Die besten Komödien der 90er Jahre V

Der fünfte und vorletzte Teil unseres 90er Jahre Komödienrückblicks. Dieses Mal mit mindestens einem Titel, über dessen Nominierung man vorzüglich streiten kann… Aber so etwas gehört wohl in jede saubere Best-Of-Aufstellung. Neben dem kontroversen Cable Guy genießen wir Humor von der Insel, Kulinarisches von Ang Lee, derbe Unterhaltung der Farrellys und Woody Allen, dem wir im letzten Teil noch mindestens einmal begegnen werden. Außerdem gibt es kuriose Filmrezensionen vom Mystery Science Theater und noch kuriosere Filmdrehs von Mr. Bowfinger. Rock on, die besten Komödien der 90er Jahre, nach dem Klick.

Ganz oder Gar nicht [Peter Cattaneo]

(Großbritannien 1997)

Britische Industriearbeiter, die aus der finanziellen Not heraus beschließen, sich als Stripper ein kleines Zubrot zu verdienen? Was problemlos die Vorlage für reichlich derbe Zoten und platten Klamauk sein könnte, wird in den Händen von Peter Cattaneo zu einer großartigen, warmherzigen, leicht tragisch angehauchten – sich jedoch nie dem Melodram ausliefernden – Komödie. The Full Monty gelingt das Kunststück ein realistisches Porträt des harten Industriearbeiterlebens in England zu zeichnen und zugleich jederzeit lustig, locker und beschwingt zu bleiben. Jenseits von Sozialromantik oder aggressiver Klassenkampf-Polemik ist „Ganz oder gar nicht“ ein fröhlicher Film, der den Kopf stets aufrecht hält und wie seine Protagonisten nie die Lebenslust verliert.

Bowfingers große Nummer [Frank Oz]

(USA 1999)

Wir bewegen uns wieder im satirischen und parodistischen Bereich: Selbstverliebte Regisseure, paranoide Schauspieler, erfolglose und verzweifelte Produzenten, obskure geldgeile Sekten… Alles was in Hollywoods Absurditätenkabinett eine kleine Rolle spielt – und gerne eine größere spielen würde – wird in der dreisten Komödie Bowfinger verbraten und verarscht. Im Mittelpunkt steht ein Filmdreh, der über die Karriere seines Produzenten entscheiden soll. Und Mangels eines willentlichen Akteurs, wird der Film kurzerhand verwirklicht, ohne dass sein Hauptdarsteller davon weiß, in diesem Film mitzuspielen. Bowfinger arrangiert auf gekonnte Weise die Überlagerung von Schein und Sein in der Traumfabrik, geht mit seinen Protagonisten hart ins Gericht und findet gegen Ende doch immer wieder versöhnliche, komödiantische Töne. Ein kongenialer Blick auf die Freakshow, die sich in und um Beverly Hills abspielt.

Cable Guy – Die Nervensäge [Ben Stiller]

(USA 1996)

Nach dem einheitlich positiv aufgenommenen Kultfilm Bowfinger darf es an dieser Stelle wieder etwas kontroverser werden. Ob The Cable Guy ein bitterböses, zynisches Meisterwerk von einer Farce ist oder einfach nur another anoying Jim Carrey Comedy mit unpassendem dunklen Farbton, darüber waren sich Kritiker und Publikum damals wie heute uneinig. Verdammt, Cable Guy macht es seinem Publikum aber auch wirklich nicht leicht: Zwischen infantilem Slapstick, vollkommenem Over the Top Acting und bitterbösen, schmerzhaften Konsequenzen bewegt sich dieser Anti Buddy Movie stets am Rande des Erträglichen. Aber genau in diesem Balanceakt funktioniert er perfekt als schwarze, pechschwarze Komödie, die abwechselnd Schläge gegen das Zwerchfell, das Großhirn und direkt in die Magengrube abfeuert. Nebenbei findet sie dann noch dreiste satirische Anspielungen auf den Terror der Mediengesellschaft und des nonvirtuellen sozialen Netzwerks. Doch, die düstere Groteske – mit infantilem Einschlag – ist irgendwie weit mehr, als sie auf den ersten Blick zu sein scheint und gerade in ihrer konsequenten Bösartigkeit eine der sehenswertesten Komödien der 90er Jahre.

