Die besten Tragikomödien der 80er Jahre IV

So. Ein Lächeln mit einer Träne gibt es noch, bevor wir zu den Dramen-Schwergewichten weiterziehen. Im letzten Teil der tragikomischen 80er Retrospektive blicken wir auf ein Frühwerk Jim Jarmuschs mit Down by Law und auf viele Werke von Regisseuren in ihrer mittleren Schaffensphase: Peter Greenaway hatte sich bereits vor Der Koch der Dieb seine Frau und ihr Liebhaber in der unabhängigen Filmszene einen Namen gemacht, diesem exzentrischen Glanzstück sollten jedoch noch viele weitere folgen, auch Jonathan Demme war bereits vor Gefährliche Freundin ein Regieveteran, sollte jedoch erst in den 90ern mit Das Schweigen der Lämmer größeren Ruhm ernten. Mike Nichols‘ Karriere reicht gar bis in die 60er Jahre zurück, aber auch diese Filmikone war mit Sodbrennen noch lange nicht an ihrem Ende angelangt. Und Barry Levinson changierte schon damals zwischen Kritikerdarling und Kritikerspotttölpel, und schuf mit Rain Man wohl einen Film, der beide Seiten der Medaille recht gut hervorblitzen ließ. Die besten Tragikomödien der 80er Jahre, auf zur letzten Runde.

Down by Law [Jim Jarmusch]

(USA 1986)

Mitte der 80er Jahre war Jim Jarmusch in der US Indieszene schon kein Unbekannter mehr, aber erst seine extrem vergnügliche Mini-Ensemble-Tragikomödie Down by Law sollte ihm den Weg zu einem großen Publikum ebnen. In dieser schwarzweißen Miniatur passt aber auch alles zusammen, nicht nur die klassischen Trademarks Jarmuschs, wie die lakonische und trockene Erzählweise, der raue Ganovencharme und die Lust am Unorthodoxen, sondern darüber hinaus auch die gelungene Kombination von Arthaus und Hollywood-Optimismus. Down by Law ist im Grunde genommen eine Antithese zu Sartres Geschlossener Gesellschaft. Die Anderen mögen hier auf den ersten Blick wie die Hölle scheinen, in Wirklichkeit versprechen sie aber Erlösung: Erlösung von dem eigenen Zorn, Erlösung von der eigenen Sprachlosigkeit und ganz konkret Erlösung von der Gefangenschaft, die die kleine Zelle symbolisiert, in der ein wesentlicher Teil dieses Lausbubenstreichs spielt. John Lurie, Tom Waits und Roberto Benigni ergänzen sich perfekt zwischen trotzigem Stoizismus, aufbrausender Gerechtigkeitssuche und unbändiger (extrem geschwätziger) Lebensfreude, so karg das schwarzweiß-Setting auf den ersten Blick wirkt, so farbenreich, kontrastreich und lebendig offenbart es sich im Laufe des Films, und am Ende darf – wie es sich für eine gute Tragikomödie gehört – die Menschlichkeit siegen. Nicht nur ein Vorbote der späteren Meisterwerke des Regisseurs sondern ebenfalls ein in sich geschlossenes und gleichzeitig raffiniert öffnendes Low Budget Meisterwerk.

Der Koch der Dieb seine Frau und ihr Liebhaber [Peter Greenaway]

(Großbritannien, Frankreich, Niederlande 1989)

Noch ein eher in der Nische bekannter Regisseur mit seinem ersten kleinen Durchbruch. Im Gegensatz zu Jarmusch kam Greenaway aber nie so ganz aus der Nische heraus. Ist aber auch kein Wunder: Wo bei dem anderen Regisseur oft die Menschlichkeit siegt, blickt dieser Filmemacher tief in den Abgrund und lässt seine Geschichten zu absurden Grotesken werden. Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber ist besonders böse darin, dem Publikum Hoffnung auf eine Besserung der Situation zu machen, um diese dann eiskalt niederzureißen. Und schließlich wandelt er sich in den letzten Minuten zur Farce, zum bizarren Schauspiel, inklusive Ekel, Gewalt und einem fallenden Vorhang, der dem Quasi-Kammerspiel die Atmosphäre einer Shakespeare’schen Tragödie gibt. Vor diesem finalen cineastischen Amoklauf darf die Geschichte um eine Affäre der Frau eines Gangsters mit einem Akademiker alles aufführen, was das Genre der Tragikomödie hergibt: Liebe, Hoffnung, Mitmenschlichkeit, bitterböser Humor, Kontrastierung von Leid und Glück; dass das ganze dann zum brutalen Schauerstück mutiert, dafür kann scheinbar niemand etwas, scheint das brutale tragische Ende doch fast zwingend in diesem Diorama angelegt, gleichzeitig siegt aber in diesem Moment das Lachen des Absurden (Im Camus’schen Sinne) über das gesamte tragikomische Theater: Kein leichter Film, kein genretechnisch eindeutiger Film, kein den Zuschauer streichelnder Film, aber genau dadurch mit das Aufregendste und Spannendste, was das tragikomische Kino der 80er Jahre zu bieten hat.

