

(USA 1976)

Die Regenwurm-Invasion Squirm mag nicht die psychologische Klasse von Phase IV besitzen, auch dessen bedrohlicher SciFi-Aspekt geht ihr komplett ab. Dafür perfektioniert sie das Konzept Ekel, was klein und in vielfacher Zahl auftretenden kriechenden Horror betrifft. Ja, die Geschichte, die in einem kleinen Dorf in Georgia spielt, mag etwas dünn sein, die Charaktere und ihre Dialoge mitunter albern, die Prämisse der Natur, die eine verfluchte Wut auf den ignoranten Menschen hat, etwas naiv; das alles spielt aber keine Rolle mehr, sobald diese großartig widerlichen Filmmonster auftauchen. Mit herausragenden Special Effects gehen die tödlichen Regenwürmer im wahrsten Sinne des Wortes unter die Haut ihrer Opfer, und mindestens ebenso im übertragenen Sinne unter die Haut des Publikums. Squirm ist in vielen Momenten ein unangenehmer, brutaler, widerlicher Film, der genau weiß wie er seine Effekte und Ästhetik einsetzen muss, um für Angst und Schrecken zu sorgen: Für die mittleren 70er Jahre gibt es dann auch erstaunlich viel Splatter und Gore zu sehen, der physische Horror in diesem Film ist genau das: Physisch, bis an die Schmerzgrenze, und geht damit weit über die Ästhetik vieler Genregeschwister seiner Zeit hinaus.

The Beast Must Die [Paul Annett]

(Großbritannien 1974)

The Beast must die ist die Wildcard dieser Horrorrunde: Angelegt als kleines Murder Mystery Vexierspiel ist er im Grunde genommen die Verfilmung des Werwolf-Spiels (das Dank der digitalen Variante Among us im Jahre 2020 gerade wieder eine kleine Renaissance erlebt). „Wer ist der Werwolf unter uns?“ ist die Frage, die sich die Protagonisten und Protagonistinnen hier stellen müssen. Die Suche nach der Antwort inszeniert The Beast Must Die als beklemmendes Kammerspiel, nicht ohne Albernheiten und Selbstironie, mit den Mitteln des Dramas, Thrillers, Gothic Mysterys, Blaxploitations und schließlich auch ausgetüftelten Tierhorrors. Die Bestie ist hier nicht nur das Tier, sondern auch der Mensch: Seine Ängste, seine Paranoia, seine Unsicherheiten, seine Launen und seine Arroganz. Gekonnt spielt dieser Rohdiamant mit seinen einzelnen Elementen, wiegt sein Publikum sanft in Unsicherheit und wird dadurch zur erstaunlich tiefgründigen Allegorie auf den Zwietracht zwischen dekadenter Konsumgesellschaft und Natur. Eine kleine, leider in Vergessenheit geratene, Perle des Tierhorrors und ein traditionelles Grusel-Rätsel, das es wert ist neu entdeckt zu werden.

(Dis-)Honorable Mention: Night of the Lepus [William F. Claxton]

(USA 1972)

Immerhin der älteste Film dieser Liste und einer der frühesten 70er Jahre Tierhorror-Versuche. Und ohne Zweifel ein kreatürlicher Film. Sonst hat Night of the Lepus aber in dieser Liste eigentlich nichts zu suchen. Also gleich Butter bei die Fische: Das ist kein guter Film, das ist genau genommen ein ziemlich schlechter Film, regelrechter Schund. Aber bei Gott, ist Rabbits (so der passende Originaltitel, der auch für die deutsche Auswertung verwendet wurde) unterhaltsam. Die Kreaturen dieses Schockers sind – Achtung Spoiler! – Kaninchen, gottverdammte Kaninchen! Und es ist eine große Freude mitanzusehen, wie der Film sich sichtlich Mühe gibt, diese süßen, knuddeligen Tiere bedrohlich und unheimlich zu inszenieren. Er schafft es natürlich nicht, immerhin sind seine Monster Kaninchen, und damit ist sein Vorhaben von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Aber er gibt sich wirklich Mühe, mit schrägen Kameraeinstellungen, Perspektivschwindeln, blutigen Nahen… und ist dabei so albern, wie es nur irgendwie geht. Jeder, der die Zeit hat, sollte sich zumindest die wesentlichen Horrormomente dieses Streifens geben, und sei es nur, um sich ein wenig den Tag zu versüßen.

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