Why The Walking Dead sucks… a little bit

Also dann… Auf zum Walking Dead Rant! Beim zweiten Artikel dieser Art ist es vielleicht ein bisschen verfrüht von einem Running Gag – oder einer sich etablierenden Tradition – zu sprechen, aber die Parallelen sind schon gegeben: Auch bei Game of Thrones hatte ich nach der dritten Staffel das Bedürfnis meine, teils negativ gefärbten, Gefühle zu der overhypten Serie niederzuschreiben, auch damals kam die Serie dabei alles andere als gut weg. Auch bei Game of Thrones war ich irgendwie genervt davon, dass diese Serie von so ziemlich jedem in allen nur erdenklichen Tönen gelobt wurde, auch bei Game of Thrones schien Nitpicking ein probates Mittel, um die Serie einfach mal auseinander zu nehmen… und auch bei Game of Thrones bin ich trotz zahlloser Kritikpunkte  dran geblieben, habe tapfer durchgehalten und sogar ne Menge Spaß gehabt. Ja, ich stehe nach wie vor dazu: Game of Thrones suckt… zumindest ein bisschen, und, naja, was soll ich sagen: The Walking Dead auch. Nach vier Staffeln, teils lahmer, teils konfuser, teils einfach nur dummer Zombie-Action, muss ich jetzt einfach mal meinen ähnlich schmeckenden Senf zu der derzeit erfolgreichsten US-Serie abgeben. Here we are, different TV-Show, same Shit, same Outcome: Irgendwie habe ich Spaß bei der TV-Umsetzung des (wirklich genialen) Comics The Walking Dead, irgendwie mag ich die Serie, und zugleich gibt es bei dieser Serie unfassbar viel, was mir gehörig auf die Nerven geht.  Achtung, Spoiler, inklusive Staffel 4, ahead: Why The Walking Dead sucks… zumindest ein bisschen.

1. Die Zombies sind weder Fisch noch Fleisch…

Aus dem großen Zombie-Revival des neuen Jahrtausends hat sich ein essentieller Konflikt herauskristallisiert: Klassische, träge, vor sich hinwandelnde Untote wie in den Romero-Meisterwerken der 60er, 70er und 80er Jahre, oder aggressive High-Speed Monster wie in 28 Days Later und Konsorten? Als Zombie-Fan halte ich mal ganz nüchtern fest: Beides hat seine Vor- und Nachteile, beides kann einem Film (oder einer Serie) zu einer Menge Spannung, Beklemmung und Action verhelfen. Die Macher von The Walking Dead sehen das wohl ähnlich, lösen den Konflikt zwischen Tradition und Variation allerdings auf erstaunlich feige Weise: Sie suchen nach der goldenen Mitte. Das führt dazu, dass die Zombies sich in The Walking Dead wenig klassisch, langsam wandelnd zombiesk bewegen, aber auch keine bedrohlich übermenschlich schnelle und starke Monster sind. Stattdessen ist die Physik der wandelnden Toten auf eigentümliche Weise vermenschlicht: Die Untoten stolpern, gehen, fallen; nie so schleppend wie es die Tradition gebieten würde, nie so impulsiv, wie es in der Posttradition gelebt wurde. Stattdessen sind ihre Bewegungsmuster gewöhnlich, ihre Schnelligkeit scheint 1:1 die Schnelligkeit des Menschen zu sein und ihre Art zu greifen und zu beißen ist trotz aller Zombification vor allem die Art eines mitgenommenen, neben sich stehenden Menschen.  Das irritiert erst einmal, weil man Zombies in dieser Form tatsächlich noch nicht auf der Leinwand (oder dem Bildschirm) gesehen hat, eröffnet andererseits aber spannende Möglichkeiten, die Bedrohung durch die apokalyptischen Beißer komplett neu zu denken…

