Die besten Zeichentrickfilme der 80er Jahre III

Da sind wir wieder… Und wieder mit Don Bluth… und wieder mit Walt Disney… und wieder mit Studio Ghibli… Was soll ich sagen, die waren allesamt in den 80ern einfach mal eine Institution. Mit Taran und der Zauberkessel werfen wir heute einen Blick auf eine der vergessenen epischen Disney Zeichentrickperlen. Mrs. Brisby und das Geheimnis von Nimh dagegen dürfte wohl den meisten Don Bluth Fans noch in sehr guter – verdienter – Erinnerung sein. Nausicaä gehört mittlerweile wohl ebenfalls eher zu den unbekannten Werken der Ghibli Studios… und das hat dieses Meisterwerk beim besten Willen nicht verdient. Ebenso wenig wie der düsterste Asterix-Film Operation Hinkelstein die Verachtung verdient hat, die ihm viel zu oft entgegengebracht wird. Der bekommt in diesem Teil unserer Retrospektive weitere europäische Unterstützung durch die – sehr offene – Bibelverfilmung In der Arche ist der Wurm drin.

Taran und der Zauberkessel (Ted Berman, Richard Rich)

(USA, 1985)

Das Spätwerk der Disney-Zeichentrickstudios (vor der Dominanz des Computeranimationsfilms) teilt sich ein in zwei Phasen: Die Ära vor Arielle und die Ära nach Arielle. Befragt man Liebhaber, bekommt man oft zu hören, dass die Meerjungfrau damals Ende der 80er alles umkrempelte und eine Lücke schloss, die zwischen den großen Klassikern wie Schneewittchen und neuen Meisterwerken wie König der Löwen bestanden hatte. Und irgendwie scheint niemand zu registrieren, dass eigentlich The Black Cauldron – wie Tarans Abenteuer im Original heißen – diese Ehre gebühren müsste.

Leider war dieses große Fantasyepos, der bis dato teuerste Disney-Zeichentrickfilm, seiner Zeit weit voraus und ein veritabler Flop im US Box Office. Verdient hätte er anderes: Die Abenteuergeschichte Tarans ist ein bombastischer, monumentaler Fantasyfilm, der auch nicht mit intensiven, spannenden und düsteren Momenten geizt. Dank seiner großartigen Zeichenkunst, dem erstmaligen – behutsamen – Einsatz von Bildern aus dem Computer und dem Gespür für kleine Details in einer großen Geschichte ist er bereits eine Antizipation der Family Blockbuster der späten 80er und frühen 90er Disney.

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In der Arche ist der Wurm drin (Wolfgang Urchs)

(Deutschland 1988)

Ohje… der hier kriegt erst einmal einen fetten Nostalgiebonus. Die eigenwillige Bibelinterpretation „In der Arche ist der Wurm drin“ ist alles andere als ein perfekter Zeichentrickfilm: Die Zeichnungen sind schlicht, mitunter fast schon fahrlässig simpel, die Geschichte um Noahs Arche und eine überdimensionierte Rolle der Holzwürmer bei ihrer Rettung ist himmelschreiend naiv, und das Pacing ist gelinde gesagt unausgewogen… aber bei all diesen Schwachstellen besitzt der Film etwas, was vielen Big Budget Produktionen seiner Zeit abgeht: Charme, Herz, nennen wir es „Liebe zum Einfachen“.

Diesbezüglich ist dieses Produkt made in Germany fast schon einzigartig konsequent: Er kennt sein Setup, er kennt seine Geschichte und er kennt die Möglichkeiten, die sein Zeichenstil bieten; und er zieht diese mit der größtmöglichen Gelassenheit und gleichzeitig größtnötigen Hingabe durch. Heraus kommt ein wundervolles kleines Märchen, in das sich insbesondere jüngere Kinder sehr schnell verlieben dürften und das auch für Erwachsene so manchen spannenden, emotionalen Moment bereit hält. Und auch als Bibelpurist oder Bibelverächter darf man hier durchaus mit viel Freude zuschauen.

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Asterix: Operation Hinkelstein (Philippe Grimond)

(Frankreich, Deutschland 1989)

Wahrscheinlich der meist übersehene, der meist vergessene Asterix-Film überhaupt. Lasst euch davon nicht täuschen. Operation Hinkelstein nimmt einen soliden zweiten Platz bei den besten Asterixfilmen unmittelbar hinter dem Ausflug der Gallier nach Großbritannien ein. Woran liegts? Nun die Mashup-Verfilmung der beiden Comics „Der Seher“ und „Kampf der Häuptlinge“ ist ungewöhnlich mutig für eine Asterix-Verfilmung. Im Gegensatz zu so ziemlich allen anderen Abenteuern von René Goscinny und Albert Uderzo wird hier das Bedrohungsszenario des gallischen Dorfes durch die Römer und andere Gefahren nicht entschärft sondern sogar auf die Spitze getrieben. Des Zaubertranks beraubt und von einem Scharlatan verführt scheint eine Niederlage des letzten gallischen Bollwerks in diesem Fall nicht bloß ein römischer Wunschtraum sondern eine sehr wahrscheinliche Option zu sein.

