SciFi-Kurzerezensionen: Gravity, Oblivion, Ender’s Game, Pacific Rim

Jau… mal wieder die Zeit gefunden ein paar – in irgendeiner Form zusammenpassende – Filme, die ich in den letzten Wochen/Monaten gesehen habe, kurz zu rekapitulieren. In diesem Fall ist mal wieder Genrekino-Zeit, ganz konkret das Science Fiction Genre. Alle die hier genannten Filme spielen in einer sehr nahen (um genauer zu sein zeitnahen) oder sehr fernen Zukunft, platzieren sich im Weltraum oder eben auf einer zukünftigen Version unserer Mutter Erde. Das war es dann aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten, denn atmosphärisch könnten diese Genreableger nicht weiter voneinander entfernt sein: Gravity versucht sich am realistischen Sci-Fi-Szenario und überspringt dabei doch ab und zu so manche Plausibilitätskriterien. Im Gegensatz dazu will Pacific Rim so knallig, comicbunt und actionstylish wie möglich sein, was mit Sicherheit Spaß macht, aber doch ein bisschen zu Lasten der Tiefe geht. Ender’s Game inszeniert sich selbst als düstere Coming-of-Age Version des satirischen Starship-Troppers-Ansatzes. Und Oblivion stellt die Frage, ob man die Blockbusterattitüde von Tom Cruise mit einer raffinierten doppelbödigen Mystery-Geschichte kreuzen kann. Dank intelligenter Science Fiction Geschichten wie Moon durften sich die Genre-Fans in den letzten Jahren ja durchaus verwöhnt fühlen. Wird dieser Trend 2013 fortgeführt? Die Antwort folgt nach dem Klick.

Gravity [Alfonso Cuarón]

(USA 2013)

Zwei Astronauten im Orbit um die Erde, ein durch Satelliten-Trümmer verursachter Unfall, die Zerstörung ihrer Basisstation und das hilflose Treiben in der Leere des Raums, verknüpft mit der bangen Frage, ob die Protagonisten es doch noch irgendwie zurück zur Erde schaffen. Die Zutaten von Alfonso Cuaróns Gravity könnten nicht minimalistischer sein. Auch die Inszenierung und Atmosphäre des Films folgen dem Rezept, Science Fiction realistisch auf die Leinwand zu bringen: Kein krachigen Explosionen, keine unrealistischen den ganzen Raum erfüllenden Action-Geräusche und vor allem keine irrationale Bedrohung soll den naturalistischen Sci-Fi-Ansatz stören. Stattdessen erwartet den Zuschauer im Grunde so etwas wie ein Open Water in den Tiefen des Alls: Zwei Menschen, die ums Überleben kämpfen und durchaus (simulations-)erprobt genug sind, um jederzeit eine zwar geringe, nichtsdestotrotz jedoch auch plausible, Chance auf Rettung zu haben. Und ja, Cuaròn hat diesen simplen Ansatz so beeindruckend wie irgendmöglich auf Zelluloid gebannt: Die Kamera findet immer den richtigen Moment zwischen intimer Nähe und furchteinflößender Totalaufnahme, um das Verlorensein im Weltraum greifbar zu machen. Besonders mitreißend sind die Momente, in denen der Zuschauer direkt in die Orientierungslosigkeit der Charaktere hineingeworfen wird, inklusive schwereloser Schwindelgefühle und kompletter Selbstentgrenzung. Zu keinem Moment hat man das Gefühl, hier einem CGI-Spektakel beizuwohnen, die Hilflosigkeit ist greifbar, die erbarmungslose Weite des Alls ist spürbar und die Panik der beiden Hauptfiguren ist zu jeder Zeit enervierend nachvollziehbar. Ich kann mich tatsächlich nicht erinnern, jemals ein derart immersives Weltraum-Szenario erlebt zu haben, noch einmal verstärkt durch den 3D-Effekt, der im Falle Gravitys nicht wie ein überflüssiges Gimmick wirkt, sondern tatsächlich das Gefühl von Verlorenheit und Tiefe verstärkt.

