Anmerkungen zum Actionkino der 80er Jahre I: Die Genese des Actionhelden

Bevor es in die Halbzeit unserer 80er Jahre Filmretrospektive geht, steht das Actionkino vor der Tür und damit natürlich eine Menge Stoff, um sich Gedanken über die Widerspiegelung gesellschaftlicher Zusammenhänge in Filmen zu machen. Gerade beim Action-Genre der 80er Jahre bietet sich das an, finden wir hier doch sehr auffallende Spezifika, sei es der muskelbepackte, testosteronschwangere Held, die Arbeit mit Feindbildern wie den Kommunisten oder schlicht und ergreifend den Wandel vom Schusswechsel zur Explosion, von der Autoverfolgungsjagd zum Kriegsszenario. Daher will ich im Folgenden der Abarbeitung meiner liebsten Action-Flicks der Dekade ein paar Gedanken vorausschicken… keine Sorge, keine allzu tief schürfende, wissenschaftliche Analyse, auch kein großer Rückgriff auf Fachliteratur, dafür aber ein paar Gedanken anhand von Topoi und Motiven, darüber was das Actionkino der 80er Jahre auszeichnet… sowohl im Positiven wie im Negativen.

Die offensichtlichste und einschneidendste Veränderung findet bei den Protagonisten des Genres statt. Bereits wenn wir die großen Helden des Actionkinos der 70er Jahre und 80er Jahre gegenüberstellen, wird evident, welche unterschiedlichen Stereotypen hier zum tragen kommen. In den 70ern waren es vor allem Charles Bronson, Clint Eastwood und Steve McQueen, die in traditionellen Genre-Beiträgen wie Dirty Harry (1971), Ein Mann sieht rot (1974) oder Getaway (1972) einen ganz bestimmten Typus von Actionheld verkörperten: Traumatisiert, gebrochen, ambivalent und mit Hang zur Selbstjustiz. Dabei übte sich auch der Actionfilm der 70er Jahre in der von den Regisseuren des New Hollywood etablierten realistischen Darstellung von Gewalt und der relativ klaren Fragestellung. In den 80ern ändert sich dies grundlegend. Die neuen Actionhelden sind Sylvester Stallone, Arnold Schwarzenegger oder Chuck Norris. Die gebrochene Seele, die moralische Ambivalenz wird bei deren Figuren aufgegeben. Statt einsamer und verzweifelter Rächer zu sein, entwickelt sich der Protagonist zum toughen Actionhelden mit ästhetischen und charakterlichen Analogien zu Friedrich Nietzsches Übermenschen.

So etabliert sich um die Actionhelden des Jahrzehnts ein regelrechter Körperkult. Arnold Schwarzenegger ist nicht der einzige Darsteller dieser Zeit, der direkt aus dem Bodybuilding-Bereich kommt, aber mit Sicherheit derjenige, der am prototypischsten für die Ästhetik des Jahrzehnts steht. Sein muskelbepackter Körper wird in zahllosen Filmen – meistens halb- oder vollständig nackt – inszeniert, unabhängig davon, ob er den Villain – wie in Terminator (1984) – oder den Helden – wie in Conan der Barbar (1982) oder Commando (1985) mimt. Nahaufnahmen von Muskelmassen sind in dieser Zeit ein beliebtes Stilmittel, um die Übermenschlichkeit der Protagonisten aufzuzeigen, oft werden diese in Aktion präsentiert, mitunter in ungewöhnlich langen Zeitlupe-Aufnahmen stilisiert. Neben Schwarzenegger darf unter anderem auch Lou Ferrigno zum Beispiel in Herkules (1983) seinen bodybuilding-gestählten Körper in Aktion zur Schau stellen. In den Szenen, in denen rein das Kräftemessen des Körpers zelebriert wird kommt nicht zuletzt eine obskure – nahezu sakrale – Erotik zum Tragen, bei der jeder einzelne Muskel, jede einzelne Anspannung und Dehnung zum großen körperkultischen Fest wird.