…was The Walking Dead irgendwie vollkommen verpasst. Denn auch was die Art der Zusammenrottung der Zombies betrifft, einigt sich die Serie auf eine – oft ziemlich öde – goldene Mitte. Einzeln sind die Zombies nie so bedrohlich wie in den Post-00er Horrorfilmen, tendenziell sogar eher in den Alltag integriert wie in Romeros Visionen. Allerdings bietet The Walking Dead im Gegensatz zu diesen nur wenige wirklich beklemmende Massenszenen: Ricks erster „Besuch“ Atlantas sticht hier einsam heraus, die Stürmung der Farm und die Stürmung des Gefängnisses geben zumindest ansatzweise ein Gefühl von Beklemmung wieder, das man von traditionellen Zombie-Massen kennt. Abseits davon sind die Toten einfach in viel zu kleinen Gruppierungen vorhanden. Selbst vermeintlich bedrohliche Zusammenrottungen der Beißer sind quantitativ nie stark genug, um tatsächlichen Schrecken verbreiten zu können – selbst wenn die Inszenierung der Kleinsthorden alles versucht, dieses Problem zu verschleiern. Es fehlen einfach viel zu oft die bedrohlichen Massen, die Riesengruppen, die eine Flucht unmöglich scheinen lassen. Irgendwelche Schlupflöcher lassen sich immer finden… selbst wenn es heißen muss: „Ab durch die Mitte.“

Auch durch das Verhalten der wandelnden Toten geht eine Menge potenzieller Nervenkitzel verloren. Kohärenz sieht auf jeden Fall anders aus: Mal ist den Zombies ein direkt neben ihnen auftauchender Lebender vollkommen egal, mal schleppen sie sich mühsam in dessen Richtung, mal können sie gar nicht schnell genug sein, wenn es darum geht, ihrer Beute Herr zu werden. The Walking Dead bastelt sich den „Charakter“ seiner Zombies von Situation zu Situation, von Episode zu Episode, neu zurecht. Mal lassen sich die Kreaturen unfassbar simpel austricksen, mal suchen sie – erstaunlich intelligent – nach den Schwachstellen ihrer Opfer. Mal haben die Wesen geradezu einen siebten Sinn, wenn es um das Aufspüren lebender Nahrung geht, mal lassen sie sich durch minimale Camouflage in die Irre führen. Auch wenn Michonnes Verschleierung mittels Zombies an der Leine einfach nur cool und Badass ist, macht es überhaupt keinen Sinn, dass die Zombies sie ignorieren, nur weil in einigen Metern Abstand vom potentiellen Futter, zwei weitere Zombies gelangweilt umherlaufen.

2. Gewisse ironische Brüche der Comic-Vorlage fehlen

Sorry Folks, das muss sein… bleibt aber der einzige Vergleich zur Vorlage, versprochen. Im fantastischen Walking Dead Comic von Robert Kirkman werden die absurden, genre-prototypischen Momente immer wieder durch feinste Ironie und trockenen Meta-Humor gebrochen. Das betrifft zum Beispiel das chauvinistische Moment der Gruppendynamik (die Männer gehen jagen, die Frauen kümmern sich um die Wäsche) oder aber auch den mehr als klischeehaften Western-Touch des gesamten Szenarios, die Auseinandersetzung mit der anarchischen Post-Apokalypse oder die immer wieder glorifizierte Familienbande. Die Serie übernimmt diese Momente auch, versagt aber viel zu oft darin, sie ähnlich ironisch-makaber aufzubrechen: So inszeniert die TV-Fassung mitunter ungefilterten Pathos, schlimmer als in jeder kitschigen Soap, macht es sich ohne das geringste Anzeichen von Ironie in sexistischer Archetypik gemütlich und erzählt die klassischen Genreversatzstücke so, als wären sie die Revolution des TV-Marktes. Da war der Comic doch um einiges grimmiger, um einiges erbarmungsloser zu sich selbst, einfach mal spitzfindiger, selbstkritischer und dadurch weitaus tiefgründiger als die Serie, die viel zu oft wirkt wie die Exegese eines Textes, der nur zu 70% verstanden wurde.

