5 Zimmer Küche Sarg und die albernen Seiten des Vampirmythos – What We Do in the Shadows (2014)

Wenn es um die am meisten vergessenen Vampirfilme des 21. Jahrhunderts geht, kommt mir am ehesten die deutsche Indie-Mockumentary Kevin – Die Vampirdoku (2008) von Christian von Aster in den Sinn. Dabei handelt es sich nicht um ein Meisterwerk, aber dieser kleine Streifen ist trotz aller Schnitzer und der nicht zu leugnenden Low Budget Ästhetik eine wirklich originelle Satire auf große und kleine Vampirmythen, die recht gekonnt Gothic Grusel Klischees in unsere Zeit transferiert und den Vampirismus als allgemein anerkannte Krankheit inszeniert. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass Taika Waititi (Jojo Rabbit) diesen kleinen, deutschen Rohdiamanten gesehen hat. Aber erwähnt werden sollte von Asters Film (in dem immerhin Sebastian Krumbiegl von den Prinzen einen Cameo-Auftritt hat) dennoch an dieser Stelle, ähnelt ihm Waititis Horrorkomödie 5 Zimmer Küche Sarg (2014) (selten dämliche Eindeutschung des Originaltitels What We Do in the Shadows) doch in vielfacher Hinsicht. Auch hier geht es um eine Zerlegung des Mythos in der modernen Welt. Auch hier geht es um die komischen, nervigen, oft übersehenen Seiten des Vampirdaseins. Und auch Waititis Film arbeitet mit den Mitteln einer fiktiven Dokumentation. Und ebenso wie sein deutsches Pendant bewegt sich What We Do in the Shadows irgendwo zwischen albern, dumm, clever, holprig und extrem unterhaltend.

Das Leben in einer reinen Vampir-WG ist alles andere als leicht. Der knapp 400 Jahre alte Viago (Taika Waititi) versucht dennoch sein bestes, um mit guter Laune und strengen Regeln die Ordnung in seiner Wohngemeinschaft aufrecht zu halten. Dort lebt er mit dem fast tausend Jahre alten Traditionalisten Vladislav (Jemaine Clement), dem nicht einmal 200 Jahre alten Jungspund Deacon (Jonathan Brugh) und dem monströsen 8000 Jahre alten Petyr (Ben Fransham). Trotz ihres ewigen Lebens und ihrer Durst nach Blut schlagen sich die vier mit den typischen Problemen einer Altherren-WG rum: Wer macht den Abwasch, wer bringt den Müll raus, wer schafft die Opfer ran und wer bringt die Leichen weg? Oft genug hadern die Freunde auch mit den komplizierten Phänomenen der modernen Welt, diesbezüglich steht ihnen aber Deacons menschliche Dienerin Jackie (Jackie van Beek) mit Rat und Tat zur Seite. Auch für den Nachschub an Opfern ist sie oft zuständig. Das jüngste dieser Opfer ist Jackies Exfreund Nick (Cori Gonzalez-Macuer), der allerdings durch eine Unachtsamkeit beim Aussaugen selbst zum Vampir wird und kurz darauf ebenfalls in die WG zieht. Seine wilde, jugendliche, ungestüme Art sorgt schon bald für sehr viel Chaos bei der ansonsten eingeschworenen Gemeinschaft.

Aber das ist eigentlich nur eine Geschichte unter vielen, die die Jungs aus der WG erleben. What We Do in the Shadows ist ein durch und durch episodischer, loser zusammengehaltener Film, der sich wenig um eine stringente Geschichte schert. Stattdessen geht es darum so viele satirische Eindrücke wie möglich aus der Welt der modernen Vampire einzufangen, die weitaus weniger mit den mythologischen Übergeschöpfen gemein haben als viel mehr mit durchschnittlichen Junggesellen in ihren frühen 30ern. Die Jungs versuchen ihren Alltag einigermaßen auf die Reihe zu kriegen und das Nachtleben zu genießen und wissen dabei oft nicht so ganz, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen. Entsprechend unfokussiert ist Waititi auf der narrativen Ebene. Wir sehen Konfrontationen mit Lebenden, Streitereien untereinander, neue Freundschaften, neue Feindschaften und viele Nonsens-Bagatellen. Zusammengehalten wird die lose Struktur durch das Mockumentary-Element des Films, wobei die fiktive Filmcrew ähnlich wie bei Modern Family oder The Office bzw. Stromberg nie Teil der Handlung ist. Ohnehin hält sich der „dokumentarische“ Charakter stark im Hintergrund: Ein paar O-Töne, ein paar in die Kamera gesprochene Kommentare, wenige Interviewsequenzen, und das war es auch schon. What We Do in the Shadows hält sich nicht mit solchen Kinkerlitzchen wie einer tiefen Metaebene oder einem verschachtelten Subtext auf und verlässt sich voll und ganz auf den charmanten, im wahrsten Sinne des Wortes bissigen Humor Waititis.

Folgerichtig gibt es hier auch keine großen Horrorelemente zu bestaunen. Auch wenn uns durchaus die ein oder andere blutüberströmte Szene präsentiert wird, muss man das Genre schon arg dehnen, um What We Do in the Shadows als Horrorkomödie durchgehen zu lassen. Spannend oder gar gruselig wird der Film im Grunde genommen nie. Dafür macht er aber einen ausgezeichneten Job, wenn es darum geht, mit vampiristischen Referenzen um sich zu schmeißen: Von Bram Stokers Dracula über Murnaus Nosferatu, über die Hammer-Filme der 60er und 70er Jahre und The Lost Boys bis hin zu Twilight ist hier alles an Vampir-Referenzen vertreten, was man kennt, schätzt oder albern findet. An dem ein oder anderen Punkt mag Waititi etwas zu referenzverliebt, zu offensiv mit seinen Spoof-Elementen umgehen, in den meisten Fällen bleibt es aber Gott sei Dank bei parodistischen Anleihen. 5 Zimmer Küche Sarg wird nie zum Spoof-Fest der Marke ZAZ, nie zum überdrehten zehn Witze pro Minuten Konzert, nie zum albernen Gag-Dauerfeuer, sondern bleibt ernst genug, um mit seinen Protagonisten mitzufiebern. Diese sind mit all ihren Schrulligkeiten und Macken durch und durch sympathisch. Gerade in ihrer schrägen Art gewinnt man diese merkwürdigen Vampire schnell lieb, für jeden ist der passende Favorit dabei, und ebenso skurrile Nebenfiguren wie der beste Freund der WG Stu (vielleicht sogar die sympathischste Figur des ganzen Films und herrlich trocken gespielt von Stuart Rutherford) sorgen dafür, dass es immer was zu Lächeln gibt.

What We Do in the Shadows ist im besten Sinne des Wortes unspektakulär: Eine manchmal galante, manchmal alberne, manchmal schwarzhumorige Komödie mit Grusel-Anleihen, die zwar nicht für pausenloses Gelächter sorgt, aber ausgesprochen viel Spaß macht. Eine schöne Mockumentary Fingerübung und ein wirklich gekonntes Spiel mit Mythos und Wirklichkeit. Wer Vampirgeschichten und Horrororparodien schätzt, sollte sich dieses kleine Juwel nicht entgehen lassen.

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