Die besten Science Fiction Filme der 70er Jahre I

Über das fantastische Kino der 70er Jahre zu reden, bedeutet über den Science Fiction Film zu reden. Punkt. Nach dem Wettlauf ins All der beiden vergangenen Jahrzehnte und der ersten Mondlandung des Menschen 1969 war die Menschheit West wie Ost beseelt von dem Gedanken, neue Welten zu erobern, ins Unbekannte aufzubrechen und den Weltraum zu kolonialisieren. Mit den Schattenseiten dieses Enthusiasmus setzen sich unter anderem der Pandemie-Film Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All und das philosophische SciFi-Drama Solaris auseinander. Ein zweites großes Faszinosum des 70er Jahre Science Fiction war der gesellschaftliche Status Quo, vor allem die potentielle Festzementierung von diesem in autoritären Staaten. Die Dystopien der 70er Jahre hatten weniger Angst vor einem möglichen Ende der Menschheit, als viel mehr vor einer Gefangenschaft in einem festgefahrenen Utopia/Dystopia. Der wütendste, diversifizierteste Aufschrei gegen eine solche Stagnation ist wohl Stanley Kubricks Uhrwerk Orange, während George Lucas‘ Filmdebüt THX 1138 einen deutlich fokussierteren Umgang mit dem Thema politische Dystopie an den Tag legt. Im Flucht vom Planet der Affen schließlich wird beides vermählt: Die Faszination vom Weltall und die Angst vor einer faschistoiden Gesellschaft, das ganze allerdings – ungewöhnlich für diese Zeit – mit einer Menge Ironie und erstaunlich selbstreflektierter Medienkritik.

Die 70er Jahre waren ein großartiges Jahrzehnt für das Science Fiction Genre. Viel Spaß mit den herausstechendsten Werke der ersten beiden Jahre der Dekade.

Uhrwerk Orange [Stanley Kubrick]

(Großbritannien, USA 1971)

Ja natürlich, Clockwork Orange ist weitaus mehr als nur ein Science Fiction Film: Musical, Satire, Parabel, Gewaltfilm, Sozialdrama… Was Stanley Kubrick in seiner Verfilmung des 1962er Romans von Anthony Burgess auffährt, spottet jeder Beschreibung und widersetzt sich jeder Kategorisierung. Aber bleiben wir dennoch kurz beim SciFi-Aspekt dieses düsteren, makaberen Meisterwerks: Dann finden wir die pittoreske Dystopie einer Gesellschaft, die stagniert, die schläft, die sich in gelangweilte Dekadenz flüchtet, und wir sehen wohin diese Stagnation führen kann: Zu radikalen Eruptionen von Gewalt, irgendwo zwischen Anarchismus und Faschismus, irgendwo zwischen egomanischem Hedonismus und nahezu religiösem Idealismus. Und natürlich zeigt der Film auch, wie diese merkwürdig faschistoide Gesellschaft mit dem Horror in ihrer Mitte umgeht. Gerade dieser Moment ist es, in dem Uhrwerk Orange zu einer faszinierenden SciFi-Parabel wird, die sich mit aktuellen politischen und sozialen Tendenzen auf dem Tableau einer düsteren Zukunftsvision auseinandersetzt. Dabei bleibt Kubricks wahnwitziger Trip stets ambivalent, oszilliert zwischen ästhetisch überstilisierter Faszination am Bösen, Abscheu und unbändigem Zynismus. Damals für viele Kontroversen gut und auch heute noch mit einem nicht zu verachtenden, realistisch dystopischem Kern. Genau dieser lässt das Science Fiction Moment bei all den unzähligen Genres, die Clockwork Orange bedient, signifikant herausstechen. Und selbst wenn man diese Kategorisierung nicht akzeptiert, kommt man doch nicht drum herum, dass es sich hier um einen der beeindruckendsten Filme der 70er Jahre handelt.

Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All [Robert Wise]

(USA 1971)

Die Verfilmung von Michael Crichtons Science Fiction Roman passt in unser Jahr 2020 natürlich wie Arsch auf Eimer. Andromeda ist nicht nur SciFi-Drama und Katastrophenfilm, sondern ein astreiner Pandemiefilm, wie ich kürzlich einige passend zur Covid-19 Pandemie empfohlen habe. Dabei gelingt es dem Film um eine toxische außerirdische Lebensform, die mitten in New Mexico landet, sowohl die Geschichte einer sich ausbreitenden Seuche als auch deren Bekämpfung packend und spannend, nüchtern und realistisch zu erzählen. Natürlich begibt er sich dabei auch in verwinkelte Verschwörungsterritorien, wird aber nie zu verworren, nie zu verschwurbelt, sondern bewahrt sich einen naturalistischen, plausiblen Kern. Retrospektiv ist hier zwar viel vom Zeitgeist der 70er Jahre zu spüren – Biologische Kriegsführung, der Ost-West-Konflikt, die Skrupellosigkeit der Supermächte -, aber dank seiner detaillierten Betrachtung von Seuchenausbreitung, staatlicher Reaktion, Forschung und Bekämpfung funktioniert er auch heute noch als zeitlose Parabel, die im Jahr 2020 wieder erschreckende Aktualität gewonnen hat.