3. Den Charakteren fehlt jeglicher Fokus

War es bei Game of Thrones noch ziemlich leicht, zu kritisieren, dass die Charaktere durch die Bank – trotz der gelegentlichen forcierten Brüche – ziemlich eindimensional sind, so haben die Macher von The Walking Dead ein probates Mittel gefunden, dem zu entgehen… indem sie offensichtlich jeden einzelnen Charakter mit Borderline ausgestattet haben. Ich habe noch nie derart unfokussierte Protagonisten erlebt, die derart konfus zwischen Gefühlen, Motiven und Zielen schwanken. Einen Protagonisten vielschichtig und dadurch interessant zu gestalten, ist eine Sache, ihm von Folge zu Folge aber eine komplett neue Persönlichkeit anzudichten, eine vollkommen andere. So darf Rick mal der besorgte/überbesorgte Familienvater sein, der für seine Liebsten alles tun würde, um gleich darauf in der nächsten Folge scheinbar Amok zu laufen und auf alle ihm nahe stehenden Menschen zu scheißen. Egal, ist eine Folge später ohnehin wieder vergeben und vergessen, wenn er zum weinerlichen Wrack wird: Heh, als Anführer macht er sich echt gut… oder vielleicht doch als Badass und tickende Zeitbombe? Was solls, lassen wir ihn zum Farmer werden, vielleicht auch zum verantwortungsbewussten Vater (der ausnahmsweise mal das Richtige macht)… oder einfach nur zum düster dreinblickenden Walking Dad…? Wie gesagt, Persönlichkeitsentwicklung ist vollkommen okay, und im Falle Ricks merkt man auch, wie die Autoren bemüht waren, seine konfusen Handlungen in einen nachvollziehbaren Kontext menschlichen Verhaltens einzubetten. Nur versagen sie dabei auf ganzer Linie: Die Pseudo-Entwicklung von Mr. Grimes weist keinerlei Stringenz, keinerlei Logik auf, und oszilliert stattdessen einfach von einem Extrem zum nächsten.

Auch bei den anderen Charakteren sieht es nicht viel besser aus: Carol springt von der geschlagenen, hilflosen Gattin, zum tränenüberströmten „Ich will dich nicht auch noch verlieren!“-Anhängsel zur verdammt toughen – kurzfristig tatsächlich sympathischen – Kämpferin mit Führungsqualitäten, nur um gleich darauf Kindergartenmutti und plötzlich eiskalte Sozialdarwinistin zu sein (auch wenn sie nach der Hinrichtung der psychopathischen Ziehtochter wieder in meiner Gunst gewachsen ist). Hershel ist mal latent rassistischer und sexistischer Patriarch, mal leicht psychotischer Zombie-Versteher, dann plötzlich die gute Seele der Gruppe und irgendwann – vollkommen außerhalb seiner Charakterlogik – ein Arzt, der sich nichts sehnlicher wünscht, als für seine Patienten in den Tod zu gehen. Andrea macht überhaupt keinen Sinn und ich werde wohl nie verstehen, was sich die Macher bei ihrer Konzipierung gedacht haben, ebenso wenig bei Tyreese, der mal weinerlich alles tun würde, nur um irgendwo dazu zu gehören, mal zum selbsternannten Kämpfer gegen das Böse, mal zum stummen Gefolgsmann wird.

Nicht viel besser sieht es bei den bösen Buben aus, allen voran der Governor, dessen Handlungsweisen, keinen, keinen, KEINEN gottverdammten Sinn ergeben. Warum schickt er seine Leute los, um Michonne zu töten, nachdem sie keine Lust mehr auf seine faschistoide Vorstadt hatte? Warum wird er plötzlich zum Psycho, der gar nicht mehr versucht seine psychopathische Seite zu verschleiern? Wie konnte er so lange sein Städtchen organisieren, ohne dass sein Sadismus auffiel oder Widerstand erzeugte? Warum hat er plötzlich Vergewaltigerambitionen? Warum ist er so schnell halb geläutert? Warum dann plötzlich doch nicht? Dieser Charakter macht KEINEN Sinn… von seinem ersten Auftreten bis zu seinem unrühmlichen Ende. Er macht einfach KEINEN Sinn!

4. Der Geschichte fehlt jeglicher Fokus…

Wenn die Charaktere sich teilweise schon komplett gaga verhalten, ist es erst einmal nur konsequent, wenn die Geschichte das selbe tut. Inkonsequenz kann man The Walking Dead in diesem Fall nicht vorwerfen: Vollkommen unfokussiert folgt die Inszenierung mal diesem, mal jenem Charakter, ohne auch nur ansatzweise die diversifizierten Bruchstücke zu einem großen Ganzen verweben zu können. Vielleicht bin ich diesbezüglich noch allzu sehr Breaking Bad verwöhnt, nach wie vor DIE Referenz, wenn es darum geht über mehrere Staffeln hinweg großes, großartiges Storytelling zu betreiben. Aber selbst das ständig neue Plots aufwerfende, nie etwas zu Ende erzählende Game of Thrones wirkt im Vergleich zu Walking Dead wie eine runde Gesamterzählung. Mitunter wirkt die Zombie-Apokalypse so, als würden die Drehbücher nur von Folge zu Folge geschrieben werden, als hätten die Autoren nicht den geringsten Plan, was sie mit den aufgeworfenen Fragen anfangen könnten. Und so schlingert und schliddert die Serie immer dann, wenn es um größere konzeptuelle Entwürfe geht, verliert sich in vollkommen banalen Subplots und wirft einfach – wenn sie nicht mehr weiter weiß – neue Charaktere ins Spiel, von denen wir nichts wissen und die uns deswegen erst einmal herzlich egal sind.

