Die besten Fantasyfilme und Märchen der 80er Jahre II

Fantasy und Märchen die Zweite: Dieses Mal klammern wir das fantastische Kino aus Europa mit den amerikanischen Vertretern des Genres ein: Zum einen skurril Satirisches mit den Hexen von Eastwick, zum anderen versponnen Unterhaltsames bei Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft. Die großartige Astrid Lindgren steuert dagegen poetische, stille Meisterwerke mit Ronja Räubertochter und Mio, mein Mio bei. Michael Ende ist auch mit von der Partie, mit der großartigen, ebenso poetischen Allegorie Momo. Und dann darf es auch mal richtig schräg werden: Jan Švankmajers Alice ist wohl eine der dunkelsten, abstrusesten Märchen-Interpretationen der Filmgeschichte überhaupt, während Terry Jones‘ Erik der Wikinger tief im Sagenschatz der nordischen Mythologie wühlt und daraus einen herrlich grotesken Mix aus Monty Python und Wickie und die starken Männer zaubert.

Die Hexen von Eastwick [George Miller]

(USA, 1987)

Gewöhnliches Fantasykino sollte man bei den Hexen von Eastwick nicht erwarten, dann schon eher einen kleinen, gehässigen Bastard aus Comedy, Mystery und wunderbar ätzender Geschlechterkampf-Satire. Die drei unfreiwilligen Hexen im Kampf gegen den Leibhaftigen höchstpersönlich spielen auf grandiose Weise mit Stereotypien und Klischees des amerikanischen Kinos, seien es die Motive der traditionellen Screwball-Comedy, die hier einmal durch den feministischen Fleischwolf gedreht werden, seien es die Ingredienzen des Mysterykinos der 80er Jahre Prägung, die hier auf perfide Weise durch die Dekonstruktionsmühle laufen, oder seien es die zahllosen Referenzen auf Fantasy, Horror und Gruselfilme des jüngeren – mittlerweile älteren – fantastischen Kinos. Daneben wird noch eine wunderbare, märchenhafte, postmoderne Parabel über Freundschaft, Sehnsucht und Außenseitertum erzählt, die den richtigen Schmiss und die Courage hat, immer wieder zu bissigem Sarkasmus und diabolischer Bösartigkeit zurückzufinden.

Momo [Johannes Schaaf]

(Deutschland, Italien, 1986)

Auch wenn sie bis in die 80er Jahre hinein produziert – und weit darüber hinaus rezipiert – wurden, verloren die klassischen Filmmärchen in dieser Zeit peux à peux an Boden, bis sie schließlich in den 90er Jahren beinahe vollständig vom neumodischen Fantasy-Kino verdrängt wurden. Momo gelingt es auf grandiose Weise beides zu vereinen: Die Spannung des modernen Fantasyfilms plus die Tiefe und Reife der traditionellen Märchenverfilmung. Die Geschichte der kleinen, geheimnisvollen Momo, die wie ein Engel das Leben der Menschen bereichert und schließlich gegen die grauen Herren um die Macht der Zeit kämpft, ist eine intelligente, emotional bewegende Allegorie auf Zeit- und Zeitverlust, auf die wesentlichen Dinge des Lebens und darauf, dass es wert ist, für diese zu kämpfen und nach diesen zu suchen. Auch heute noch gehört die Verfilmung von Michael Endes wunderbarem Märchen zu den absoluten Meilensteinen des Fantasyfilms und damit praktisch zum Pflichtprogramm für jede Familie.

Alice [Jan Švankmajer]

(Tschecheslowakei, 1988)

Es gibt Märchen, die ihre Erzählung zur Allegorisierung gesellschaftlicher und philosophischer Fragestellungen nutzen, es gibt Märchen, die einfach nur naiv eine fantastische Geschichte erzählen… und es gibt Märchen die anscheinend völlig aus Raum, Zeit und Konvention fallen. Jan Švankmajers Interpretation des Alice im Wunderland Stoffes fällt definitiv in die dritte Kategorie. Halb Psychoanalyse, halb surrealistischer Trip und irgendwie irgendwas fernab jeglicher Einordnungsmöglichkeit ist die Mischung aus Real- Stop-Motion und Ambient-Film ein waghalsiger Trip in Licht und Dunkelheit; einerseits anziehend, andererseits abstoßend, mysteriös verführerisch und zugleich beängstigend, düster und verquer. Alles andere als gewöhnlicher, liebreizender Fantasystoff und gerade dadurch so groß, hypnotisch und in Erinnerung bleibend.

