Die besten TV-Serien der 80er Jahre IV

Einen habe ich noch, dann ist aber wirklich Schicht im Schacht. In der letzten 80er TV-Retrospektive begegnen wir einer fulminanten Fortsetzung des Serienklassikers Raumschiff Enterprise, wir dürfen mit Sledge Hammer! einmal höchst ironisch und mit Cagney & Lacey einmal höchst dramatisch Detektiv spielen. Und Der unglaubliche Hulk dürfte wohl zu den am meisten unterschätzten Superheldeninkarnationen der Bildschirmgeschichte gehören. Und dann hat sich da noch, naja, irgendwie ein faules Ei in diese Bestenliste gemogelt, bei dem ich jetzt wirklich lange überlegt habe, ob ich es stehen lassen will. Aber seht selbst…

Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert [Gene Roddenberry]

(USA 1987-1994)

{7 Staffeln, 178 Folgen à 45 Minuten}

Gegen Mitte der 80er Jahre war die 60er Jahre Science Fiction Serie Star Trek nicht nur zum totalen TV-Klassiker mutiert, dank mittlerweile vier Filmen, die alle bis auf Star Trek: Der Film (1979) in den 80ern entstanden waren, waren Welt und Mythos um das Raumschiff Enterprise und die Vereinigte Föderation der Planeten auch einem jüngeren Publikum bekannt. Dass es eine Fortsetzung geben musste, lag also irgendwie auf der Hand. Dass diese aber so gut sein würde, damit war nun wirklich nicht zu rechnen. Seien wir ehrlich, Jean-Luc Picard wischt mit Captain Kirk den Boden auf, aber auch die restliche Crew dieser neuen Enterprise steht der klassischen Besetzung in nichts nach. Hinzu kommt die Entscheidung, den Kitsch und die Fantasterei der Originalserie beiseite zu kehren und statt alberner Pulp-Abenteuer eine wirklich ernste, hochpolitisierte Weltraumsaga zu erzählen. Das nächste Jahrhundert ist der erwachsene Konterpart zu der Urserie, mit vielen neuen Konflikten, vielen neuen Geschehnissen, Freunden und Feinden. Der Trend späterer Iterationen, aus Star Trek etwas mehr Drama, etwas mehr Soap zu machen, ist hier bereits spürbar, und doch ist das alles noch reine und mitreißende Science Fiction, die genau die richtige Balance zwischen Inhalt und Fantasterei findet. Vielleicht sogar die beste TV-Version, die das Star Trek Universum zu bieten hat.

Sledge Hammer! [Alan Spencer]

(USA 1986-1988)

{2 Staffeln, 41 Folgen à 22 Minuten}

Achja, die Amerikaner und ihr Waffen- und Gewaltfetisch, gerade im Actionkino der 80er Jahre omnipräsent. Und Sledge Hammer! (Nur echt mit Ausrufezeichen) ist die perfekte Karikatur dieses Fetischs. Ein Zyniker und Waffennarr mit „I ♥ VIOLENCE“-Aufkleber auf seinem Auto und Kosenamen für seinen Revolver… mehr 80’s Actionheld geht eigentlich nicht. Dieser Sledge Hammer ist aber deutlich mehr: Exzentrisch, manchmal sogar weinerlich, manchmal tollpatschig und meistens einfach nur komplett drüber. Und das ist auch die ganze Serie: Eine Farce, eine absurde Parodie auf Film Noir, 80er Actionflicks, auf billige Ermittlungspossen und gewaltverherrlichende Polizeifilme. Dabei wird sie aber nie zum reinen Spoof, sondern findet immer wieder zurück zur Story, zum Krimi und natürlich zur Action. Gerade diese Ambiguität, diese Begeisterung für das eigene Sujet wie dessen Dekonstruktion, macht Sledge Hammer! zu einer Ausnahmeerscheinung in der 80er Krimilandschaft.

Cagney & Lacey [Barbara Avedon, Barbara Corday]

(USA 1981–1988, 1994–1995)

{7 Staffeln, 126 Episoden à 45 Minuten}

Wenn man sich die 80er Jahre Action- und Krimilandschaft anschaut, kann man gar nicht anders als festzustellen, dass das ne ziemlich große Schwanzparade ist. Testosteron war damals nicht nur der Default-Modus, sondern praktisch ein Muss, wenn es um die klassischen Genreplots ging. Umso erfrischender wirkt da eine Abwandlung von diesem Muster. Die Geschichten um die Polizeibeamtinnen Cagney & Lacey sind eine großartige Mischung aus Crime und Drama, denn Barbara Avedon und Barbara Corday begnügen sich damit einen simplen Genderswap durchzuführen, stattdessen ergänzen sie ihre Kriminalstories um eine dezidiert weibliche Perspektive. Im Mittelpunkt stehen nicht nur Verbrechen sondern auch alltägliche menschliche Konflikte: Die Schwierigkeiten für erfolgreiche Frauen in einer von Männern dominierten Welt werden thematisiert und die Serie scheut sich auch nicht davor so manches heiße Eisen anzufassen. Cagney & Lacey ist eigentlich viel zu gut für die 80er Jahre, viel zu gut für ein Jahrzehnt, in dem Krimis und Thriller meistens nach Schema F abliefen. Und tausendmal besser als all die Miami Vices und anderen Buddy Movies da draußen.

