Zombiefilm-Kurzrezensionen: The Returned, Ben & Mickey vs. the Dead, Mutants, World War Z, White Zombie

Genau so schwer wie seine Protagonisten ist das Genre des Zombiefilms totzukriegen. Nach dem großen Revival der 2000er Jahre und einer wahren Blütezeit an Remakes/Fortsetzungen/Neuerfindungen ist der Zombiefilm auch im Jahr 2014 quickuntot. Und ich habe das Gefühl, gerade in den ersten beiden Quartalen mehr Filme rund um Zombies gesehen zu haben als im gesamten Jahr davor. Also ist es mal wieder an der Zeit einen klar fokussierten Filmabriss zu schreiben, unter den Tags: Zombies, Untote, Infizierte… Neben neuen Vertretern wie den klassischen Fantasyfilmfest-Flicks The Returned und Ben & Mickey vs. the Dead werfe ich einen kurzen Blick auf den schon etwas älteren französischen Horror Nouvelle Vague Mutants aus dem Jahr 2009 und den letztjährigen Hollywoodbeitrag zum Subgenre World War Z. Und da die Zeit gerade da ist, schadet es auch nichts, sich kurz mit dem Klassiker überhaupt auseinanderzusetzen. White Zombie aus dem Jahr 1932, der gemeinhin als der erste Zombiefilm überhaupt gehandelt wird.

World War Z [Marc Forster]

(USA 2013)

Nachdem das Genre des Zombiefilms im letzten Jahrzehnt beispiellos boomte, ist es spätestens mit World War Z vollständig im Mainstream angekommen. Nicht nur dass der Film verdammt teuer war, nicht nur dass er von einer krassen Marketingoffensive begleitet wurde und Publikumsliebling Brad Pitt mit an Bord hat, zudem dürfte er in die Geschichte eingehen als einer der gewaltfreisten und spektakulärsten Zombiefilme (im Sinne des klassischen US-Spektakelkinos) der Filmgeschichte. World War Z ist der Roland Emmerich unter den apokalyptischen Untoten-Flicks, der Michael Bay, der Steven Spielberg, der James Cameron des Genres… und… das funktioniert erstaunlich gut.

Vorausgesetzt wird beim Zuschauer, dass er – falls vorhanden – sämtliches Wissen der Vorlage über Bord wirft und sich auf einen sehr traditionellen Actionflick der Marke Blockbuster einstellt. Anstatt in düsteren Episoden ein kaleidoskopisches Bild der Postapokalypse zu entwerfen, wie dies die hervorragende Vorlage von Max Brooks tut, wirft die Verfilmung nach einer spannenden, enervierenden und agoraphobischen Eröffnungssequenz ihren ganzen Fokus auf die Ermittlungsarbeiten des Protagonisten (gespielt von Brad Pitt) und bemüht sich dabei die ziemlich losen Episoden aus den verschiedensten Regionen der Welt zu einem roten Faden zu verbinden. Daher müssen dann auch eher fadenscheinige bis unfreiwillig komische Erklärungen für spontane Standortwechsel und komplett neue Szenarien herhalten, kurzum, narrativ fährt World War Z voll ins Wasser. Das macht in dem Fall aber nicht viel aus, da der Film weiß, wie er seine verschiedenen Episoden spannend und mitreißend zu erzählen weiß: Sei es die depressive Stimmung in der Miltärbasis in Südkorea, die beeindruckende Israel-Exkursion (inklusive einer der brachialsten Zombie-Massenszenen der Geschichte des Genres) oder die ausgestorbene Einöde in Wales. Die verschiedenen Set-Ups wirken nie zu generisch, zu forciert, sondern immer atmosphärisch dicht und besitzen genug Schauwerte, um den Zuschauer fesseln zu können.

Trotzdem bleibt die Qualität des Films schwankend: Der furiosen, hektischen Eröffnungssequenz stehen langweilige Interludien gegenüber, die große apokalyptische Panik muss sich immer wieder gegen stolperndes Storytelling verteidigen und die rasante Jagd nach der Rettung wird immer wieder durchschnitten von fragwürdigen Detektivspielereien. Alles in allem macht aber World War Z verdammt viel Spaß. Er dürfte tatsächlich einer der harmlosesten, bravsten, mainstreamtauglichsten Zombiefilme sein, mit seiner Mischung aus klassischem Midnight-Horror und großer Hollywood-Attitüde wird er aber fast nie langweilig und darf sich zudem das Etikett anheften, der erste Zombiefilm für Zombiefilmhasser zu sein. Würde ich jemandem, der das Genre nicht kennt oder nicht mag, einen leichten Einstieg gönnen wollen, wäre World War Z mit Sicherheit meine erste Wahl. Und diese Existenzberechtigung kann dem Film niemand nehmen.