Erik der Wikinger [Terry Jones]

(Großbritannien, 1989)

Terry Jones Solo ist nicht gleich Monty Python. Den kruden, absurden Humor der Ritter der Kokosnuss, die blasphemische, urkomische Gehässigkeit des Lebens des Brians hat Erik der Vikinger nicht zu bieten… und doch blitzen immer wieder die Trademarks der britischen Komikertruppe auch bei diesem fantastischen Wikinger-Reigen auf. Neben Nonsens, Situationskomik und absurden Dialogen (bitte, bitte, bitte auf englisch schauen) hat Jones‘ Sagen-Dekonstruktion zusätzlich einiges zu bieten, was man von Monty Python so nicht kennt: Dunkle, mystisch mysteriöse Erzählebenen, turbulente Actionszenen, eine erstaunlich differenzierte Charakterzeichnung, und ja, natürlich auch pechschwarzen Humor, massig Absurditäten und eine groteske kafkaeske Atmosphäre.

Ronja Räubertochter [Tage Danielsson]

(Schweden, Norwegen, 1984)

Meiner Bewunderung für Astrid Lindgrens Märchen habe ich hier ja schon vor kurzem einmal Ausdruck verliehen. Was bleibt also noch viel zu sagen, außer, dass man auch mit ihren Verfilmungen nicht viel verkehrt machen kann. Pipi und Michel und so weiter sind einfach wunderbare Kinderfilm-Klassiker, die auch über Generationen und Dekaden hinweg zu rühren, zu unterhalten und zu begeistern vermögen. Und unter all diesen gehört das Märchen der Räubertochter mit zu den besten. Kein Wunder, hat die großartige Autorin doch selbst das Drehbuch beigesteuert und damit gesichert, dass der ebenso raue wie optimistische Fantasyfilm den Geist der Vorlage perfekt einfängt: Manchmal düster, manchmal geheimnisvoll, immer unglaublich empathisch, mit einem reifen Ernst und dennoch viel Unterhaltungspotential. Im Grunde der perfekte Familienfilm, der klein wie groß ernst nimmt und auch heute noch uneingeschränkt empfohlen werden kann.

Mio, mein Mio [Wladimir Grammatikow]

(Schweden, Norwegen, 1987)

Also schieben wir doch auch gleich das nächste Lindgren-Meisterwerk hinterher. Mio, mein Mio mag nicht ganz so gelungen sein wie die Verfilmung Ronja Räubertochters, mag manchmal zu sehr im Eskapismus und naiven Fantasykitsch baden, aber darüber hinaus bietet er ebenfalls eine herrausragende, erwachsene Atmosphäre, viele tiefsinnige allegorische Momente und eine Bildsprache, die ihn weit über viele Fantasyfilme der damaligen Zeit hinaushebt. Ach, was habe ich diese Verfilmung als Kind geliebt, ihren nordischen Charme, ihre vorsichtige Anlehnung an das US-Fantasykino und ihren Mut eben auch moderne Hollywood-Dramaturgien zu umarmen. Bei den Kritikern der damaligen Zeit durchgefallen, ist Mio, mein Mio dennoch ein überragendes, herrlich ästhetizistisches Fantasyspektakel, das der Vorlage zwar nicht das Wasser reichen kann, deren Geist aber weitaus besser einfängt, als in so vielen Kritiken behauptet, und das darüber hinaus die richtigen Mittel findet den Stoff neu zu fassen und in ein modernisiertes Märchenszenario zu transferieren.

Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft [Joe Johnston]

(USA, 1989)

Und damit schlagen wir den Bogen zum modernen Fantasykino amerikanischer Prägung. Honey, I shrunk the kids ist Pop, ist Popcorn, ist Hollywood und macht gerade durch seine unverschämte Unterhaltungs-Attitüde ungemein viel Spaß. Die Reise der geschrumpften Kids durch den Mikrokosmos ihres Gartens steckt voller wunderbar skurriler Momente, hat das Herz am rechten Fleck und versteht sich formidabel darin, waghalsige Action und spektakuläre Fantasy zu generieren. Das ist groß, pathetisch, lustig, das macht einfach nur Spaß, fernab aller Zwänge der tiefgründigen, allegorischen Märchenlandschaft. Oh ja, Fantasyfilme und Märchen dürfen auch einfach mal fernab jeglicher Pädagogik unterhalten und begeistern, ohne großen Schaden zu verursachen, ohne große Lehren zu erteilen. Immerhin sollen die Kleinen – und Großen – ja auch auf Indiana Jones, Star Wars und Jurassic Park vorbereitet werden.

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Erstveröffentlichung: 2012