Ebenfalls offensichtlich wird der Wandel vom gebrochenen zum reinen Helden an der Sieger-Mentalität, die die Actionfilme 80er Jahre ausstrahlen. Gewann der erste Rocky (1976) seine Spannung noch vor allem daraus, dass der Held ein geschlagener – aber williger -Kämpfer von der Straße ist, der den finalen Kampf eben doch verliert, darf dieser bereits in der Fortsetzung Rocky II (1979) den entscheidenden Kampf gewinnen. Aus dem Triumph der Niederlage, des Geschlagenen wird an der Schwelle zu den 80er Jahren der Triumph des Siegers. Gerade die Genese der Rocky-Filme symbolisiert beispiellos die Entwicklung des Actionfilms, bis hin schließlich zum legendären Kampf zwischen amerikanischem Actionhelden und unmenschlicher, sowjetischer Kampfmaschine in Rocky IV (1985), in dem beispiellos der Krieg Mensch gegen Maschine in allen Einzelheiten inszeniert wird.

In dieser Genese wird auch ein anderes Motiv des 80er Actionkinos deutlich: Der Wandel von der zivilen zur militärischen Action: Die Gegner von Dirty Harry oder Frank Bullitt sind Verbrecher, Mörder, Ganoven, aber fast immer Zivilisten. John Rambo, James Braddock aus Missing in Action (1984) oder Major „Dutch“ Schaefer aus Predator (1987) dagegen sind nicht nur militärische Krieger oder Söldner sondern fechten auch militärische Konflikte aus. Offensichtlich wird dies ebenfalls an zwei Franchises. Während John Rambo in First Blood (1982) zu Beginn des Jahrzehnts noch gegen willkürliche Polizeigewalt zu Felde zieht, wird er bereits in der Fortsetzung zurück nach Vietnam geschickt, um dort einen militärischen Auftrag auszuführen. Eine der wenigen weiblichen Actionheldinnen der 80er Jahre Ellen Ripley wird in Alien (1979) auf einer vermeintlich zivilen Weltraum-Mission mit dem unheimlichen Wesen aus einer fremden Welt konfrontiert, gegen sie sich mit ordentlicher Feuerkraft verteidigt. Das 80er Jahre Sequel Aliens (1986) zeigt Ripley nicht nur von jeglichen zivilen Schwächen gereinigt, sondern stellt ihr auch gleich ein ganzes Söldnerheer zur Seite. Aus dem begrenzten Konflikt des ersten Teils – eine Raumstation, ein Monster, eine Heldin – wird ein großes Schlachtfest mit zahllosen Aliens, verschiedensten Waffen und Explosionen.

Dabei sind diese militärischen Recken fast grundsätzlich Einzelkämpfer, die sich gegen eine Vielzahl vermeintlich übermächtiger Gegner zur Wehr setzen. Verbunden wird das Stereotyp des (ehemaligen) Soldaten, der nun seinen persönlichen Krieg führt fast grundsätzlich mit gewaltigem Patriotismus, auf den ich später nochmal zu sprechen kommen werde. Nur so viel sei schon vorab gesagt: In ihrem eigenen, heldenhaften Krieg überwinden Soldaten wie Braddock oder John Rambo ihr eigenes Vietnam-Trauma, was wiederum allegorisch für eine Überwindung des Vietnam-Traumas einer gesamten Generation funktionalisiert wird. Die in den Filmen eingesetzte übermenschliche Darstellung des amerikanischen Kämpfers gegen die unterlegenen – nur in der Masse eine Chance habenden Gegner – entwickelt gar Züge eines beinahe rassistischen Amerika-Bildes. Exemplarisch sei nur der von Kritikern viel gescholtene American Fighter II (1985) genannt, in dem ein im Kampfsport geschulter amerikanischer Soldat gegen willenlose Ninja-Zombies in der Karibik kämpft. In dem Kampf gegen die Masse an Gegnern wird auch mit dem „David vs. Goliath“-Prinzip gespielt. Der übermenschliche Kämpfer braucht eine schier unüberwindbare Masse an Widersachern um in die Rolle des Sympathieträgers, des David zu gelangen. Die USA, für deren Sache er wiederum kämpft, wird dadurch gleichsam zum David. Die globale Supermacht muss mit übermenschlichen, kaum fassbaren Bedrohungen konfrontiert sein – zum Beispiel eine kommunistische  Invasion wie in Die rote Flut (1984) – um in der Rolle des nur vermeintlich Schwachen, der dennoch alle Hürden überwindet um zu siegen, zum Sympathieträger zu avancieren.

Fortsetzung in Teil 2

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