Ready or not – Auf die Plätze, fertig, tot (2019)

Achja, bei einer Filmrezension verhält es sich gar nicht so viel anders als bei einem Roman, einer Novelle, einem Gedicht oder Drama oder sonst irgendeiner Textsorte. Der Einstieg scheint immer am schwersten. Das ist in den seltensten Fällen die Schuld des Films sondern viel mehr die des Rezensenten. Irgendwann hat man eben das Gefühl jeden erdenklichen Start gewählt zu haben (auch wenn das nie stimmt), irgendwann hat man doch das Gefühl, sich nur noch zu wiederholen. In diesem Fall versucht man dann Abwechslung in den Text zu bringen, indem man darüber schreibt, wie schwer es doch ist zu schreiben (was auch ziemlich Käse ist, aber Harald Martenstein in seiner Phase zwischen „Netter Kolumen-Papa“ und „Heh, ab sofort bin ich Wutbürger“ ganz gut über die Runden gebracht hat). Oder man macht das, was ich in diesem Fall – nach diesem absolut überflüssigen Intro – tuen werde: Man gibt dem Film selbst die Schuld an der Schreibblockade. Im Fall von Ready or not (2019) fällt dies alles andere als schwer, denn diese kleine Horrorkomödie gibt nicht viel Raum etwas über sie zu erzählen. Dafür ist sie einfach zu generisch, zu überraschungsarm, zu straight forward. Das ist in dem Fall gar nicht mal böse gemeint. Mit seinem netten Plot, mit seinen skurrilen Figuren und seiner sauberen Inszenierung klettert Ready or Not irgendwie schon über den Durchschnitt, aber er bleibt doch arm an Tiefe und Originalität.

Es ist vor allem das Grundkonzept, das hier zu überzeugen weiß: Die Familie Le Domas ist eine alt ehrwürdige Dynastie, die es im 20. Jahrhundert durch die Produktion von Gesellschaftsspielen zu erheblichem Reichtum und Ansehen gebracht hat. Das alles kümmert die junge Grace (Samara Weaving) wenig. Sie hat sich in den jüngsten Spross der Familie Alex (Mark O’Brien) verliebt, und die beiden wollen heiraten. Dass dazu auch zwangsweise eine opulente Hochzeit auf dem Sitz der Domas gehört, ist für Grace schlicht und ergreifend Teil des Gesamtpaketes. Auch Alex‘ Versuche, sie so weit es geht aus den sozialen Gepflogenheiten des Clans herauszuhalten und gar das Angebot, durchzubrennen, alle Verpflichtungen hinter sich zu lassen, schlägt Grace aus. Wenn sie schon in eine skurrile Dynastie hineinheiratet, dann auch mit allem, was das mit sich bringt. Hätte sie sich das doch zweimal überlegt. Teil des Hochzeitsrituals ist es nämlich, am Abend der Zeremonie ein gemeinsames Spiel zu spielen, das die Eingeheiratete per Los auswählt. Grace zieht die Karte „Hide and Seek“; klassisches Versteckspiel, das die ganze Nacht bis zum Sonnenaufgang im riesigen Anwesen der Domas zelebriert werden soll. Grace versteckt sich und der Rest der Familie begibt sich auf die Suche nach ihr. Was sie nicht ahnt. Gerade dieses Spiel hat einen teuflischen Twist. Die anderen Familienmitglieder wollen sie nicht nur finden und abklatschen, ihr Ziel ist es, die Gefundene in einem diabolischen Ritual zu töten. Bewaffnet mit Machete, Gewehr und Armbrust machen sich die Familienmitglieder auf die Jagd nach Grace, für die die Nacht in der Folge zum Kampf ums Überleben wird.