So werden interessante Entwicklungen immer wieder komplett fallen gelassen und die Zuschauer müssen sich zwangsweise um narrative Elemente und dramaturgische Stränge betrogen fühlen. Besonders krass wird dies immer dann deutlich, wenn eine Staffel sich dem Ende zuneigt. Anstatt auf Eskalation und so etwas ähnliches wie einen Showdown zuzusteuern, verschleppen die Staffeln einfach ihre Höhepunkte. The Walking Dead wirkt in diesen Momenten immer unfassbar unpointiert, scheint auf nichts – aber auch gar nichts – Greifbares hinauszulaufen. Die Cliffhanger versanden, die zuvor aufgebaute Atmosphäre verliert sich im dramaturgischen und narrativen Nirgendwo. In Staffel 3 werden wir mal eben um einen spannenden Showdown zwischen dem Governor und den Protagonisten betrogen. In Staffel 2 wird der Plot um die Farm mit einem kleinen Fingerwisch beendet, ohne jemals an echter Relevanz gewonnen zu haben. Der frühe Konflikt zwischen Rick und Shane wird auf unfassbar egale Weise zu Ende erzählt, die vierte Staffel ist 50% ihrer Laufzeit nur damit beschäftigt, den versprengten Gruppenmitgliedern auf ihrem Weg über die Schienen zu folgen. Immer wenn der Fokus verloren geht – und das passiert gerade in Staffel 3 und 4 ziemlich häufig -, wird The Walking Dead erschreckend öde und langweilig. Leute, es ist Zombie-Apokalypse, wie kann man es nur schaffen, dass dieser Grundstein der gesamten Serie komplett in den Hintergrund gerät, schlimmer noch, dass er sowohl den Machern als auch den Protagonisten als auch den Zuschauern vollkommen egal ist?

5. …und sie wird furchtbar redundant…

Dieses Problem der Egalheit wird vor allem dadurch befeuert, dass die Story nicht nur unfokussiert ist, sondern darüber hinaus noch viel zu viele Elemente viel zu oft wiederholt. Klar, irgendein Leitthema kann einer Serie im Grunde nur guttun, irgendwann reicht es aber auch mit „Homo Homini Lupus“. The Walking Dead wird zur fast schon nervtötend penetranten Hobbes-Exegese, wenn sich die Geschichte einer vermeintlich vertrauenswürdigen Begegnung, die sich als großes Unheil entpuppt, tausende- und abertausende Male durchzelebriert wird. Ja, eine Zombie-Apokalypse ist ein Plateau, das sich geradezu anbietet, darzustellen, wie die schlechten Seiten des Menschen aussehen, diese Darstellung sollte dennoch zumindest eine gewisse Varianz aufweisen. Im Walking Dead Universum gibt es nur zwei Formen von externen Bedrohungen: Die Menschen, die auf den ersten Blick bedrohlich sind, und die, die sich nach einiger Zeit als bedrohlich erweisen. Das Ergebnis ist, dass der Zuschauer jedes Mal bereits qua Serienstruktur gespoilert ist, wenn die Protagonisten mit unnatürlich netten Antagonisten in Kontakt gekommen… und dass er ebenso gespoilert ist, wenn irgendwelche Rednecks durchs Bild stolpern. Das Prinzip „Menschliche Gefahr im Anmarsch“ wird in jeder erdenklichen Form rauf- und runtergespult, und Inhalt und Ergebnis sind immer da selbe. Stichwort: Vorhersehbarkeit.