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Ben & Mickey vs. the Dead [Jeremy Gardner]

(USA 2012)

Vom anderen Ende des Spektrums stammt der Indie-Flick Ben & Mickey vs. the Dead, mit kleinem Budget verwirklicht, bemüht und gezwungenermaßen subtil gehalten und in Deutschland nur als direct to DVD erschienen. Erzählt wird wie die beiden Baseball-Kollegen Ben und Mickey durch die zombieverseuchte Postapokalypse reisen, ohne Plan ohne Ziel und vor allem vom bloßen Willen zu überleben geleitet. Viele Zombies gibt es in diesem Independent Drama nicht zu sehen, dass das Genre primär nutzt, um eine fast schon rührend traditionelle Bromance zwischen dem schüchternen Loser und dem selbstverliebten Draufgänger zu erzählen. Und ja, so generisch und abgedroschen das klingt, so fade ist es dann auch leider in seiner Umsetzung. So sehr der Ansatz „Zombiefilm ohne Zombies“ auch lobenswert ist, so frisch es auch wirkt, den Fokus auf die überlebenden Menschen und nicht die Untoten zu setzen, so wenig erfolgsversprechend ist es, wenn dabei auf die simpelsten Buddy-Movie Klischees zurückgegriffen wird. Ben & Mickey versprühen in ihrem Zusammenspiel viel zu wenig Chemie, um je über klassische, stattsam bekannte Americana-Narrationen hinaus zu gelangen. Ein dialoglastiger Zombiefilm? Ja, immer gerne. Dann aber bitte auch mit spannenden, kreativen, vor Ideen sprühenden Dialogen, mit faszinierenden Charakteren und raffinierten psychischen Entwicklungen. Ansonsten bleibt nichts übrig als die zweitklassige Variante einer der langweiligeren The Walking Dead Episoden.

So fade das Zusammenwirken der Protagonisten ist, so sehr schmerzt es auch, dass man diesem B-Movie das fehlende Budget an allen Ecken und Enden ansieht. Wenn es mal zum Kampf gegen Untote kommt, versteckt sich dieser verschämt hinter Büschen und Frontschürzen. Für Gore und Splatter ist genau so wenig Platz wie für überzeugende Masken und stimmungsvolle Massenszenen. Allenfalls die klaustrophobische Szene im von Zombies umlagerten Auto versprüht den Charme eines gehobenen Indie-Dramas, das nicht viel braucht, um seine Zuschauer mitzureißen. Hier blitzt dann auch hin und wieder die Genialität des Konzepts, Zombiehorror als Kampf gegen die Einsamkeit zu erzählen, auf, viel zu schnell wird allerdings wieder auf den tragikomischen Bro-Moment zurückgeschaltet. Leider keine gute Werbung für neue Genreansätze, sehr schade, da Ben & Mickey vs. the Dead von der Grundidee genug Potential gehabt hätte frischen Wind in den Zombiefilm zu bringen.

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The Returned [Manuel Carballo]

(Spanien 2013)

Auch der spanische Independent Genre-Beitrag The Returned versucht sich an neuen narrativen und dramaturgischen Momenten innerhalb des Zombiefilms und ist dabei weitaus fesselnder und konsequenter als Ben & Mickey vs. the Dead. Auch hier finden die Zombies so gut wie gar nicht statt, stattdessen stehen im Mittelpunkt die titelgebenden Zurückgekehrten, Menschen die einst Zombies waren und mit einer bestimmten Medizin, zumindest so lange sie sie einnehmen, wieder voll und ganz menschlich sind. Im Vordergrund steht also weniger das Untoten- als viel mehr das Infektionsmotiv und das wird auch – ähnlich wie in 28 days later – dazu benutzt, interessante gesellschaftspolitische Fragestellungen aufzuwärmen. Im Grunde genommen ist The Returned ein Liebesfilm, der die Romanze zwischen der Medizinerin Kate und dem zurückgekehrten Alex erzählt, die versuchen sich in einer Welt zu behaupten, die ihnen skeptisch bis feindselig gegenübersteht, insbesondere als das so essentielle Gegenmittel zur Zombifikation von einer weltweiten Knappheit bedroht ist.

