Rezension zu Black Mirror, Staffel 5 (2019)

Zum größten Teil boten bis dato alle Black Mirror Staffeln großartige TV-Unterhaltung. Das „Zum größten Teil“ muss hier allerdings betont werden, einfach, weil es auch immer wieder Aussetzer gab. Irgendwie auch logisch bei einer Serie, die von Episode zu Episode ihr Setting, ihre Motivik, ihre Geschichte und sogar ihre Erzählhaltung ändert. Black Mirror hat sich immer viel gestaltersiche Freiheit herausgenommen. Lose zusammengehalten durch die Prämisse, Parabeln auf unsere technologisierte, digitalisierte und progressive Gesellschaft zu entwerfen, waren die Einzelfolgen mal sau witzige Satiren, mal düstere Symbolgeschichten, mal emotionale Dramen, spannende Science Fictioneers oder brutale Actionflicks. Gerade die fehlende Kohärenz machte dabei jede neue Folge erneut spannend. Und dazu gehörte auch immer die Frage: Wie der heurige Entwurf aufgehen? Meistens lautete die Antwort „Ja“. Aber über alle Staffeln hinweg gab es doch vereinzelte Episoden, bei denen die Antwort „Ja, mit Einschränkung“ oder ganz selten sogar schlicht „Nein!“ lautete. Kein Problem: Bei fast 20 Einzelteilen kann man sich ganz gut mit Rohrkrepierern abfinden. In der aktuellsten, fünften Staffel sieht es jedoch leider anders aus…

…Noch nie waren so geballt, durchschnittliche bis schwache Black Mirror Episoden auf einem Haufen zu sehen. Gut, es sind ja im Grunde genommen nur drei, aber wenn bei drei Episoden in Folge kein einziger Hit dabei ist, dann hinterlässt dies schon einen schalen Beigeschmack. Bisher durfte man sich zumindest darauf verlassen, dass nach einem misslungenen Einstünder zumindest eine brauchbare, wenn nicht sogar eine Knallerepisode folgen würde. Und es gab auch immer so ein kleines Versprechen, dass Black Mirror von Staffel zu Staffel besser werden würde. Tatsächlich finden sich einige der besten Folgen der gesamten Serie in der letzten, der vierten, Staffel (Man denke nur an das großartige USS Callister (2017)). Also, was ist hier in Staffel 5 schief gelaufen? Schauen wir uns die einzelnen Episoden an:

Striking Vipers

Die größte Schwäche der ersten Episode Striking Vipers ist, dass sie auf ein Gimmick zurückgreift, das zu oft – viel zu oft – nicht nur in Science Fiction Settings sondern auch in Black Mirror selbst genutzt wurde. Es geht mal wieder um Virtual Reality, die mal wieder so immersiv ist, dass der User sich komplett in einen virtuellen Körper transferiert sieht und fühlt. Dass diese fehlende Originalität bezüglich des Settings wie ein schwarzer Schatten über der gesamten Episode schwebt, ist ziemlich schade, da Striking Vipers durchaus ein paar schöne Ideen spendiert bekommen hat. Anstatt die VR-Welt für packende Action oder mysteriösen Grusel nutzen, wird hier etwas für das Setting doch relativ Ungewöhnliches erzählt (was an dieser Stelle nicht gespoilert werden soll): So darf sich der Zuschauer nach dem ersten Drittel der Episode ziemlich überrascht zeigen, wohin ihn deren Geschichte verschlägt. Leider reicht dieser Plottwist nicht im Geringsten aus, um aus Striking Vipers eine runde Sache zu machen. Viel zu bräsig, viel zu behäbig wird die Geschichte vor und nach dem Twist erzählt. Die beiden Hauptdarsteller Anthony Mackie (Avengers: Endgame) und Yahya Abdul-Mateen II machen ihre Sache verdammt gut, können das ganze Szenario aber auch nicht vor dem Durchschnitt retten. Überhaupt ist Striking Vipers viel zu brav, zu bieder und zu sehr larifari, um an alte Black Mirror Staffeln anknüpfen zu können. Allenfalls Durchschnitt, bei dem gerade das Herzstück einer jeden Black Mirror Folge, das SciFi Gimmick, komplett belanglos bleibt.

