Die besten Komödien der 90er Jahre VI

Auf ein Letztes… Einmal noch treten die Komödien zum Stelldichein an. Danach können wir uns wieder anderen Genres widmen. Aber zuvor wird es noch einmal lustig: Mit einer deftigen Modesatire von Robert Altman, einer albernen James Bond Parodie mit Mr. Cool himself Bill Murray, gediegener und intelligenter Woody Allen Unterhaltung im Doppelpack, pechschwarzem Humor von der Insel und einer gewagten Comedyhommage unserer Dauergäste, den Coen-Brothers.

Prêt-à-Porter [Robert Altman]

(USA 1994)

Der wäre in unserer Retrospektive fast ein wenig untergegangen und gehört genau genommen eigentlich auch in die Episodenfilm bzw. Composite Film Ecke. Robert Altmans fiebriger, anekdotischer Trip in die Welt der Laufstege und Fotostudios ist trotz – oder Dank – seiner Episodenhaftigkeit aber vor allem eine bissige und launige Satire auf das Leben der Reichen und Schönen, der Exzentriker, der Stars und Sternchen und der Möchtegerns, die sich in diesem Trubel auch immer wieder einfinden. Irgendwo zwischen neugierigem, pseudodokumentarischer Reise, platt komischer Freakshow und subtilen Stichen in die Magengegend, bewegt sich die Modekomödie Prêt-à-Porter geschickt zwischen gediegenem Altman’schen Anspruch à la The Player, geselliger Comedy und dreistem Puppentheater.

Agent Null Null Nix [John Amiel]

(USA 1997)

Bill Murray ist Gott… das kann gar nicht oft genug gesagt werden. Dem kann nicht einmal eine der dämlichsten deutschen Titelübersetzungen aller Zeiten was anhaben. Aus der launigen Hitchcock Titelhommage „The man who knew too little“ wurde hierzulande das schaurig, kalaurige „Agent Null Null Nix“, das zwangsläufig eine billige Slapstickkomödie erwarten lässt. Falsch gedacht: Trotz zahlloser Albereien, übertriebener Missverständnisse, eines generell unlogischem Settings und viel Blödsinns ist diese hinterlistige Agentensatire eine großartige Abrechnung mit James Bond Mythen und cineastischem Wahn. Und außerdem spielt Bill Murray mit… Bill Murray! Und der ist bekanntlich Gott.

Bullets over Broadway [Woody Allen]

(USA 1994)

Vom albernen zum gediegenen, hochanspruchsvollen Comedy-Vergnügen. Und welcher Name muss da zwingend fallen…? Woody Allen, wer sonst. Wir haben ja schon bei der letzten Komödien-Retrospektive festgestellt, dass Woody Allen in den 90ern gleich ein paar Meisterwerke aus seinem Regiehut zauberte. In diesem übernimmt er ausnahmsweise keine Rolle vor der Kamera und fehlt als Darsteller erstaunlicherweise nicht im Geringsten. Bullets over Broadway ist ein elegant inszeniertes Kuriositätenkabinett, dass sich geschickt an den Polen von Thriller und Komödie bewegt. Angesiedelt in den Roaring Twenties spielt die Komödie geschickt mit Klischees von klassischem Mafiabusiness über Broadway und Variété bis hin zu den klassischen Neurosen-Motiven, mit denen Allen immer wieder arbeitet. Ein wahrer Leckerbissen von geistreicher Comedy bis hin zu treffsicherer Gesellschaftsfarce.

Geliebte Aphrodite [Woody Allen]

(USA 1995)

Und wenn wir schon dabei sind Woody angemessen abzufeiern, können wir gleich das nächste Meisterwerk nachreichen. Im Gegensatz zur kuriosen „Bullets over Broadway“-Staffage ist Geliebte Aphrodite ein kleiner, zurückhaltender und vor allem ungemein warmherziger Film, dessen satirische Spitzen nie die humanistische Gesamtatmosphäre zerstören. Das ist vor allem insofern bemerkenswert, da Mighty Aphrodite klassische Tragödienthemen behandelt: Prostitution, Ehekrisen, Ehebruch… Der Film hat keine Scheu diese tragischen Motive zu verwenden und daraus eine lockerleichte, beschwingte Komödie zu zaubern, die trotz Verdichtung der Ereignisse zu einem angenehm warmherzigen Gute-Laune-Film heranreift.