Die Schwächen des Films liegen indes woanders, und so sehr sie während seiner Laufzeit durch die packende Atmosphäre geschickt verborgen werden, so sehr sorgen sie dann doch für Sodbrennen, nachdem man sich an den beeindruckenden Bildern satt gegessen hat. Als erstes wäre da die doch etwas ungeschickte Dramaturgie, die ihren Protagonisten immer einen Plan zur Problemlösung gewährt und diesen immer wieder auf nahezu penetrante Weise mit neuen Problemen torpediert. Die Dramaturgie Gravitys lebt einfach mal primär von ihren bösartigen Daumenschrauben, die ab einer gewissen Häufung nur noch wie eine Notlösung des Films wirken, die Spannung aufrecht zu erhalten: Bösartige dei ex machina, die aus dem Nichts kommen und auch gerne mal Plausibilitätsgrenzen sprengen (so z.B. der merkwürdige Umstand, dass einige chaotisch fliegende Trümmer scheinbar geradezu auf der Jagd nach der Protagonistin sind). Das wäre als redundantes narratives Mittel noch irgendwie verschmerzbar, wären die beiden Akteure bloß nicht so unfassbar eindimensional, geradezu am Reißbrett entworfen: George Clooney gibt den charmanten alten Haudegen, der immer alles im Griff zu haben scheint und selbst im Angesicht des nahenden Todes derart cool ist, dass man ihn am liebsten ins nächste schwarze Loch schießen möchte. Noch schlimmer, die Rolle Sandra Bullocks: Offensichtlich schwach und hilfesuchend inszeniert erhält sie zu allem Überfluss noch eine „tiefemotionale“ Soap-Hintergrundgeschichte und hat während des Films selten mehr zu tun als als Damsel in Distress in Space von Weltraumgefahren hin- und hergeschubst und vom charismatischen George Clooney gerettet zu werden. Den Schauspielern kann man dabei noch die wenigsten Vorwürfe machen. Beide spielen ihre Rollen überzeugend, insbesondere Sandra Bullock gibt ihrer Astronautin eine plausible Gestik und Mimik mit; nur, gegen das flaue, klischeetriefende Charakter-Sheet kommt sie mit noch so gutem Spiel einfach nicht an.

Macht das Gravity zu einem schlechten Film? Nein, dafür ist die Atmosphäre einfach zu großartig, dafür ist die Weltraumflucht einfach zu intensiv, dafür sind die Bilder einfach zu beeindruckend. Mehr als ein simples, dichtes All-Spektakel kommt dabei aber nicht rum. Ein Film, der im Kino ganz fantastisch rüberkommt, nahezu optimale Immersion bietet. Spätestens am TV vorm Sofa dürfte er aber eine Menge seines Reizes einbüßen.

Oblivion [Joseph Kosinski]

(USA 2013)

Die Menschheit, zermürbt vom Kampf gegen außerirdische Invasoren, hat sich auf eine Raumstation zurückgezogen, der im Orbit um die Erde kreist. Die letzten Menschen auf dem – vom Krieg und von Naturkatastrophen unbewohnbar gewordenen – Planeten sind Jack Harper und seine Partnerin Victoria, die sich um die Absicherung des Wasserenergietransports von der Erde zur Raumstation kümmern und sich dazwischen immer wieder Scharmützel mit Alien-Partisanen liefern, die auf der Erde frei herumstreifen. Beide erledigen ihre Arbeit gewissenhaft mit der Aussicht auf baldige Rückkehr in den Weltraum. Doch dann stürzt ein fremdes Raumschiff auf der Erde ab und Jacks Gewissheiten über seine Mission, das Schicksal der Menschheit und die Rolle der Aliens wird auf eine harte Probe gestellt.

Einmal Sci-Fi-Gemischtwarenladen mit Tom Cruise? Das ist tatsächlich weitaus besser, als es auf den ersten Blick klingen mag. Oblivion ist zwar im Prinzip nicht mehr als ein eklektischer Flickenteppich, zusammengebastelt aus zahllosen Science Fiction Blockbustern und Indie-Titeln, die Zusammensetzung funktioniert aber erstaunlich gut. In einem gelackten und schicken Zukunftsszenario, dass nicht nur als Dystopie taugt, sondern ebenso für die Kulisse eines Apple-Werbespots herhalten könnte, spielt Oblibion geschickt mit seinen Dispositionen und rennt schließlich in wahnwitzigem Tempo von Plottwist zu Plottwist, von denen zwar die wenigsten wirklich überraschen können, die meisten aber doch unterhaltsam genug sind, um auch verwöhnte Science Fiction Fans bei der Stange zu halten. Dabei versucht Oblivion fehlende Tiefe immer wieder durch kuriose neue Erkenntnisse, neue Narrationsebenen und fulminante Action wegzumachen. Und ja, das funktioniert in diesem Fall. Es macht einfach Spaß, dem Drehbuch zu folgen, das immer konfuser, immer unaufgeräumter wird, geradeso als hätte es Angst sich mit einer stringenten Geschichte selbst als Schaumschläger zu entlarven. Oblivion ist im besten Sinne des Wortes ein stylishes, flaches Zukunftsspektakel, das sich nicht viel um mögliche philosophische Fragen kümmert und stattdessen von Ereignis zu Ereignis hechtet. Selbst Cruise kann hier in einer beinahe klassischen Rolle zwischen Naivling und eigensinnigen Haudegen unterhalten. Vorbehalte ausgeschaltet, Gurte angelegt, und einer ungeheuer kurzweiligen Achterbahnfahrt durch bekannte Science Fiction Gefilde steht nichts mehr im Wege.