Eat Drink Man Woman [Ang Lee]

(Taiwan 1994)

Auch als Ang Lee (Brokeback Mountain) noch nicht von Hollywood umgarnt wurde, hat er schon herausragende Filme gedreht. Das taiwanesische Gourmetfest „Eat Drink Man Woman“ ist eine leichte, lebensfrohe und im wahrsten Sinne des Wortes köstliche Komödie, die sich große dramatische Themen und Motive vorknöpft, um diese lockerleicht zu referieren und dekonstruieren. Dabei orientiert sie sich an innerfamiliären Konflikten wie Treue contra Freiheit und Tradition versus Progression, durchleuchtet das Spiel von Schein und Sein innerhalb von traditionsbewussten, zusammenhaltenden Familien, wird dabei aber niemals zynisch oder voyeuristisch. Ganz im Gegenteil. Eat Drink Man Woman liebt seine Protagonisten, hat ein empathisches Gespür für deren Stärken, Schwächen und Bedürfnisse, nutzt dieses Wissen niemals gegen sie, und vereinnahmt so auch die Zuschauer für die dargestellten alltäglichen Skurrilitäten. Ein komödiantischen Fest für Genießer.

Manhattan Murder Mystery [Woody Allen]

(USA 1993)

Gourmet-Comedy gab es auch von Woody Allen in den 90ern reichlich. Nachdem dieser in den 80ern immer skurriler, grotesker und abgefahrener wurde, gibt es in den 90ern eine lange Phase ähnlich gelagerter – etwas stärker das Gros des Publikums ansprechender – Komödien, die geschickt ihre eigenen Genregrenzen aufsprengen, ohne zu weird zu werden. Manhattan Murder Mystery bewegt sich an den Polen von klassischer Neurosen-Komödie, einschneidenden Thriller-Elementen und stilverliebten, ironisch gebrochenen Suspense-Stilmitteln. Woody Allen gelingt hier das Kunststück intellektuell, komplex und dennoch nie prätentiös so zu sein. Mit perfektem Gespür für Spannung, die nie auf Kosten der Komik geht, und Komik, die nie auf Kosten der Spannung geht, führt er seine Protagonisten und vor allem sich selbst durch diesen kuriosen, warmherzigen und urkomischen Hybriden und bleibt dabei stets stilvoll und gediegen.

Mystery Science Theater 3000 [Jim Mallon]

(USA 1996)

Vom cineastischen Hochgenuss hinein in die Untiefen des Trash. Mystery Science Theater 3000 ist die Vorlage für die unzähligen  Filmkritikerpodcasts im Stil von That guy with the glasses. Ein Mensch und zwei Außerirdische werden in einem gigantischen Weltall-Cineplex dazu gezwungen schlechte B-Movies vergangener Zeiten zu sehen. Und wir schauen ihnen dabei zu, hören ihre Kommentare, ihre Albereien und ihre grandiosen Kritiken zum cineastischen Schund. In diesem Fall erwischt es den 50er Jahre Science Fiction Reißer (ähmm) „This silent Earth“. Mystery Science Theatre (übrigens eine filmische Umsetzung der großartigen Serie  von 1989 bis 1999) ist ein derber Spaß, zwischen Infantilität, nervtötendem Filmkommentar und geschickter Kinodekonstruktion. Hier lohnt es sich übrigens, den Film sowohl im Original als auch synchronisiert zu schauen. Beide versionen unterscheiden sich erheblich, nicht nur, da die deutschen Synchronsprecher (u.a. Kalkofe) dem Geschehen ihre eigene Note geben, sondern auch weil unzählige Anspielungen – ähnlich wie bei den Parodien der 90er Jahre à la Hot Shots – für das deutsche Publikum transcodiert wurden.

Verrückt nach Mary [Bobby Farrelly, Peter Farrelly]

(USA 1998)

So ein bisschen die Mutter aller schwarzen Komödien rund um die Jahrtausendwende. Klar, dass es danach nur noch bergab gehen konnte. Denn alles was geschmackloser als Something about Mary ist, ist bereits so infantil, dass es kaum eine erwachsene Person lustig finden kann. In diesem Farrelly-Glanzstück haben aber sowohl Infantilität als auch schlechter Geschmack noch hervorragend funktioniert, selbst in den reichlich vorhanden Pipi-Kacka-Humor-Momenten. Verrückt nach Mary ist ein herrlich überdrehter Antifilm, der irgendwie Spoof ist, irgendwie düstere Satire, irgendwie pervertierte Romcom und trotz aller Witze jenseits von Geschmack und PC das Herz am richtigen Fleck hat. Und für den Trend, den er in Gang gesetzt hat, kann dieser Film nun wirklich nichts.

 

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Erstveröffentlichung: 2011