Funny Bones [Peter Chelsom]

(Großbritannien 1995)

Schwärzer und dunkler geht es in der bitisch-amerikanischen Co-Produktion „Funny Bones“ zur Sache. Ähnlich wie Woody Allens Filme bewegt sich auch dieser am schmalen Grat zwischen Komödie und Tragikomödie, wobei die Grenzen zwischen diesen beiden Genres ohnehin fließend sind. Und wenn wir die tödlichen Späße an dieser Stelle anstatt bei den folgenden Tragikomödien auflisten, liegt dies vor allem daran, dass die humorvollen, skurrilen bis grotesken Momente doch überwiegen und den Sieg davon tragen. Trotz melancholischer, nachdenklicher Note ist „Funny Bones“ vor allem ein Fest für Freunde des Grotesken. Der Blick hinter die Kulissen der Kleinkunstszene, der Plot um gestohlene Scherze, komödiantischen Ehrgeiz und abgetrennte Füße ist ein absurdes, abseitiges cineastisches Vergnügen, das seine Protagonisten zwar ernst nimmt, diese aber immer wieder in die unmöglichsten – bis hin zu surrealen – Situationen versetzt und den absonderlichen Humor so über die  Fallstricke der Realität triumphieren lässt… im wahrsten Sinne des Wortes.

Life is Sweet [Mike Leigh]

(Großbritannien 1991)

Wir bleiben auf der Insel und wir bleiben auch beim Schrägen und Absonderlichen. Mike Leighs schräge Komödie „Life is sweet“ von 1991 ist nicht nur ein Fest des Absurden sondern vor allem des Authentischen und Pointierten. Zugleich frei improvisiert und ungemein präzise wird hier die Mentalität der Insel zu Seiten Magaret Thatchers aufs Korn genommen. Heraus kommt eine bitterböse und intelligente Satire auf bürgerliche Mentalitäten, Bigotterie und abstruse Idealismen und zugleich ein Schaulaufen der extremen und doch so normalen, der schrecklich normalen und doch so extremen Lebensentwürfe. Eine wunderbarer scharfsinnige und zugleich scharfzüngige Abrechnung mit einer Ära, die in ihren eigen Dogmen und Schranken gefangen war.

Lang lebe Ned Devine! [Kirk Jones]

(Großbritannien 1998)

Wir bleiben in Großbritannien und bei den schwarzhumorigen Themen… Wobei so gesehen, Ned Devine schon fast eine kleine Mogelpackung ist. Die Geschichte von einem kürzlich verstorbenen Lottomillionär, dessen Weiterleben vorgegaukelt wird, um seinem kleinen Heimatdorf den Genuss des Reichtums zu ermöglichen, arbeitet zwar mit einer schwarzen Prämisse, ist selbst allerdings hochanständig, mitunter bewegend melancholisch und vor allem zutiefst menschlich. Geschickt lotet Kirk Jones die Grenzen zwischen dreistem Humor, wehmütiger Verklärung des einfachen Lebens und gerissener Farce aus, lässt den eleganten und humorvollen Film nie in ein Extrem abgleiten und findet immer die richtigen, warmen Töne, um dem Zuschauer ein feistes Grinsen aufs Gesicht zu zaubern. Waking Ned Devine ist eines jener, erfrischend ehrlichen Märchen, deren Humor nie zum Selbstzweck wird, wodurch er ein bezauberndes und zugleich komisches Filmerlebnis garantiert.

Hudsucker – Der große Sprung [Joel Coen, Ethan Coen]

(USA 1994)

Man kann es gar nicht oft genug betonen: Grotesk und düster lachen können nicht nur die Briten… Das US-Regiegeschwisterpaar die Coen Brüder (True Grit) sind darin sogar Meister. Und ja, wir haben die jetzt schon oft genug hier oder hier oder auch hier genannt, aber verdammt nochmal, die beiden verstehen es auch einfach grandiose, frische Filme hervorzuzaubern. Mit The Hudsucker Proxy destilieren sie die Quintessenz der klassischen Hollywood-Boulevardkomödien, mashen diese mit grotesken und bizarren Momenten, geben einen Schuss Screwball sowie ein gute Portion düsterem Thriller- und Anti-Märchen-Charme hinzu und erzeugen wieder einmal etwas ganz Eigenartiges, Einzigartiges. In dieser Welt ist es dann auch selbstverständlich, dass neben grotesken Suiziden und hinterhältigen Wirtschaftsmachenschaften mit dem Hula-Hoop-Reifen das Spielzeug des Jahrhunderts erfunden wird. Humor und Grausamkeit liegen eben oft dicht beisammen, und es ist der schrägen Aura des Coen’schen Kinos zu verdanken, dass bei Hudsuckers großem Sprung das Lachen zu (fast) jedem Zeitpunkt überwiegt, auch wenn es das ein oder andere Mal im Magen rumort… Ein großes Vergnügen für Cineasten und Freunde des Absonderlichen.

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Erstveröffentlichung: 2011