The Returned gelingt es diese Liebesgeschichte in ein düsteres und realistisches post-postakoplyptisches Szenario einzubetten, in dem sich die Gesellschaft im fragilen Wiederaufbau befindet. Im Zentrum steht – und das macht der Film zu jeder Zeit klar – der Mensch, sowohl mit seinen Licht- als auch seinen Schattenseiten. Gerade in den ersten beiden Dritteln funktioniert dieser Fokus ohne Probleme, die Inszenierung lässt sich viel Zeit für ihre Protagonisten, wirft dem Zuschauer immer kleine Horrorhäppchen vor, verhehlt aber nie, dass The Returned ein Sozialdrama vor der Zombiekulisse ist und dementsprechend auch weder Gewalt noch große Untoten-Panik benötigt, um zu fesseln und mitzureißen. Leider verspielt der Film gegen Ende seine Empathie und Subtilität auf dem Plateau der Sentimentalitäten. Die zuvor sehr zurückhaltend, menschlich erzählte Liebesgeschichte gleitet gegen Ende mehr und mehr ins Sentimentale ab und mit seinem Hang zum überdramatisierten, theatralischen Fatalismus fällt The Returned schließlich gar dem Kitsch anheim, der insbesondere im letzten Drittel zu viel will und The Returned gar in Soap Opera Gefilde fehlleitet. Trotzdem bleibt Carballos Drama ein interessanter und mutiger Genrebeitrag, dem beinharte Zombiefreunde wohl eher weniger abgewinnen werden können, der aber Fans von Filmen wie So finster die Nacht und Carriers zufrieden stellen sollte.

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Mutants [David Morley]

(Frankreich 2009)

Einen ähnlichen Ansatz wie The Returned verfolgt ebenfalls der französische Horrorfilm Mutants von David Morley, der trotz ebenfalls vorhandener Schwächen der bessere der beiden Filme ist. Dabei gehört Mutants ziemlich eindeutig zur Nouvelle Vague des französischen Horrorkinos, die im letzten Jahrzehnt düstere Meisterwerke wie Martyrs und ziemlich problematische Tortureporns wie Inside hervorgebracht hat. Wie es im neuen französischen Horrorfilm oft der Fall ist, ist auch hier die Protagonistin weiblich, die Stimmung ist von Anfang an verzweifelt und depressiv (nur um dann noch schlimmer zu werden) und es gibt permanent eine Analogisierung von körperlichem Zerfall und psychischer Aushöhlung. Erzählt wird von Sonia, die ihren Freund Marco – nachdem dieser von einem Zombie gebissen wurde und sich peu à peu ebenfalls in einen der titelgebenden Mutanten verwandelt – in einem Krankenhaus pflegt, während sie das Gebäude gegen die Mutanten und sozialdarwinistischen Menschen eines postapokalyptischen Frankreichs verteidigt, immer in der Hoffnung von den Soldaten eines nahegelegenen Zufluchtspunkt gerettet zu werden.

Mutants ist brutal, sowohl auf psychischer als auch physischer Ebene. Er geht mit seinen Protagonisten hart ins Gericht, lässt sie irrational, gewalttätig, unmenschlich und eigensüchtig handeln. Ebenso brutal geht er mit ihren Körpern um, an denen sich die Folgen der Infektion und des permanenten Kampfes abbilden, zeigt die Narben, die sich im Krieg ums Überleben in die Körper einschreiben, zeigt die Gewalt, zu der verzweifelte Menschen in der Lage sind. Mutants ist ein pessimistischer, ein nihilistischer Film, der umso schmerzhafter wird, wenn sich Einsamkeit, Verwahrlosung und giftige Stille zwischen den Überlebenskämpfen einnisten. Ja, das mag dann mitunter auch fast schon schmerzhaft langatmig sein, schlimmer noch, die Depression der gesamten Atmosphäre überträgt sich auf den Zuschauer und hinterlässt weniger – wie bei Zombiefilmen sonst üblich – Gefühle von Angst und Panik als Lethargie, Ohnmacht und Niedergeschlagenheit. Französischer Horror der 2000er Schule eben und damit mit Sicherheit der unzugänglichste der hier aufgezählten Filme. Kein unterhaltsamer Schocker, kein mitreißender Terrorfilm, sondern eine Reise in die Abgründe einer aufgelösten Gesellschaft, in die Abgründe der sich auflösenden Menschlichkeit, der sich auflösenden Hoffnung. Schwer zu sagen, was daran sehenswert sein soll… Mutants ist es durch und durch. Ein fesselnder, sehenswerter Genrebeitrag, der an Schmerzgrenzen geht und atmosphärisch zum besten gehört, was das Genre in den letzten Jahren hervorgebracht hat.

