Die besten Horrorfilme der 70er Jahre VIII
Und weiter geht es mit den besten Horrorfilmen der 70er Jahre, im Gegensatz zu den vorangegangenen Bestenlisten dieses Mal nun wirklich mit einer Zusammenstellung, der kein klares Subgenre zugewiesen werden kann. Also dann, einfach nur vier Horrorfilme aus der Dekade, die – aus unterschiedlichen Gründen – durch und durch sehenswert sind. Mit The Wizard of Gore und dem wahrscheinlich besten Film der Splatterlegende Herschell Gordon Lewis. Mit Dawn of the Dead und dem ziemlich sicher besten Zombiefilm der Dekade und einem der besten Filme von Zombielegende George A. Romero. Mit The Hills have Eyes und dem womöglich besten Terrorfilm der 70er Jahre und einem der besten Filme von Horror-Legende Wes Craven. Und last but not least mit Deathdream alias Dead of Night und dem wahrscheinlich besten vergessenen Horrorfilm der Ära und zudem dem besten Film vom kanadischen Regietausendsassa Bob Clark (der von Black Christmas bis Porky’s so ziemlich jedes Genre bedient hat, dass das Kino der 70er und 80er Jahre kennt). Blutbäder, ausgeweidete Körper, Untote und mörderische Hillbillies… Eigentlich alles, was man vom Horrorkino der 1970er erwarten kann…
The Wizard of Gore [Herschell Gordon Lewis]
(USA 1970)
Hand aufs Herz, Legendenstatus hin oder her, Herschell Gordon Lewis ist in vielerlei Hinsicht kein guter Regisseur. Oft inszeniert er wie der Elefant im Porzellanladen (oder eher in der Schlachterei): Laut, ungehobelt, tollpatschig, immer mehr auf Shock Value aus, denn auf intelligentes Storytelling. Aber auch ein Dilettant kann manches mal Großes schaffen, trotz oder gerade wegen seines Dilettantismus. The Wizard of Gore ist ein solcher Fall von einem Meisterwerk, das einen ganz unerwartet trifft, wenn man die sonstigen Filme von Lewis wie Gore Gore Girls dagegen hält. Die Geschichte von einem mysteriösen Magier, der sein Publikum hypnotisiert, um ihnen anschließend grauenhafte Splatterszenen vorzuspielen, ist ein herausragender Hybrid aus Mystery, Psychothriller und derbem Splatter. Im Gegensatz zu anderen Filmen von Lewis wirken die – wie immer ziemlich krassen, ausufernden – Schlacht und Metzelszenen nicht forciert, sondern betten sich hervorragend in die Handlung ein, die dann auch mehr Murder Mystery und Giallo–Hommage denn reine Splatterorgie ist. Herschell Gordon Lewis spielt gekonnt mit dem (von ihm selbst mitentwickelten) Splattergenre, er untergräbt die Erwartungen des Publikums ein ums andere Mal und findet sogar ein surreales, bizarr überzeichnetes Ende. The Wizard of Gore macht Spaß, nicht nur als Splatter- und Horrorfilm, sondern auch als ironischer Metakommentar zum Genre, als mysteriöse Auseinandersetzung mit Schein und Wirklichkeit, und als clevere Detektivgeschichte mit absurdem Twist.
Diesen Film haben wir auch in unserem Podcast besprochen.
Zombie – Dawn of the Dead [George A. Romero]
(USA 1978)
Mit Night of the Living Dead (1968) schuf George A. Romero den Prototypen des modernen Zombiefilms, der in den 70ern zahllose plumpe Nachahmer nach sich zog. Die meisten Zombiefilme dieser Zeit sind vergessenswert. Übers Knie gebrochene, plumpe, überhastete Billigfilme, die versuchen, die Faszination am Untoten-Topoi auszuschlachten, ohne dessen Möglichkeiten wirklich zu verstehen. Da braucht es schon George A. Romero selbst, der fast zehn Jahre nach der Nacht der lebenden Toten einen Quasi-Nachfolger präsentiert, der alles in den Schatten stellt, was bis dahin das Zombiekino heimgesucht hat. Dawn of the Dead ist wie schon sein Vorgänger ein herausragender Hybrid aus beängstigendem Pandemie-Horror, bissiger, satirischer Gesellschaftskritik und blutigem, spaßigen Zombiegemetzel. Im Gegensatz zu seinen Epigonen beherrscht Romero die Balance zwischen Splatter, Horror, Ironie und Drama, kann sowohl fesseln als auch unterhalten, ohne dass das eine das andere sabotieren würde. Die Zombieapokalypse erhält hier zum ersten Mal ein episches Ausmaß, die Bedrohung durch die Untoten wird zum monumentalen Ende der Menschheit, zum Ende aller Ordnung, zum Ende allen Rechts. Neben dem großen apokalyptischen Pathos gelingt Zombie darüber hinaus ein gehässiger, augenzwinkernder Kommentar zu Konsumismus und Kapitalismus, zu Bürgerlichkeit und Subversion. Und zu guter Letzt sind die Special Effects Top Notch, die blutigen Szenen ordentlich blutig, die Zombies ordentlich verwahrlost, die Splattereinlagen wohl dosiert aber stets überzeugend. Neben Day of the Dead – ebenfalls von Romero – der beste klassische Endzeit-Zombiefilm.