Smithereens
Smithereens verzichtet – irgendwie auch folgerichtig – fast komplett auf dieses Gimmick. Im Zentrum steht hier die Entführungsgeschichte eines Uber Hitcher-Fahrers (Andrew Scott), der einen Angestellten des Tech-Riesen Smithereen entführt und droht, ihn zu erschießen, wenn er nicht mit dem CEO des Konzerns sprechen darf. Okay, ein bisschen Gimmick muss natürlich auch hier sein. Dieses besteht in der sehr elegant erzählten Gegenüberstellung von klassischer Polizeiarbeit und Social Media Überwachung. Während die Polizei verzweifelt versucht herauszufinden, um wes es sich bei dem Entführer handelt, sind die digitalen privaten Überwacher von Smithereen schon viel weiter, kennen Namen, Interessen, Wohnort und tragische Ereignisse aus dem Leben des Entführers. Smithereen ist immer dann am interessantesten, wenn es sich vom Geschehen der eigentlichen Handlung wegbewegt und Richtung digitaler Ermittlung schielt, einen kleinen Blick hinter die Fassaden von Facebook und Co. wirft. Denn das macht diese Episode durchaus differenziert, ohne Holzhammer und ohne Schwarzweißzeichnung. Die Holzhammermetaphorik schlägt allerdings am Ende der Folge voll in die Fresse des Publikums. Smithereens will dann plötzlich doch eine Parabel sein, und zwar eine der flachesten Sorte, inklusive eines Kulturpessimismus, den man eher von einem 60jährigen CSU-Wähler erwarten würde. Diese plumpe – wirklich penetrant vorgetragene – moralische Botschaft vergällt einem dann auch die zuvor geschickt aufgebaute Spannung und Dramatik und bleibt leider am stärksten von dieser sonst okayishen Episode haften.

Rachel, Jack and Ashley Too
Es spricht nicht für die Staffel, wenn ihre beste Folge in jeder anderen Black Mirror Staffel gerade mal als solider Durchschnitt durchgegangen wäre. Aber so ist es in diesem Fall. Ja, Rachel, Jack and Ashley Too macht zwischenzeitlich und vor allem gegen Ende verflucht viel Spaß: Nicht nur wegen dem herrlich selbstironischen und zugleich ziemlich düsteren Cameo von Miley Cyrus (die hier wieder einmal beweist, dass sie in der richtigen Rolle verdammt gut spielen kann), sondern auch wegen dem Gimmick, das in diesem Fall ein Roboter-Nachbau inklusive Bewusstseinsklon des Popstars Miley Ashley O ist. Die Episode erzählt parallel zwei Geschichten. Erstens, die Geschichte eines einsamen Mädchens (Angourie Rice aus Die Verführten), das zum Geburtstag eine solche Roboterpuppe geschenkt erhält und zu dieser eine irritierend enge Bindung aufbaut. Zweitens, die Geschichte des Popstars Ashley O., ausgebrannt, müde und unter der ständigen strengen Bewachung ihrer Tante und Managerin, die es nicht erwarten kann, neues Hitmaterial geliefert zu bekommen. Was nun eine wirklich düstere Parabel auf junge Popstars werden könnte – und zwischenzeitlich auch ist – nimmt rücksichtslos die Kurve zum albernen Actionklamauk und funktioniert somit weitaus besser als Smithereens, das sich viel zu ernst genommen hat. Rachel, Jack and Ashley Too ist bunt, laut, konfus, poppig, ohne klare Linie und roten Faden… und dadurch tatsächlich ziemlich ansehnlich und unterhaltsam. Es schlägt die besten Kapriolen der Staffel und ist sich nicht zu schade, sein ganzes Konzept auf die Schippe zu nehmen. Damit gehört das Teil immer noch nicht zu den besten Black Mirror Episoden, ist aber allemal überdurchschnittliche Unterhaltung mit netten Gimmicks und viel Herzwärme. Die Tiefe und Dichte anderer Black Mirrors mag hier fehlen, aber in dieser Staffel nimmt man, was man kriegen kann.

…Und das wars dann auch schon. Drei Episoden, nach denen man denkt „Wie, schon vorbei?“ und auch denkt „Meehh!“ und „Das war aber schwach!“, um sich dann anderen Dingen zu widmen. Es fehlt der düstere und verstörende Zauber vorheriger Staffeln, das was einen auch nach Episodenende wachgehalten hat, zum Grübeln brachte, zum Zittern und zum Fiebern. Diese Black Mirror Staffel ist extrem dünn, extrem brav, bieder und mitunter sogar konservativ. Ihr fehlen die grandiosen Ideen, Settings und Parabeln, und alles in allem kann sie nur als Enttäuschung verbucht werden. Der Lichtblick: Drei schwache Episoden sind eben auch NUR drei schwache Episoden, und es darf eben durchaus gehofft werden, dass die nächste Staffel (hoffentlich 2020) für dieses Tief entschädigt. Abgeschrieben werden sollte Black Mirror definitiv nicht.

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