Der unglaubliche Hulk [Kenneth Johnson]

(USA 1978-1982)

{5 Staffeln, 82 Folgen à 45 Minuten}

Auch Der unglaubliche Hulk war seiner Zeit weit voraus. Das liegt vor allem daran, wie Kenneth Johnson das klassische Marvel Superhelden-Sujet angeht: Nicht als bunte, pompöse Comicumsetzung, sondern als geerdetes, realistisches Actiondrama. Johnson wollte seinem Hulk gar eine rote statt einer grünen Farbe gehen, um ihn menschlicher erscheinen zu lassen, ein Vorhaben, das letzten Endes am Widerspruch Stan Lees scheiterte. Nicht so schlimm, denn im ganzen Rest, sowohl atmosphärisch als auch narrativ als auch dramaturgisch, entfernt sich dieser Hulk weit genug von der Vorlage, um etwas ganz eigenständiges zu erzählen. Mit seinem grimmigen Realismus, seiner bitteren und tristen Grundstimmung, seiner Fokussierung auf das menschliche Drama ist er fast so etwas wie die Antizipation der realistischen Superheldenfilme des 21. Jahrhunderts: Düster, naturalistisch, manchmal sogar mit politischen Motiven, und fast nie albern oder belanglos. Dieser unglaubliche Hulk ist einfach mal eine der am meisten unterschätzten Comicverfilmungen, und angesichts der Tatsache, dass uns auch die neuen Marvelfilme keinen anständigen, eigenständigen Hulk-Movie schenken konnten, immer noch die beste filmische Adaption des grünen Monsters.

Die Bill Cosby Show [Michael Leeson, E. D. Weinberger, Bill Cosby]

(USA 1984-1992)

{8 Staffeln, 201 Episoden à 25 Minuten}

Puh, wo soll ich anfangen. Vielleicht mit einer Rechtfertigung? Als ich diese Liste zusammengestellt habe, war das Jahr 2015… vielleicht auch 2016, aber es war ein gutes Stück bevor Vergewaltigungs- und Missbrauchsfälle um Bill Cosby bekannt wurden. Und jetzt stehe ich da mit dem letzten Item dieser Liste und überlege, wie ich damit umgehen soll. Auf die Trennung von Künstler und Kunstwerk beharren? Eigentlich kein schlechter Gedanke, aber alles andere als einfach, wenn der Künstler in seinem Kunstwerk derart präsent ist. Die Serie einfach unter den Teppich kehren? Käme mir auch komisch vor. Weiter auf ner Metaebene darüber nachsinnen, bis endlich ein paar Zeilen gefüllt sind? Bloß nicht! Vielleicht einfach als kleine persönliche Anekdote: Die Sitcom The Cosby Show hat mich lange durch meine Kindheit begleitet, hat mich zum Lachen gebracht, hat mich berührt und hat mir – und das ist wichtig an dieser Stelle, zu betonen – auch einen moralischen Kompass gegeben, einen sehr guten. Es ist die Darstellung von Schwarzen jenseits aller Klischees, die in den 80ern alles andere als selbstverständlich war. Es ist der Umgang mit Frauen- und Männerrollen, die Perspektive auf Karriere und Care-Arbeit, das Enttarnen und die Veralberung von Sexismus… auch alles als selbstverständlich in den 80ern. Es ist der Umgang mit Themen wie uneheliche Kinder, Patchworkfamilien, soziale Stereotype… das war damals schon etwas besonderes und ist es auch noch retrospektiv. Und doch bleibt ein schaler Geschmack auf der Zunge zurück, wenn man heute – im Jahr 2020 – damit konfrontiert ist, dass der Schöpfer und Hauptdarsteller der Serie offensichtlich auf so viele Werte geschissen hat, die er in der Serie stolz propagierte. Und damit fällt mir auch keine weitere Lösung ein, kein weiterer Kommentar. Nichts außer diesem kleinen Text und einer vergossenen Träne. Auch irgendwie ein Abschluss für das Jahrzehnt. Over and out.

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