Deathdream [Bob Clark]
(Kanada, USA 1974)
Die Untotenthematik kann deutlich mehr als traditionelle Zombiefilme im Geiste Romeros oder Fulcis zu erzählen. Deathdream beziehungsweise Dead of Night ist die Geschichte eines jungen Soldaten, der in Vietnam sein Leben verliert, auf irgendeinem mysteriösen Weg jedoch zurück in die Welt der Lebenden und zu seiner trauernden Familie findet. Aber er hat sich verändert und wird zur Bedrohung für die heile Welt seiner Eltern und Freunde. Deathdream lebt von seiner vagen, düsteren Atmosphäre. Er braucht keine übertriebenen Gewaltszenen, keinen hohen Kill Count, um zu erzählen, was er erzählen will: Eine Parabel über die unsichtbaren Folgen des Kriegs, über Traumata und Wesensänderungen, ein Horrordrama über die Brüchigkeit der heilen Welt der amerikanischen Vororte, ein Horrordrama über Trauer, Zusammenhalt, aber auch über tödliche Ignoranz und sich langsam entwickelnden Wahnsinn. In diesem Setup ist Deathdream unfassbar intensiv, mit düsteren, in die Länge gezogenen Suspense-Momenten, mit sehr viel Aufmerksamkeit für die unterschiedlichen Charaktere und deren Motivationen, und mit einem Gespür für langsames Pacing, das gerade in den letzten Jahren unter dem Label Post-Horror ein großes Revival erlebte. Somit ist Bob Clarks düstere Parabel in gleich mehrerer Hinsicht seiner Zeit voraus. Zu Unrecht ein wenig in Vergessenheit geraten ist dieser Film womöglich der zeitloseste dieser Liste, einer der wenigen 70er Horrorstreifen, der heute noch genau so gut funktioniert wie zur Zeit seines Entstehens.
The Hills have Eyes – Hügel der blutigen Augen [Wes Craven]
(USA 1977)
Neben dem in der letzten Bestenliste bereits erwähnten Texas Chainsaw Massacre gehört The Hills have Eyes von Wes Craven wohl zu den berühmtesten Terrorfilmen der 70er Jahre: Auch hier geht es um die Konfrontation des urbanen wohlsituierten amerikanischen Bürgertums mit dem Hinterland, hier in Form von abscheulichen, mordlustigen Kreaturen. Aber, die Hügel der blutigen Augen erzählen deutlich mehr als eine Horrormär von brutalen Hinterwäldlern. Dieser Frontalangriff thematisiert offensiv, wie diese monströsen Menschen so werden konnten, wie sie sind, und präsentiert sie damit als bizarres Zerr- und Spiegelbild des amerikanischen Wohlstands. Wes Craven bewegt sich hier immer zwischen Gesellschaftskritik, Parabel und brutalem Horrorschocker. Ähnlich wie George A. Romero gelingt ihm der Balanceakt. Auch wenn The Hills have Eyes viel auf Shock Value setzt, nicht mit brutalen, blutigen und exploitativen Szenen geizt, so ist es am Ende doch die Geschichte, die im Mittelpunkt steht. Und diese macht es dem Publikum in letzter Konsequenz nicht leicht, sich von Verantwortung freizusprechen. Auch wenn der Schrecken und die Gewalt hier klar externalisierter Schrecken und externalisierte Gewalt sind, so schielen sie doch immer zu ihren Ursprüngen, und schließlich schafft es Craven die Grenzen von Mensch und Monster vollkommen zu verwischen. Neben seinem sozialen Subtext ist Hügel der blutigen Augen einfach ein sau spannender Nailbiter, ein schockierender, beängstigender Terrorfilm und eine derbe Horrorerfahrung zwischen Schmerz, Schock und Thrill.
Eine Antwort auf “Die besten Horrorfilme der 70er Jahre VIII”