Die besten Zeichentrickfilme der 90er Jahre I

Die 90er Jahre waren das letzte große Jahrzehnt für den Zeichentrickfilm vor der – man kann es nicht anders sagen – folgenreichen Wachablösung durch Computeranimationen. Auch wenn es in den 00ern, vor allem Dank des Studio Ghibli – noch herrausragende Trickfilme der alten Schule geben sollte, so erreichten diese doch nie wieder das Publikum wie die Jahre zuvor. Aber das ist kein Grund zur Trauer: Denn die 90er haben ein großes Erbe hinterlassen, stellen sie doch einen Höhepunkt des gezeichneten Films dar. In keinem anderen Jahrzehnt wurde eine solche Dichte an herausragenden Trickfilmproduktionen erreicht, sowohl für Kinder als auch für Erwachsene, sowohl was massentaugliche Familienunterhaltung als auch was düstere Trickfilmvisionen jenseits des klassischen Schemas betrifft. Und hier kommt die erste Ladung…

Tiny Toons Abenteuer – Total verrückte Ferien [Rich Arons]

(USA 1992)

Yeehaw! Nur eine Direct-to-Video Veröffentlichung? Von wegen! Die verrückten Ferien des Looney Tune Nachwuchses gehören mit zum Besten, was die 90er an Zeichentrickunterhaltung zu bieten haben. Junge Toons auf Acid und Speed… oder so. Jedenfalls weitaus mehr als banale Zeichentrickunterhaltung. Der abendfüllende Einstand der Tiny Toons ist ein bunter, mit Referenzen und Selbstreferenzen (von Freitag der 13. über Indiana Jones bis zum Postsrukturalismus)  vollgepackter, irrsinniger Cartoontrip: Episodisch, hektisch; gezeichnetes ADHS, mitunter fast schon surreal absurd und dabei ein wirklich einmaliges, großartiges Vergnügen. Seriously, one of the Best!

Der König der Löwen [Roger Allers, R0b Minkoff]

(USA 1994)

Die Walt Disney Company auf dem Höhepunkt ihres Schaffens… nicht weniger ist das große, abendfüllende Zeichentrickmammutwerk „The Lion King“. In der Geschichte vom Löwennachwuchs Simba steckt einfach alles, was einen großartigen Disney Trickfilm der alten und neuen Schule auszeichnet: Unglaubliche Zeichenkunst, eine perfekt erzählte Geschichte, großartige Musicaleinlagen, die nie nerven, fantastische Charaktere vom Helden über den Villain bis hin zu den lustigen und mysteriösen Sidekicks. Im Angesicht des Königs der Löwen wirken alle vorherigen Disneyproduktionen wie Vorbereitungen für diese eine Großtat. Ein mitreißender, lustiger, emotional berührender Film und nach wie vor DIE Referenz der Disney Zeichentrickkunst.

Felidae [Michael Schaack]

(Deutschland 1994)

Der Katzenthriller Felidae ist das genaue Gegenteil von Disenys Zeichentrickfilmen für die ganze Familie. Sowohl ästhetisch als auch dramaturgisch der düsteren Vorlage verpflichtet pendelt die tierische Noir Hommage zwischen grimmigem Thrillerplot, brutalem Horror und makaberem Humor. Ein Zeichentrickfilm für Erwachsene,  der nie Gefahr läuft, in albernen Slapstick abzudriften, sondern immer naturalistisch und dunkel genug bleibt, um keine Verwechslung mit klassischer Trickfilmunterhaltung aufkommen zu lassen. Mitunter bitterböse, mysteriös, komplex in seiner Figurenzeichnung und drastisch in der Darstellung seiner dunklen Seiten. Ein fatalistischer, bissiger und ernster Thriller, getaucht in symbolische und schwere Bilderwelten.

Pom Poko [Isao Takahata]

(Japan 1994)

Das Studio Ghibli wird uns hier noch einmal begegnen, soviel sei schon mal verraten. Wie kein anderes Trickfilmstudio steht die japanische Traumschmiede für konstant herrausragende Trickfilmunterhaltung. Das Fantasydrama Pom Poko handelt vom Kampf von magischen Tierwesen gegen die Übermacht der menschlichen Bauindustrie. Es steckt aber weitaus mehr in Pom Poko als eine simple Ökobotschaft. Zwischen düsterer Politikfabel, fantastischem Abenteuer, nostalgischer Naturbewunderung bleibt der Film stets differenziert und vielfältig, was ihn freilich nicht davon abhält mit bezaubernden Anime-Bildern zu beeindrucken.