Pacific Rim [Guillermo del Toro]

(USA 2013)

Es hätte so schön sein können. Pacific Rim hat eigentlich all das Zeug für einen großartigen, unterhaltsamen Sommer-Blockbuster, der ein bisschen aus der Reihe tanzt. Simple Story? Check. Anders als simpel kann man die Geschichte, die sich mit dem Satz „Menschen kämpfen mit Riesenrobotern gegen Ungeheuer aus dem Ozean“ nicht bezeichnen; sprich: Beste Vorraussetzung für ein niveauvoll niveauloses Spektakel. Ein ordentliches Budget? Check. Knallbunte Farben und Anleihen beim japanischen Kino? Check. Nicht zu vergessen ein Regisseur, der weitaus mehr drauf hat als seelenlose Big Budget Spektakel. Check. Und dann natürlich der Nostalgiefaktor für alle Godzilla- und Destoroyah-Fans. Check, check und nochmals check. Und warum ist es anders gekommen? Nun, in erster Linie, weil sich Pacific Rim als nahezu ärgerliche Mogelpackung entpuppt. Nahezu alles auf der Haben-Seite wird geradezu unterminiert von den unglücklichen Entscheidungen, die diesem CGI-Spektakel innenwohnen. So werden gleich mal Guillermo del Toro ordentlich Fesseln angelegt: Nichts zu spüren vom düsteren Zauber eines Pan’s Labyrinth, aber auch nichts von der comichaften, überstilisierten Abgedrehtheit eines Spawn. Stattdessen kann die Inszenierung von Pacific Rim bestenfalls als bieder bezeichnet werden. Klar, es gibt die knalligen Farben, es gibt den ein oder anderen überraschenden Moment, die meiste Zeit über bewegt sich Pacific Rim aber nicht viel weiter als seine Vorbilder. Und diese – so traurig das auch ist – stammen nicht aus dem Godzilla-Universum, sondern aus den Welten eines James Cameron und Michael Bay: Die Actionszenen sind hektisch und chaotisch, die Kamera springt zwischen Metall- und Monsterteilen hin und her, so dass man ganz im Stile Transformers viel zu schnell den Überblick darüber verliert, wer nun eigentlich gerade kämpft, wer gerade was in die Luft gesprengt hat. Zahllose Dialoge und Spannungsmomente wirken eins zu eins aus bekannten Hollywoodschinken abgekupfert bis hin zu einer überpeinlichen Independence-Day-Ansprache kurz vor der letzten Schlacht. Die Charaktere sind eindimensional, inklusive der klassischen Stereotypen, wie man sie aus Top Gun oder Starship Troopers kennt.

Und… mein Gott… ist dieser Film teilweise dämlich! Die Charaktere, die Nebenhandlungen, die Physik… einfach alles! Ironischerweise rettet ihn gerade seine eigene Dummheit vor dem Totalversagen. Denn während die Bay/Cameron-Anleihen ärgerlich für alle Zuschauer sind, die ein nostalgisches Godzilla-Movie Spektakel erhoffen, sorgen die dummdreisten, freiwillig und unfreiwillig komischen Momente dafür, dass der Fan von schrägen Mistfilmen mit Pacific Rim ordentlich versöhnt wird. Sehen wir den Tatsachen ins Auge: Del Toro hat hier ein Big Budget Trash Spektakel inszeniert, dessen spaßigen Käsemomente aber viel zu oft von lahmem Pathos und eindimensionalem Hollywood-Charakterdesign kaputt gemacht werden. Für Hirn-aus Spaß ist das Endergebnis definitiv gut, gerade mit seiner Disposition wäre da aber weitaus mehr drin gewesen.