Klingt bizarr und spaßig… und genau das ist es auch. Nachdem Ready or Not durch seinen Prolog gerast ist, wird er schnell zum skurrilen Spagat zwischen schwarzer Komödie, Slasheraction und augenzwinkerndem Horrorthriller. Die Mitglieder der ebenso ehrwürdigen wie mordlüsternen Familie haben alle ihre Ticks und Macken: Von der tollpatschigen Charity (zum Schreien komisch: Elyse Levesque), die immer wieder für Kollateralschäden bei Familienmitgliedern und Hausangestellten verantwortlich ist, über den neurotischen Fitch (Kristian Bruun), der sich ständig Tutorialvideos zu seiner Armbrust auf Youtube anschaut, über die düstere Tante Helene (Nicky Guadagni) bis hin zur stilvollen, den Clan um jeden Preis zusammenhaltenden Mutter Becky (Andie MacDowell) ist hier alles vertreten, was man sich an schrägen Charakteren vorstellen kann. Folgerichtig ist das Unterhaltsamste an Ready or Not nicht, die zumindest zu Beginn des Films sehr blass wirkende Grace bei ihrer Flucht durch die Villa zu begleiten. Der Reiz von Ready or not besteht in erster Linie darin, den alles andere als morderfahrenen Le Domas bei ihrer dilettantischen Jagd zuzuschauen. Hier gibt es eine Menge schwarzhumoriger und bissiger Momente, eine Menge Lacher, die im Halse stecken bleiben, eine Menge absurder Sympathien die aufgebaut und wieder eingerissen werden. Schade allerdings, dass sich Ready or Not nicht traut, seinen grotesken Charakteren mehr Raum zu geben: Wie gerne hätte man mehr über den eingeheirateten, ständig fehl am Platz wirkenden Fitch erfahren, wie gerne hätte man mehr über den Charakter des gesichtslos bleibenden Familienoberhaupts (Henry Czerny) gelernt, wie gerne hätte man Charity bei noch mehr tollpatschigen Aktionen zugeschaut.

Aber Ready or Not will dann eben doch in seinem Zentrum zu sehr unterhaltsamer Actionhorror sein, als dass er seinen Figuren mehr Raum, seinen Running Gags mehr Luft zum Atmen schenken könnte. Der actionreiche Hauptteil, der den größten Part der Laufzeit einnimmt, ist alles andere als schlecht inszeniert: Kurzweilig und rasant ist die Jagd durch das Anwesen der Familie, und sie geizt auch nicht mit schrägen bis albernen Splattereinlagen, die in ihren besten Momenten herrlich nostalgische Reminiszenzen an das blutige Horrorkino der 80er Jahre darstellen. Aber er ist in seiner Gewaltdarstellung natürlich weder ein Evil Dead noch ein Braindead. Dass bei den Gore- und Splattereffekten auch auf Jugendfreundlichkeit geschielt wurde, lässt sich nicht ganz verhehlen, auch wenn es mitunter recht zünftig zugeht. In seinem Herzen ist Ready or Not dann eben doch vor allem ein Film, der ein großes Publikum erreichen will: Zielgruppe 16 bis 46, inklusive aller unter der FSK-Grenze liegenden Kids, die sich das Teil heimlich reinziehen werden. Ready or Not ist ein Crowdpleaser, wie er im Buche steht: Ein wenig schwarzer Humor hier, ein wenig unterhaltsame Action dort, ein paar deftige Blutfontänen, ein paar Jump Scares, ein bisschen menschliches Drama und eine Protagonistin, die sich im Laufe des Films natürlich von ihrem Opferstatus verabschiedet und Badass zurückschlägt (Majorspoiler auf dem offiziellen Fimplakat eingeschlossen). Kleinster gemeinsamer Nenner vielleicht, dabei aber sowohl effizient als auch effektiv.

Das reicht und das reicht nicht: Es reicht definitiv für kurzweilige 90 Minuten Horror/Action/Comedy-Unterhaltung. Es reicht nicht für eine clevere Parabel auf die Aristocrats von heute. Es reicht für einen spannenden, nostalgischen Slasher mit Augenzwinkern. Es reicht nicht für einen Film, der dem Horrorgenre mehr geben kann als sich selbst. Gegen bissige satirische Post Horror Flicks jüngeren Datums wie Get Out oder Us geht Ready or Not baden. Aber er gewinnt mit seiner sympathischen, sich nie zu ernst nehmenden Art locker gegen all die Happy Deathdays dieser Zeit und Welt. Ob das genug ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich hatte Spaß, die Worte für die Rezension sind mir allerdings ausgegangen und viel mehr zu sagen gibt es auch nicht zu diesem netten, vielleicht zu netten aber alles in allem befriedigenden Horrorstreifen.

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