South Park – Der Film [Trey Parker, Matt Stone]

(USA 1999)

Hatten wir schon bei der 00er Trickfilmretrospektive, weil er irgendwie genau zwischen die Jahrzehnte gerutscht ist. Die 99er  Filmumsetzung der bissigen, satirischen Trickserie South Park ist genau das, was der Titel verspricht: Bigger, longer, uncut. Das Aufbauschen der Serienmotive zu einem großen, apokalyptischen Musical, das vor nichts und niemandem Halt macht. Disney wird ebenso parodiert wie unzählige amerikanische Filme; es hagelt Seitenhiebe gegen Promis, Politik und Gesellschaft; und mit seiner finalen Schlusspointe wird der Film nicht nur herrlich selbstreferenziell sondern zu einem ernstzunehmenden Statement gegen Kritik und Zensur. Dazwischen dürfen wir Saddam Hussein und den Teufel als verliebtes Paar bestaunen, uns über zahlreiche Fäkalgags freuen und zuschauen, wie es zum Krieg zwischen den USA und Kanada kommt, natürlich nur wegen eines vulgären Cartoons… Viel besser gehts nicht!

Perfect Blue [Satoshi Kon]

(Japan 1997)

Wir bleiben beim Zeichentrick für ein älteres Publikum. Der Hybrid aus Psychodrama und Mysterythriller „Perfect Blue“ ist ein abgründiger Trip in die dunklen Seiten des Showbusiness. Diese muss die junge Sängerin Mima am eigenen Leib erfahren, als sie von ihrer Karriere als Popgirl Abstand nimmt und ins Filmgeschäft wechselt: Die folgende Handlung entwickelt sich sukzessive zu einem düsteren Labyrinth, in dem Traum, Alptraum und Realität immer weiter miteinander verschwimmen. Die Geschichte schlägt so manche Kapriolen, verschachtelt und verdichtet  sich selbst peux a peux, wartet immer wieder mit verwirrenden Plottwists auf und mündet schließlich in ein düsteres Psychothrillerfinale. Ein faszinierender, unheimlicher und verstörender Trip.

Batman – Mask of the Phantasm [Eric Radomski, Bruce W. Timm]

(USA 1993)

Düster ist auch die 93er Batman-Zeichentrickinterpretation „Mask of the Phantasm“. Ähnlich wie in Nolans Franchise-Einstand „Batman begins“ ist Batman hier mit seiner eigenen Moral, in Form eines anderen – mörderischen – Verbrecherjägers konfrontiert. Die Auseinandersetzung mit dem amoralischen Schatten und dem Joker gehört nach wie vor zu den besten Batman-Verfilmungen überhaupt. Ästhetisch und dramaturgisch wie wohl kein anderer Batmanfilm verbeugt sie sich vor der klassischen Comicvorlage, spielt mit den Mitteln des klassischen Noir Kinos und erschafft somit eine gediegene und stimmige Gesamtatmosphäre. Inhaltlich und thematisch sogar weitaus erwachsener als die Burton’schen Batmaninterpretationen (von Schumachers Batman wollen wir erst gar nicht reden) ist „Mask of the Phantasm“ eine würdige Filmumsetzung des faszinierenden schwarzen Ritters.

Duck Tales: Der Film – Jäger der verlorenen Lampe [Bob Hathcock]

(USA 1990)


Jau… 1990 erhielt die beliebte Disney-Zeichentrickserie Duck Tales ihren eigenen Spielfilm, der sogar im Kino lief. Und was soll man sagen, entgegen aller Erwartungen funktioniert die Umsetzung des Entencomics  als auch leinwandfüllender Abenteuerfilm bravourös. Natürlich sammelt sich der rasante Actionfilm seine Motive aus zahlreichen Vorlagen zusammen, verbeugt sich aber gleichzeitig so demütig vor seinen Idolen, dass man ihm kaum böse sein kann. Auch fernab der zahllosen Indiana Jones Reminiszenzen funktioniert Duck Tales als herrlich überspitzte Abenteuerkomödie, als fantastischer Zeichentricktrip mit sympathischen Charakteren und unzähligen irrwitzigen Situationen. Kann gerne abgedroschen klingen, Duck Tales ist aber tatsächlich die perfekte Familienunterhaltung für groß und klein und einer der unterschätztesten Full Length Disney Zeichentrickfilme.

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Erstveröffentlichung: 2011