Schräges Kino aus Fernost: Jeong Jun-hwans "Save the green Planet" (2003)

Dass die asiatische Filmindustrie immer für einige Überraschungen, originelle Genrespagate und unkonventionelle Erzähltechniken gut ist, dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Besonders die koreanische Filmindustrie scheint sich gerade zu Beginn des neuen Jahrtausends auf gewagte Filme einzulassen, die nur noch schwer mit gängigen Genrekonventionen zu fassen sind. Jeong Jun-hwans Film „Save the green planet“ bildet was das betrifft keine Ausnahme. Ganz im Gegenteil; in seinem Debütfilm scheint der Regisseur beinahe exemplarisch vorzuführen, was man alles von schrägen Filmen aus Fernost erwarten kann: Thriller, Tragödie, Satire, beißende Gesellschaftskritik oder fantastische B-Movie-Reminiszenz. Wenn schon durch die Genres springen, dann auch richtig!

Sie sind unter uns, überall. Getarnt als Menschen, mit fast der gleichen DNA wie wir selbst gesegnet, kommunizieren sie über die Haare mit ihren Freunden im Weltraum und haben nur ein Ziel: Die Vernichtung der Erde. Die Rede ist von hyperintelligenten, äußerst widerstandsfähigen, telepathischen und zudem höchst bösartigen Aliens. Jedenfalls ist der ehemalige Fabrikarbeiter Byun-gu (Ha-kyun Shin) fest von dieser Theorie überzeugt und als einziger Mensch, der die Wahrheit über die Feinde aus dem All kennt, versucht er alles um unseren grünen Planeten zu retten. Die Ideen, die hinter seiner irrwitzigen Theorie von skrupellosen, experimentierenden Alien-Prinzen aus dem All stehen, hat er sich aus unzähligen Science Fiction Geschichten, B-Movies und Esoterikzeitschriften zusammengebastelt. Mittlerweile glaubt er, den Anführer der Außerirdischen ausfindig gemacht zu haben. Der Großindustrielle Kang Man-shik (Yun-shik Baek), für den Byun-gu selbst einmal gearbeitet hat, ist der potentielle Bösewicht und dieser plant nach Meinung des mittlerweile arbeitslosen, depressiven tablettenabhängigen Freaks in drei Tagen die gesamte Menschheit zur Vernichtung freizugeben. Kurzerhand entführt Byun-gu zusammen mit seiner Freundin Sooni (Hwang Jeong-Min) die Gefahrenquelle und sperrt den Unternehmer in den Keller eines abgeschiedenen Hauses in den Bergen. Während die Polizei und ein zynischer Detektiv auf der Suche nach dem Entführten sind, beginnt Byun-gu seine Experimente, um die außerirdische Herkunft seines Gefangenen zu beweisen. Für den hilflosen Kang stellt sich sehr bald heraus, dass diese Forschungen alles andere als angenehm sind.

„Save the green planet“ beginnt als irrwitzige Studie eines komplett verrückten Freaks. Mit hektischen Kamerafahrten und schnellen Schnitten wird dem Zuschauer das Innenleben Byun-gus präsentiert. Dabei scheint Regisseur Jeong Jun-hwan seine Hausaufgaben gemacht zu haben. Der wahnwitzige Seelenstriptease bietet nicht nur bekannte narrative Elemente des koreanischen Kinos, sondern bedient sich auch munter bei amerikanischen und europäischen Vorbildern. So manche schnelle Kamerafahrt erinnert an David Finchers postmoderne Spielereien, die hektischen Schnitte könnten durchaus auch aus dem zerfahrenen Werkes eines Guy Richies stammen. Ein angenehmer Nebeneffekt dieser offensichtlichen Inspiration ist, dass es dem westlichen Zuschauer deutlich leichter fällt in den Film einzusteigen als bei anderen asiatischen Kuriositäten. Doch so schrill, irrwitzig und amüsant der Film auch startet, so schnell ändert sich auch wieder der gesamte Ton der Inszenierung. Insbesondere der Mittelteil von „Save the green planet“ ist geprägt von einem eindringlich düsteren Ambiente. Die Darstellung von Byun-gus Experimenten an dem vermeintlichen Außerirdischen ist wenig zimperlich und mit Sicherheit nur für robuste Magen geeignet. So manche dieser Folterszenen überschreitet ohne mit der Wimper zu zucken die Grenzen zum Gore-Genre; die gezeigte Gewalt ist eruptiv und sadistisch, kümmert sich nicht um die Befindlichkeit des Zuschauers und bildet somit einen brutalen Kontrast zu dem schrägen Humor, der trotz alledem immer wieder durchblitzt.