Dadurch wird Operation Hinkelstein zum intensivsten, spannendsten und auch dramatischsten Abenteuer der Reihe. Der Film geizt nicht mit düsteren und auch tragischen Momenten und gipfelt dabei in ein Crescendo, das gerade für Freunde des lockeren, leichten Tons der Comicabenteuer fast schon depressiv anmutet. Gerade in diesem Mut zur Untergangsstimmung ist Operation Hinkelstein aber auch das poetischste, surrealste und schlicht und ergreifend schönste Abenteuer aus Gallien: Ein Asterix-Film an dem nicht nur alle Freude haben können, sondern endlich auch mal ein Asterix-Film bei dem alle  mitfiebern dürfen. Ein leider etwas in Vergessenheit geratenes Meisterwerk des europäischen Trickfilms.

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Mrs. Brisby und das Geheimnis von Nimh (Don Bluth)

(USA 1982)

Ich habs schon gesagt: An Don Bluth kommt man als Zeichentrickliebhaber in den 80er Jahren einfach nicht vorbei. Sein Konzept, Disney-Ingredienzen mit düsteren Handlungssträngen zu dekonstruieren, treibt der Meister des erwachsenen Familienkinos hier auf die Spitze. Die Verfilmung von Robert C. O’Briens Roman Frau Frisby und die Ratten von Nimh (1971) ist ein gewaltiges Epos, dass zwischen Fantasy, Abenteuer, Tierparabel, ökologischem Drama und großer Mythologie oszilliert. Gerade der Konflikt Science vs. Nature, der dabei in epischer Breite ausdiskutiert wird, hebt Mrs. Brisbys Suche nach einer Rettung für ihre Familie deutlich vom Wohlfühlkino der Marke Disney ab. Denn selbst wenn auch hier die große Dichotomie von Gut und Böse in die Geschichte eingeflochten wird, bleibt das Abenteuer dennoch ungewöhnlich ambivalent und gibt nie zu viel von seiner eigentlichen Haltung preis.

Mrs. Brisby darf in der Folge beides sein: Aufgeklärt und mythologieverliebt, wissenschaftlich skeptisch und zugleich metaphysisch, spirituell und fantastisch. Eine seltsame, anspruchsvoll inkonsequente Mischung, die für viele Kinder etwas zu harter Tobak sein dürfte, dafür aber gerade Erwachsenen öfter ein zustimmendes Nicken oder  -noch besser – verblüfftes Stirnrunzeln ermöglicht. Das klingt jetzt allerdings schwerer, als es letzten Endes ist. Trotz seines symbolischen Ballasts ist Mrs. Brisby in erster Linie ein faszinierendes Fantasyabenteuer, mit einer verdammt toughen Protagonistin, viel Herz und Spannung und einer komplexen Dramaturgie, die immer im richtigen Moment zwischen Dramatik und Humor hin und her springen kann. Eines der ganz großen Meisterwerke des jüngeren Trickfilms und einer der besten Fantasyfilme der 80er Jahre überhaupt.

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Diesen Film haben wir auch in unserem Podcast besprochen.

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Nausicaä aus dem Tal der Winde (Hayao Miyazaki)

(Japan 1984)

Sorry Leute: Nicht Chihiro, nicht Mononoke und auch nicht Ponyo. Das hier ist es! Das definitive Meisterwerk von Hayao Miyazaki. Kurz bevor das Studio Ghibli zu einer Institution für fantastische Animes werden sollte, legte der Meister des japanischen Trickfilms mit diesem Meisterwerk den Grundstein für seine späteren Großtaten und setzte damit auch gleich die Referenz, die bis heute unerreicht ist. Nausicaä ist ein erwachsener Film, ein düsterer Film, ein epischer Film und ein hoffnungsvoller Film. Er ist die Quintessenz einer monumentalen, ausufernden Geschichte, die dennoch immer ihren Fokus beibehält, gleich durch wie viele Höhen und Tiefen sie auch manövriert wird.

Ausgehend von einer apokalyptischen Disposition springt der Film von traditioneller, japanischer Fantastik zu futuristischen Entwürfen zu ökologischer, humanistischer Parabolik der Marke Mononoke zu intensiver Action zu poetischem Ästhetizismus und verbindet all diese Momente zu einem großen Ganzen, das sich nicht vor den westlichen Zeichentrickfilmen der Ära verstecken muss. Wie im nachfolgenden Schloss im Himmel gibt es auch hier rasante, wilde Achterbahnmomente, aufgebrochen von befriedeten, nahezu meditativen Momenten purer Schönheit, im Gegensatz zu nachfolgenden Ghibli-Abenteuern wirkt dieser zeichnerische Schaulauf aber noch ein Stückchen ausgewogener, ein Stückchen stimmiger, bis hin zur absoluten narrativen, dramatischen Perfektion. Ja, die Superlative sind berechtigt und müsste ich jetzt einen Punkt unter dieser Reihe machen, würde ich das ohne schlechtes Gewissen tun: Denn hier ist er, der beste Zeichentrickfilm des Jahrzehnts, vielleicht sogar der beste Trickfilm des Jahrhunderts.

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Erstveröffentlichung: 2015