Flucht vom Planet der Affen [Don Taylor]

(USA 1971)

Zum Zeitgeist unserer Zeit passen auch durchaus viele Motive, die in der Planet der Affen Reihe verhandelt werden. Die Flucht vom Planet der Affen ist dabei wohl der beste Film der klassischen Franchise gleich hinter dem ersten Teil Planet der Affen (1968). Das liegt in erster Linie daran, dass er eine gehörige Portion Selbstreflexion und Ironie in das Szenario hineinbringt, das bis dahin von dystopischer, pathetischer Düsternis geprägt war: Die Rollen werden einfach getauscht. Die Fremdlinge sind nicht mehr die sprechenden Menschen, die auf dem Affenplanet landen, sondern die sprechenden Affen, die auf dem Menschenplanet landen. Und wie zuvor sind die Fremdlinge unsere Identifikationsfiguren. So lernen wir Schrulligkeiten aber auch Gefährlichkeiten der menschlichen Gesellschaft durch den ethnologischen Blick des intelligenten Affen neu kennen, dürfen gemeinsam mit den sympathischen Protagonisten schmunzeln, den Kopf schütteln aber auch einfach Angst haben vor der irrationalen Starrköpfigkeit, die sich in jedem Menschen verbirgt. Das Ergebnis ist ein überspitzter, ironischer Hybrid aus Sozialkritik, „Was wäre wenn?“ Science Fiction und satirischer Parabel, die eigentlich viel zu gut ist, um in dieser Reihe aus kruden B-Filmen einen zentralen Platz einzunehmen.

THX 1138 [George Lucas]

(USA 1971)

Es war einmal ein junger, aufstrebender Regisseur namens George Lucas, tief inspiriert von den rauen Tönen des New Hollywood, zugleich aber dem Fantastischen und Prophetischen zugewandt. Bei seinem Debüt war nicht mal im Ansatz zu ahnen, dass Lucas mal zu einem der größten Blockbuster-Produzenten des Jahrzehnts und darüber hinaus werden sollte (zu Star Wars kommen wir natürlich noch in einer der folgenden 70er SciFi-Bestenlisten). In THX 1138, der alles andere als bekömmliches Popcornkino ist, zeigt er dennoch schon eine Menge seines vorhandenen Talentes: Und das besteht vor allem darin, eine immersive, faszinierende Welt zu erschaffen, die, obwohl sie mit einer Menge Fremdheit aufgeladen ist, dem Publikum sehr schnell erschreckend vertraut scheint. THX 1138 ist eigentlich eine traditionelle Dystopie, die viel von George Orwell und Co. gelernt hat, narrativ mag sie gar naiver, eindimensionaler als die großen Vorbilder daherkommen. Das was ihr aber an Story-Rafinesse fehlt, macht sie mit unglaublich beeindruckenden Bildern wieder wett, Bilder die direkt ins Innenleben der Protagonisten eintauchen, Bilder die ebenso abstrakt symbolisch wie unheimlich realistisch sind. Und hier kommt dann die zweite große Stärke Lucas‘ zum Tragen: Diese Bilder lebendig werden zu lassen und einer unfassbar hypnotisierenden Dramaturgie unterzuordnen. THX 1138 sieht nicht nur gut aus, er nutzt seinen Stil auch gekonnt, um zu verführen, zu erschrecken, zu blenden, Augen zu öffnen und mitzureißen. Und das ganz ohne Blockbusterattitüde und mit viel Mut zum Artifiziellen und sogar Surrealen. Ein fantastischer Trip zwischen Kunst und Kitsch, zwischen Introspektion und Epos; und weitaus mehr als ein Vorgeschmack auf George Lucas‘ folgende 1977er Space Opera Großtat.

Solaris [Andrei Tarkowski]

(Sowjetunion 1972)

Müssen zu Andrei Tarkowski viele Worte verloren werden…? Wahrscheinlich nicht. Der Mann ist einfach eine Legende des russischen Kinos und darüber hinaus einer der wichtigsten Regisseure des 20. Jahrhunderts überhaupt. Solaris, die Verfilmung eines Romans von Stanisław Lem, gehört dabei nicht einmal zu seinen besten Filmen, ist er doch deutlich seichter, weniger radikal als Stalker oder Serkalo. Aber er ist über fünf Jahre vor Stalker bereits ein beeindruckendes Dokument dafür, wie gut Tarkowski im Science Fiction Genre aufgehoben ist: Auf dem Tableau einer Raumstation, die um einen mysteriösen PLaneten kreist, entwirft Tarkowski eine vielschichtige Reflexion über Leben und Tod, Vergessen und Erinnerung, Bewusstsein und Wirklichkeit. Bisweilen sehr akademisch, zwischenzeitlich überraschend sinnlich ist Solaris primär ein Kopffilm, ein philosophisches und psychologisches Traktat, das sich für seine Gedanken viel Zeit lässt, um die eigenen Argumente kreist und sich selbst dabei immer wieder in Zweifel zieht. Gerade dieser Mut zum radikal Reflexiven ist es, der Solaris so spannend macht und auch genug Eigenständigkeit gibt, sich gegenüber der Vorlage zu behaupten. Man darf keine Angst vor langsamen, verkopften Filmen haben, dann sollte Solaris in der Tat eine Science Fiction Offenbarung sein, die den Vergleich zu 2001 – Odyssee im Weltraum nicht zu scheuen braucht.

Ähnliche Artikel