Aber auch an dieser Stelle macht Jeong Jun-hwan noch nicht halt. Anstatt dem Zuschauer die Sicherheit zu geben in einem fiesen Genrefilm angekommen zu sein, dreht er die Daumenschrauben erneut an, indem er der Geschichte eine ungeheuer tragische Note verleiht. Der verrückte Folterer Byun-gu erweist sich mehr und mehr als Verlierer eines grausamen Systems, dass keine Menschlichkeit kennt. Das vermeintliche Opfer wird zur hässlichen Fratze dieses Systems, das für finanziellen Profit auch über Leichen geht. Es fällt nicht schwer durch diese tragischen Aspekte die in der Geschichte schlummernde satirische Note zu erkennen. Hier rächt sich das Opfer einer verrückt gewordenen Leistungsgesellschaft an deren Vertretern auf brutalste Weise. Die Verrücktheit Byun-gus scheint hausgemacht, die Gewalt, die er Kang antut, ist nicht einfach Gewalt an einem beliebigen Fremden sondern der atavistische Gegenschlag gegen systemimmanenten Mechanismen, denen er ansonsten ohnmächtig gegenüber steht. Dies erlaubt dem Zuschauer sowohl Opfer als auch Täter gleichermaßen Empathie und Mitgefühl entgegenzubringen.

Warum der Film dann gegen Ende jeglichen Boden unter den Füßen verliert, bleibt allerdings schleierhaft. Denn neben diesem intensiven, dramatischen Kammerspiel und dem kruden, zynischen Humor zaubert Jeong Jun-hwan nämlich plötzlich noch weitere Verwirrungstaktiken aus dem Ärmel. So zitiert er in einer denkwürdigen Passage mit höchstem Vergnügen das komplette Pottpourri der esoterischen Verschwörergemeinde, inszeniert ein wunderbares Sammelsurium an Alienparanoia und vermischt das Ganze mit unzähligen Filmreferenzen vom amerikanischen Science Fiction Kino der 50er Jahre über Robert Sheah bis hin zu „2001 Odyssee im Weltraum“. Dass dabei ein gewisser Orientierungsverlust in Kauf genommen wird, gehört wohl zum Konzept. Denn obwohl der Film recht stringent inszeniert ist, kann man als Zuschauer spätestens im Schlussdrittel mitunter nur noch den Kopf schütteln über so viele wahnwitzige Ideen, die jeder konventionellen Inszenierung spotten. Auch der dazwischen geschummelte Subplot um einen abtrünnigen Polizisten gehört eher in die Kategorie „Hätte nicht unbedingt sein müssen“. Immer wieder verzettelt sich Jeong Jun-hwan in der Vielfalt seiner Ideen. Tatsächlich scheint „Save the green planet“ somit zeitweise unter einem zu-viel an Kreativität zu leiden. Denn was hier alles an Ideen aufgefahren wird hätte locker in zwei oder gar mehr Filmen Platz finden können.

Trotz dieser Schwächen ist „Save the green planet“ ein guter Film geworden. Er ist unkonventionell und macht gehörigen Spaß. Er weiß an den richtigen Stellen zu fesseln, vermag es den Zuschauer zum Schmunzeln zu bringen und liefert trotzdem immer wieder auch berührende, tragische Momente. Ein wilder Mix, den sich Fans durchgedrehter asiatischer Filme nicht entgehen lassen sollten. Aber auch Zuschauer, die dem fernöstlichen Kino kritisch gegenüberstehen können durchaus einen Blick riskieren. Denn „Save the green planet“ ist zwar schräg und kurios, jedoch stringent und temporeich genug um auch „westliche“ Sehgewohnheiten nicht zu sehr zu fordern. Einen robusten Magen und viel Toleranz gegenüber verrückten Wendungen sollte man dennoch mitbringen.

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Erstveröffentlichung des Textes: 2010