Ender’s Games [Gavin Hood]

(USA 2013)

Und damit kommen wir zu dem SciFi-Spektakel 2013, das irgendwie jeder zu hassen scheint: Eine Armee von eiskalten Jugendlichen, die in einer dystopischen, militarisierten Zukunft für den Kampf gegen Außerirdische trainiert werden. Faschistoide Strukturen innerhalb dieser Ausbildung. Und die omnipräsente Frage: Kämpfen wir hier tatsächlich gegen eine große Bedrohung von außen, oder sind wir selbst zur Bedrohung geworden? Wer dabei an Starship Troopers denkt, liegt gar nicht so falsch. Tatsächlich entpuppt sich Ender’s Game in vielerlei Hinsicht als ernsthaftes Pendant zu Verhoevens trashigem Science Fiction Comicausflug, und hat dabei doch das ein oder andere Mal zu oft einen Stock im Arsch. So fällt das satirische Moment in Ender’s Welt erst einmal fast komplett flach. Wo die Troopers mit bissigen, schwarzhumorigen Interruptionen wie den düsteren TV-Spots glänzen konnten, bleibt Ender ganz und gar in seinem dramatischen Kosmos gefangen. Humor unerwünscht, stattdessen soll alles getragen, gediegen und vor allem „serious“ sein. Dank diesem Verzicht auf satirische Spitzbübigkeiten kommt die potentielle Gesellschaftskritik wiederum weitaus subtiler, geradezu gut versteckt rüber, bis hin zur vollkommenen Unsichtbarkeit. Wo Starship Troopers Gift und Galle gegen die Menschheit spuckte, fordert Ender’s Game in hohem Maße dazu heraus, selbst über das Gesehene nachzudenken. Statt offensichtlicher Systemkritik sind es nur ein paar leise – dafür umso eindringlichere Momente, die die entworfene Utopie mit einem negativen Vorzeichen versehen.

Allerdings läuft der Film dann doch ganz gerne in die selbe Falle wie der vermeintliche Seelenbruder: So kritisch das Gesamtkonzept von Ender auch sein mag, so sehr unterliegt er den Großteil seiner Laufzeit der Faszination an sich selbst. Das kritische Potential wird geradezu hinweggefegt von beeindruckenden Bildern, pathetischen Geschichten und der Freude an der harten Rekrutenausbildung, die nicht nur das Herzstück des Films bildet sondern sogar fast die gesamte Laufzeit das einzige inhaltliche Moment darstellt. Damit tendiert Ender’s Game doch zu oft Richtung spannendem Science Fiction Drama, verliert sich in technoider Entzückung und militärischer Action-Begeisterung. Das ist alles sehr straight und kurzweilig inszeniert, so dass man als Zuschauer ohne Reue eine Menge Spaß an dem gediegenen Systementwurf hat, allerdings wird dies begleitet von dem schalen Beigeschmack, dass hier eine Menge kritisches Potential verschenkt wurde. Das trifft umso härter, wenn dann gegen Ende die Handlungen der Protagonisten zu wenig hinterfragt werden. Mit seinen finalen Plottwists, die der Menschheit genüsslich ans Bein pissen, bemüht sich Ender’s Game viel zu sehr um Entlastung der im Mittelpunkt des Films stehenden Personen: Hier wäre weitaus mehr Düsternis, weitaus mehr Bösartigkeit möglich und auch angebracht gewesen. Aber irgendwie handelt es sich dann doch – trotz kritischen Ansatzes – um einen klassischen Sommer SciFi-Reißer, und daher will man auch das Publikum nicht mit zu vielen Magenschmerzen aus dem Kino entlassen. Der Film soll weiter empfohlen und nicht kontrovers diskutiert werden… Schade, viel verschenktes Potenzial, aber summa sumarum immer noch ein ordentlicher, kurzweiliger Science Fiction Spaß, mit etwas zu schüchtern vorgetragener kritischer Note und viel zu viel Pathos gegen Ende. Trotzdem nichts, wofür man sich schämen muss, und weitaus mehr wert, als bloß ein Guilty Pleasure des Kinojahres zu sein. Achja, der Autor der Vorlage, Orson Scott Card ist trotzdem ein Arschloch.

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