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White Zombie [Victor Halperin]

(USA 1932)

And here it is… der allgemein als erster Zombiefilm deklarierte Genreklassiker aus dem Jahr 1932. Da vor Romeros „Night of the Living Dead“ die Untoten noch keine Epidemie darstellten, werden die Untoten in diesem 70Minüter mit der Zauberkraft des bösen Magiers Legendre (Bela Lugosi) erklärt, der sie mit unheilvollen Tinkturen produziert und mit Hilfe seiner telepathischen Fähigkeiten zu fremdgesteuerten Sklaven macht, gar nicht so unähnlich dem Somnambule aus Robert Wienes Klassiker „Das Cabinet des Dr. Caligari“. Sein neustes Opfer ist Madeleine, die auf dem Sitz des Grafen Beaumont ihren Freund Neil heiraten wollte. Da Beaumont ebenfalls in Madeleine verliebt ist und sie für immer besitzen will, lässt er sich von Legendre zu einem unheilvollen Geschäft überreden: Er bekommt Madeleines (untoten) Körper, während der dunkle Magier ihre Seele besitzen darf.

White Zombie oszilliert permanent zwischen (historisch bedingtem) Trash und anspruchsvollem Früh-Horrorfilm. Der Trash ergibt sich aus den teilweise rührend naiven Dialogen, der simplen Straight Forward Narration und den albernen Interludes, die vor allem durch das halb komödiantische Auftreten des Van-Helsing-Verschnitts Dr. Bruner erzeugt werden. Ebenso eigentümlich wirkt die deutliche Theaterherkunft der gesamten Inszenierung, inklusive hölzerner Arrangements der Darsteller, engen Räumen und großem Overacting. Faszinierend hingegen sind die – für ihre Zeit – großartigen Special Effects, die Regisseur Halperin einsetzt, um eine groteske, schauderhafte, bis zum Surrealen reichende Atmosphäre zu evozieren: Wenn mittels Blenden die unheilschwangeren Augen Legendres in das Bild der Handlung transferiert werden, wenn das Erwachen der Untoten aus deren POV mit glasigem, verschwommenen sich langsam auflösendem Filter umgesetzt wird, trumpft die Inszenierung von White Zombie so richtig auf. Mit dunklen Schattenspielen, tranceartigen, schwindelerregenden Schauer-Settings und hypnotischen Bild-im-Bild Arrangements verbeugt sich der Film vor den Klassikern des Stummfilms, nur um kurz darauf mit einer direkten Zuschauerkonfrontation (Lugosi blickt in die Kamera) sein Publikum aufzuschrecken. Ja, auch in diesen Momenten hat der Zahn der Zeit seine Spuren hinterlassen, aber dennoch finden sich auch für den heutigen Zuschauer in diesem gotischen Schauermärchen immer wieder Augenblicke, die – wenn auch nicht zu gruseln –  zumindest zu beeindrucken vermögen und die intendierte psychologische Dichte der Erzählung deutlich machen.

White Zombie mag in vielen Momenten überholt und eben einfach auch alt wirken, hinter dem Zelluloid-Staub verbergen sich jedoch Momente höchster Filmkunst, ein kreativer Umgang mit dem Sujet und der Spaß am Spiel mit dem Publikum. 70 Minuten Filmgeschichte, die alles andere als verschenkt sind. Bitte in Originalfassung schauen und dann, wenns unbedingt sein muss, nochmal die deutsche Synchronisation überfliegen, die – wie bei damaligen Filmen nicht unüblich – den Trash-Faktor um einiges steigert und mit skurrilen Übersetzungsentscheidungen einen ganz eigenen Charme mit sich bringt.

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