Das beginnt beim testosteronreichen Konflikt zwischen Rick und Shane (der nie auch nur im Ansatz vielschichtig oder gar sympathisch wirkt), führt weiter über die Geschichte des Governor bis hin zu Terminus, dessen schlechter Geruch bereits auf den Schienen, an den euphorischen „Come to us“-Schildern wahrzunehmen ist. Selbes gilt für die „bösen“ Wegelagerer, die viel zu oft auftauchen und immer dem selben Muster folgen. So sehr eine packende postapokalyptische Western-Story von ihren archetypischen Bildern leben kann, so sehr braucht sie in diesen Variationen und Brüche. The Walking Dead liefert diese einfach nicht: Böse Buben tauchen auf, schauen grimmig drein, gute Buben verstecken sich, bereiten sich auf den Konflikt vor, der Konflikt bricht aus, Tote, und die Flucht durch eine Reihe verdutzt dreinblickender Zombies… ein ums andere Mal.

Auch die internen Konflikte folgen dem Rezept „Haben wir probiert, hat funktioniert, machen wir’s nochmal so!“. Rick tickt aus, Carl tickt aus, Darly tickt aus, Carol tickt aus… und am Ende beruhigt sich alles wieder und die Protagonisten haben sich wieder lieb… irgendwie. Die gruppeninternen Konflikte wiederholen sich und scheinen nie einen größeren Impact auf die Struktur oder Dynamik der Gruppe zu haben. In regelmäßigen Abständen darf mal jemand Badass sein, mal mehr mal weniger, letzten Endes ist es aber egal, weil sich sowohl der Charakter des am Rad Drehenden als auch die Dynamik der gesamten Gruppe in der nächsten Folge ohnehin wieder um 90° gedreht haben. The Walking Dead ist ebenso wie seine Figuren unfassbar vergesslich, wenn es um Konflikte geht… und natürlich, wenn ein Konflikt keine Auswirkungen hat, kann man ihn wunderbar in einer der kommenden Episoden wieder verbraten. Da ist Redundanz praktisch vorprogrammiert.

6. … und langweilig…

…weil zeitweise über Episoden hinaus nicht nur nichts von Relevanz passiert, sondern schlicht und ergreifend gar nichts passiert. Gerade in Staffel vier hatte ich viel zu oft das Gefühl, mir eine Episode auch hätte schenken können. Menschen sitzen da, unterhalten sich über Belanglosigkeiten, gehen von A nach B… Nach dem – zugegeben wirklich großartigen -, verspäteten Showdown in der vierten Staffel, dürfen wir einer ganzen zweiten Staffelhälfte beim Nullgeschehen zuschauen. The Walking Dead scheint geradezu Zeit zu schinden, wenn es darum geht die Protagonisten peu à peu wieder zusammenzuführen, scheint sich mit dem Minimum an Narration – „Menschen stolpern durch die Gegend auf der Suche nach einem Ziel (oder Alkohol, oder Schokolade)“ – zufrieden zu geben. Aber bereits davor zelebriert so manche „Gefängnisepisode“ ein regelrechtes Bored-Out-Syndrom. Wird in diesen Episoden – und dann auch retrospektiv in der drauf folgenden Staffel – zumindest noch der Konflikt eines Kämpfers, der plötzlich gezwungen ist, Farmer zu sein, thematisiert und reflektiert (Oh mein Gott, wie gut konnte ich Carls Langeweile nachvollziehen), war Staffel 2 die meiste Zeit über einfach nur unreflektiert öde. Es ist ja durchaus ein hehres Ziel, ein bisschen Shakespeare machen zu wollen. Wenn die Konflikte aber primär auf 08/15-Dramen hinauslaufen, wohnt der Zuschauer leider nichts anderem als einer gewöhnlichen Soap bei… und das ist The Walking Dead die zweite Staffel fast durchgehend, wenn die Protagonisten – ohne zu wissen, was sie tun sollen -, gelangweilt auf Hershels Farm rumhängen und sich gegenseitig annölen.

Ich kann die Frage nur noch einmal wiederholen: Leute, es ist Zombie-Apokalypse! Wie schafft ihr es, aus diesem Umstand eine langweilige Soap werden zu lassen? Wie könnt ihr angesichts des Endes der Menschheit, gelangweilt und däumchendrehend rumsitzen? Wie könnt ihr dem Publikum das Gefühl geben, dass eine Zombie-Apokalypse ein worst case scenario für diesen Planeten wäre; nicht wegen der Toten, der Gewalt und der Angst, sondern wegen der unfassbaren Langeweile, die dem Armageddon folgen würde. Echt jetzt, wie schafft ihr das?