Gefährliche Freundin [Jonathan Demme]

(USA 1986)

Hier haben wir jemanden, der weiß, wie man sein Publikum streichelt. Jonathan Demme (auch seine größten Erfolge sollten noch vor ihm liegen) erzählt in Something Wild (so der viel besser passende Originaltitel) eine wundervolle Liebesgeschichte, hinter der sich zugleich eine herzerwärmende Auseinandersetzung mit Langeweile, Überdruss, dem Versuch aus dieser auszubrechen verbirgt, inklusive einem bitteren Lachen über Konsequenzen, die dieser Ausbruch mit sich bringen kann. Melanie Griffith spielt gekonnt ein prototypisches und zugleich über den männlichen Blick hinaus wachsendes Manic Pixie Dream Girl auf der einen und Femme Fatale auf der anderen Seite, Jeff Daniels wandelt zielsicher durch den gesamten Film als öder Buchhalter, der mehr und mehr seine gesellschaftlichen Fesseln abwirft, und Ray Liotta ist als grotesk überzeichneter Fiesling einfach Gold wert. So ganz darf sich das Publikum in Gefährliche Freundin – wie der Protagonist – dann auch nie sicher sein, wo es da genau rein geraten ist. Scheinen wir es zu Beginn noch mit einer albernen Komödie zu tun zu haben, wird diese peu à peu zur tragikomischen Romanze mit offenen Fäden, nur um im Schlussdrittel diese Fäden zu einer mitreißenden Thrillerhandlung zusammenzuknoten. Dabei verliert er nie seinen Charme, die Liebe zu seinen Hauptfiguren und die Freude daran, Erwartungen zu hintergehen, seine Zuschauer zu überraschen und dieses dennoch gekonnt zu unterhalten.

Rain Man [Barry Levinson]

(USA 1988)

Mehr Publikumsstreicheln als in Rain Man geht eigentlich nicht. Dabei ist der Hybrid aus Road Movie, Buddy Comedy und humanistischem Drama alles andere als tadellos. Die klischeehafte Darstellung von Autismus, die einfachen Problemlösungen, die ziemlich konventionellen Spannungsbögen… aber bei Gott ist dieser Film über ein ungleiches Brüderpaar erfolgreich darin, auf der Gefühlsklaviatur seines Publikums zu spielen: Er findet immer im richtigen Moment den skurrilen Humor, den großen Pathos, aber eben auch das leise, nachdenkliche Gefühl, und bleibt so durchgehend stark genug, um nie zur Hollywood-Massenware zu verkommen. Angetrieben von der phänomenalen Musik Hans Zimmers, hervorragend gespielt von Dustin Hoffman und (ja auch) Tom Cruise und mit großen Gefühlen, einer perfekten Kameraarbeit und einem pointierten Schnitt ausgezeichnet mag Rain Man zwar glatter als die hier gelistete Konkurrenz sein, dafür ist er aber eben auch geschliffener, sauberer und verwöhnender. Ein Konsensfilm im besten Sinne des Wortes und vollkommen zurecht ein Publikumsliebling über die Jahrzehnte hinweg.

Sodbrennen [Mike Nichols]

(USA 1986)

Last but not least… Regieveteran Mike Nichols hat mit Die Reifeprüfung (1966) eine der besten Tragikomödien aller Zeiten gedreht. Aber auch in den Folgejahren durfte er immer wieder beweisen, dass er weiß, an welchen Schrauben gedreht werden muss, um sowohl Lachen als auch Weinen beim Publikum auszulösen. Sodbrennen ist dabei äußerst geschickt darin, dem Zuschauer oder der Zuschauerin einen Liebesfilm vorzutäuschen, um dann ganz hinterrücks zur bissigen Satire auf Beziehungsprobleme, große Erwartungen und enttäuschte Hoffnungen zu werden. Drehbuchautorin Nora Ephron, sonst eher Garant für zuckersüße Liebesmärchen, spielt hier geschickt mit Schein und Sein langjähriger Ehen und gibt ihrer Protagonistin (superb gespielt von Meryl Streep) eine wahnsinnig subtile Stärke mit, die sie über jede vermeintliche Demütigung hinauswachsen lässt. Trotz seiner bitteren Note bewahrt sich Sodbrennen so immer ein gutes Stück Optimismus und selbst seine dunkelsten Momente weiß er mit derben Streichen zu lösen. Vielleicht nicht der beste Film von Nichols, aber mit Sicherheit der Mutigste von Ephron und eine schöne Abwechslung zu all dem süßen Liebeszuckerguss, den es im Liebesfilm der späten 80er und frühen 90er Jahre gab.

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