Warum The Walking Dead trotzdem irgendwie rockt…

Schluss mit dem Rum-Gerante. Ich hatte ne Menge Spaß mit Walking Dead und ich freue mich jetzt schon auf die kommende fünfte Staffel. Warum? Weil es einfach mehr als genug großer starker Momente gibt, die die Schwächen der Serie gut kaschieren können. Das geht schon los bei dem generellen Konzept: TWD ist eine furiose Mischung aus Western, Drama, apokalyptischem Kammerspiel, spannender Zombie-Action und verdammt düsterem, misanthropischem Blick auf soziale Strukturen und Kausalitäten. Ja, der Hobbes wird runtergebetet, der Mensch ist immer irgendwie des Menschen Wolf; aber durch noch eins, ist The Walking Dead konsequent bei der Umsetzung dieser Prämisse! Wo schon immer der Mut von Game of Thrones gelobt wird… gegen The Walking Dead ist die Geschichte von Feuer und Eis ein kleiner Feigling. Die Zombie-Serie begnügt sich nämlich nicht damit Protagonisten und Antagonisten wie die Fliegen sterben zu lassen, sie lässt die Protagonisten auch gleich zu richtig widerwärtigen Ärschen werden… und zwar fast alle, durch die Bank. So lassen vermeintliche Sympathieträger um Hilfe suchende Menschen am Straßenrand stehen, ein zwölfjähriger Junge darf einen anderen Menschen mal so eben kaltblütig hinrichten, der vermeintlich verantwortungsbewusste Anführer der Gruppe wird zum erbarmungslosen Killer, zum Schläger, zum kurzfristigen Psychopathen. Ein kleines Mädchen ist komplett durch und wird folgerichtig mit einem Kopfschuss entsorgt… Hölle! Take this Game of Thrones! Das ist TV-Mut; nicht das Sterben-Lassen von Protagonisten und auch nicht das Zeigen von Titten und Schwänzen… sondern das gnadenlose, nihilistische Ausschlachten der dunkelsten Seiten der Menschheit.

Und neben all diesem blutrünstigen, teilweise echt abgefuckten Storytelling gelingt es The Walking Dead immer wieder pathetische, emotionale Glanzlichter zu setzen. Ja, die können verdammt langweilig sein, können aber auch verdammt gut funktionieren. Wenn Daryl pyromanisch mit seiner Kindheit abrechnet und dazu The Mountain Goats im Hintergrund erklingen, gehört dies zu einem der schönsten Episodenenden überhaupt (in einer sonst langweiligen Episode). Wenn sich die Geschichte des Governor, inklusive Verlust der Ersatztochter, eins zu eins wiederholt, dann leidet man hier tatsächlich mit, ganz gleich wie düster dieser Oberbösewicht vorher war… und im Konflikt von Carl mit seinem Vater erreicht The Walking Dead tatsächlich eine emotionale Tiefe, die sich durchaus mit dem Drama aus Breaking Bad messen kann.

Achja… und natürlich Zombies! Zombies! Zombies, Zombies! Auf Serienlänge, nicht in einem 90-Minuten-Korsett, sondern in epischer Quantität, über mehrere Staffeln ausgebreitet. Hier gelingt es TWD nicht nur Spaß zu machen, sondern darüber hinaus ein echtes Gefühl dafür zu geben, was es bedeutet im Angesicht der Apokalypse zu überleben, sich in dieser so etwas wie einen Alltag zusammenzubasteln und sich täglichen Herausforderungen zu stellen, die sich einfach mal ergeben, wenn die Menschheit komplett screwed ist. Und gerade zu einer solchen Story gehören dann vielleicht auch die Redundanzen und langweiligen Momente. The Walking Dead zeigt uns, dass die Apokalypse nicht einfach nur aus spaßiger Zombie-Action besteht, sondern mitunter auch so etwas wie einen geregelten Alltag produzieren kann, dass Konflikte, die nichts mit den wandelnden Toten zu tun haben, weiterbestehen, dass auch in einer Zombie-Apokalypse mal Zeit für nen Heiratsantrag, spießiges Vorortleben oder eine „gewöhnliche“ Grippe-Epidemie ist… und… vor allem, dass Menschen zu allem fähig sind und die Untoten da draußen nicht gezwungenermaßen die größte Bedrohung für die Überlebenden darstellen müssen. Ja, ja, ja… fast alles davon kennt man auch aus den Genreklassikern, in derart epischer Breite war es jedoch noch nie zu sehen. Und allein dafür lohnt es sich schon, auch in den kommenden Staffeln – über eine Menge Schwächen großzügig hinwegsehend – dranzubleiben.

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